Seit Beginn der 1990er Jahre sind in der gemeinwesenorientierten Seniorenarbeit Nachbarschafts-Projekte in den letzten Jahren immer zahlreicher und auch vielfältiger geworden. Während früher Nachbarschafts-Projekte auf Nachbarschaftshilfe beschränkt waren, haben sie sich durch die demografische Entwicklung, die Ausweitung der Altersphase und die vielfältigen Lebenssituationen verändert und sind vielfältiger geworden: Sie fördern und intensivieren Begegnung, gemeinsames Miteinander, bürgerschaftliches Engagement und gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft. Ältere und alte Menschen sind hier sowohl Initiatoren und Mitwirkende als auch Nutzende von Nachbarschafts-Projekten.
Nachbarschaftsarbeit – Was ist das?
In der gemeinwesenorientierten Seniorenarbeit hat sich der Aufbau von Nachbarschafts-Projekten zu einem eigenständigen Ansatz entwickelt. Ausgehend von einem Verständnis von Nachbarschaft als Beziehungsgeflecht in der räumlichen Nähe, fördert Nachbarschaftsarbeit wohnortnahe Beziehungen durch freizeitorientierte, kulturelle und soziale Angebote, Aktivitäten und Infrastrukturen. Diese Angebote; Aktivitäten und Infrastrukturen können sowohl institutioneller (Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Gemeinden, Vereine, Verbände usw.) als auch informeller bzw. selbstorganisierter Art sein.
Die räumliche Nähe ist unterschiedlich weit zu fassen. Sie variiert je nach den (sozial-)räumlichen Begebenheiten wie z. B. Stadt und Land und nach dem Ziel des Nachbarschaftsprojekts. So kann räumliche Nähe ein Haus sein, ein Wohnblock oder gar mehrere Straßenzüge bis hin zum Stadtteil umfassen. Je enger die räumliche Nähe gefasst ist, um so mehr greifen die oft unbewusst angewandten „Umgangsregeln“ unter Nachbarn wie höfliche Distanz und ausgeglichene Balance von Nehmen und Geben, die das Miteinander untereinander beeinflussen und beim Aufbau von Nachbarschaftsprojekten mit zu berücksichtigen sind.
4 Bausteine einer lebendigen Nachbarschaftsarbeit
Zu den vier Bausteinen einer lebendigen Nachbarschaft gehören
- Kontakt und Begegnung
- Soziale Netzwerke und Vernetzung
- Bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung
- Unterstützung und Hilfe
Diese vier Bausteine stellen gleichzeitig vier Arbeitsfelder dar, um eine lebendige Nachbarschaftsarbeit aufzubauen. Sie unterstreichen, dass nach heutigem Verständnis Lebendige Nachbarschaftsarbeit mehr ist als Nachbarschaftshilfe. Die einzelnen Bausteine stellen selbstständige Arbeitsfelder dar und können sich im Sinne der zeitlichen Weiterentwicklung in allen vier Stufen (Kontakt, soziale Netzwerke, bürgerschaftliches Engagement und Unterstützung) ausbreiten.
1. Kontakt und Begegnung
Dieser Baustein ist als der Grundbaustein bzw. das „Herzstück“ der lebendigen Nachbarschaftsarbeit anzusehen, auf dem die anderen Arbeitsfelder aufbauen. Kontakt und Begegnung ermöglicht, dass Menschen sich kennenlernen und Vertrauen gewinnen, um miteinander in Beziehungen und soziale Netzwerke aufzubauen, gemeinsame Freizeitaktivitäten zu unternehmen, sich zu engagieren und/oder um Unterstützung zuzulassen.
Mit dem Baustein „Kontakt und Begegnung“ werden wohnortnahe Beziehungen gefördert, indem bestehende Kontakte gepflegt und neue Kontakte im Alter ermöglicht und geknüpft werden können. Angebote wie ein gemeinsames Grillfest, ein Straßenfest, ein Frühstückstreff oder ein Mittagstisch sind gute Gelegenheiten Berührungsängste und Vorbehalte abzubauen und Kontakte zu vertiefen.
2. Soziale Netzwerke und Vernetzung
Die Lebensqualität im Alter ist im Besonderen abhängig von der Einbindung in soziale Netze und Möglichkeit zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Im Alter kommt es häufig zu einem Rückgang von Kontakten. Wohnortnahe Beziehungen können zum Beispiel durch selbstorganisierte Gruppen, Genossenschaften und Tauschringe gefördert werden. Langfristig dient der Aufbau eines funktionierenden außerfamiliären Netzwerkes der sozialen Vorsorge.
Vernetzung vorhandener und neuer Aktivitäten in der Nachbarschaft ist ein wichtiger Baustein, damit vielfältige Angebote und Aktivitäten älteren und alten Menschen in der Nachbarschaft zur Verfügung stehen und sie so lange wie möglich zu Hause wohnen bleiben können.
3. Bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung
Nachbarschaften sind wichtige Orte für bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung. Denn ältere und alte Menschen können konkret erleben, was ihr freiwilliges Engagement bewirkt und das sie Teil dieser Nachbarschaft sind. Für viele von ihnen ist es ein wichtiger Beweggrund eine Wohnumgebung zu schaffen, die nicht nur für sie selbst, sondern für alle Generationen lebenswert ist. So ist es nicht verwunderlich, dass sich zunehmend mehr ältere Menschen in der Gestaltung ihrer Nachbarschaft bzw. Wohnumgebung engagieren, sei es wenn es um die „Verschönerung“ von zentralen Plätzen geht oder um das Einrichten von „Begegnungsräumen“ für Jung und Alt geht. Eins ist sicher: Von gut funktionieren Nachbarschaften profitieren alle (Generationen) in der Nachbarschaft.
4. Unterstützung und Hilfe
Im Sinne der Nachbarschaftsarbeit können wohnortnahe Beziehungen durch gegenseitige Unterstützung und Hilfe gefördert werden. Nachbarn sind im Unterstützungsnetzwerk älterer Menschen neben Familienangehörigen wichtig. Sie erledigen Einkäufe und sind für Notfälle da. Bevor aber Hilfe angenommen werden kann, sind das Kennenlernen und der Aufbau einer Vertrauensebene wichtig. Um gegenseitige Unterstützung vor allem bei häufiger bzw. regelmäßiger Hilfe ermöglichen zu können ist es wichtig, dem Aspekt „Nichts dem Nachbarn schuldig bleiben“ besondere Aufmerksamkeit zu schenken. So muss eine ausgeglichene Balance von Geben und Nehmen ermöglicht werden. Tauschwährungen wie bei Tauschringen oder Aufwandsentschädigungen bei Einkaufs- und Haushaltshilfen können hier weiterhelfen.