Sehr geehrte Redaktion!
Mit Freude habe ich Ihren Artikel „Sonnenbaden an Mülheims Strand“ gelesen. Als sogenanntes Nachkriegskind litt ich sehr an Bronchitis und habe 6 Wochen im Oktober 1958 im Erholungsheim Keitum verbringen dürfen.
Leider nicht zur Sommerzeit; wir mussten uns schon warm anziehen, aber die gute, reine Luft war ja viel wichtiger. Die erste Zeit war auch geprägt von großem Heimweh, vom Aufenthalt auf der Krankenstation, aber auch von neuen Freundschaften und von einer Person, die mir oft seelischen Beistand gab, und diese Person war Tante Barbara!
Die Geschichte rund ums Erholungsheim Keitum habe ich u.a. durch Fotos und Tante Barbaras Eintragung in meinem Poesie-Album dokumentiert und bei einem Projekt der Mülheimer ZeitzeugenBörse in einen Koffer der Erinnerung an die Kinderzeit gepackt. Darum hat mich Ihr Artikel sehr berührt und gefreut, dass es „Tante Barbara“ gut geht, und ich möchte ihr auf diesem Weg für die guten Erinnerungen nach so vielen Jahren danken.
Übrigens, der Koffer begleitet mich als Zeitzeugin bei Ausstellungen oder Vorführungen an Schulen, und jedes Teil darin hat eine Geschichte, die ich erzählen kann.
I. Franken
20.01.2015
Im November 2011 war ich Mitbegründerin der Zeitzeugenbörse Mülheim an der Ruhr.
Eins meiner vielen Interessen war immer schon, das aktuelle politische Geschehen in einem größeren historischen Zusammenhang zu sehen. Was mit Einzelschicksalen in ihrer jeweiligen Zeit passiert, habe ich schon in die Wiege gelegt bekommen, denn beide Eltern waren nach dem 2. Weltkrieg Flüchtlingskinder, mein Vater sogar noch Kindersoldat. Erst nach meiner Pensionierung konnte ich mich mit den Folgen dieser schrecklichen Zeit in der deutschen Geschichte beschäftigen und damit auch mit den Ursachen.
Bei meiner Arbeit ist mir ganz wichtig, immer auf das Alter der Erzählenden zu achten und immer danach (auch der Zuhörer sich selbst in seiner Biografie) zu fragen, inwieweit das politische Bewusstsein schon vorhanden war; und das ist bei jedem Menschen verschieden. Ich möchte ein Mosaikstückchen dazu beitragen, dass junge Menschen ihr persönliches politisches Bewusstsein bilden können; deshalb ist mir die Arbeit an Schulen eine Herzensangelegenheit.
Die Zeitzeugen fühlen sich manchmal unverstanden, wenn aus dem Heute Rückschlüsse nach Gestern geschlossen werden, frei nach dem Motto Warum habt ihr nichts gemerkt?, Wie konnte das passieren?, usw. Und genau hier ist der Punkt, an dem ein Austausch mit der jüngeren Generation stattfinden kann. Indem es den Zeitzeugen gelingt, dass sich die Schülerinnen und Schüler in die damalige Zeit versuchen hineinzuversetzen, können auch Bilder für das eigene Leben, für die eigene Zukunft entstehen.