Sozialämter und Elternunterhalt: Welche Kosten müssen Kinder tragen?

Angst vorm Heim wegen der Kosten. In Oberhausen werden über 81,8 % zu Hause von Angehörigen aufopfernd gepflegt, in Essen 71,8 %.

Den Begriff des demografischen Wandels, muss man heute kaum noch jemandem erklären. In Kürze: Die Bevölkerung der Bundesrepublik wird bis 2060 voraussichtlich von jetzt noch rund 81 Millionen auf 67 bis 77 Millionen sinken. Im Jahr 2060 wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen gegenüber 2013 um 10% gesunken sein, die Zahl der 20 bis 64 Jährigen, also die der Erwerbsfähigen, um ca. 16 Prozent. Die Zahl der über 65 Jährigen steigt um ca. 40 Prozent von etwa 16 Millionen auf über 22 Millionen.

Auch wenn in der Werbung immer wieder das Bild des fitten Seniors bemüht wird. Wer älter wird, wird dadurch nicht eben gesünder. Etwa drei Millionen Menschen in Deutschland sind schon jetzt pflegebedürftig, und die Zahl wird sicherlich proportional zur Entwicklung der Alterspyramide weiter ansteigen.  Die Pflege zu Hause gelingt durch ehrenamtliche Aufopferung.  Die Kosten im Altersheim können selten durch die laufende Rente und das Pflegegeld gedeckt werden, das mühsam Gesparte wird angegriffen. Ist das Barvermögen aufgebraucht, stellt sich die Frage, wer kommt für die Unterdeckung auf. 

Hier sind die Angehörigen des Pflegebedürftigen gefragt. Pflegekosten in Deutschland sind hoch, oft reicht die gesetzliche Pflegeversicherung in Kombination mit der Rente nicht aus. Aber wer zahlt den Rest? Das Heim wendet sich bei „fehlenden“ Angehörigen an das Sozialamt. Dieses sucht und wendet sich sofort an die Angehörigen. Denn Kinder sind zum sogenannten Elternunterhalt verpflichtet. Sie müssen ihre bedürftigen Eltern also finanziell unterstützen.  Wichtig: Ab dem 1.1.2020 gilt ein Freibetrag von 10.000 € monatlich.

Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren den Elternunterhalt ausgesprochen verträglich gemacht, es muss wirklich niemand seinen Lebenszuschnitt nachhaltig ändern, um Elternunterhalt zahlen zu müssen. Die Sozialämter versuchen sich oft über Gebühr zu entlasten und aus der Sicht des Bürgers ergeben sich immer wieder Fehler bei der Berechnung.

  • Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind das Personen, die unmittelbar voneinander abstammen, in den meisten Fällen also Eltern und ihre Kinder. Aber auch Großeltern und ihre Enkel, Urgroßeltern und ihre Urenkel können einander im Zweifel Unterhalt zahlen müssen. Das Sozialamt kann Unterhaltszahlungen nur von Personen verlangen, die mit dem Hilfebedürftigen im ersten Grad verwandt sind. Es kann daher nur die Kinder, nicht aber die Enkelkinder zu Unterhaltszahlungen heranziehen. 
  • Schwiegerkinder sind mit ihren Schwiegereltern nicht verwandt und damit auch nicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet.

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Elternunterhalt.

Das Sozialamt kommt auf mich zu, um die Höhe meines Einkommens und etwaige Vermögensverhältnisse zu klären. Worauf muss ich bei den Angaben achten?

Die Betroffenen können den Fragebogen des Sozialamtes selbst wahrheitsgemäß ausfüllen, Angaben zu einem Lebensgefährten oder einer Lebensgefährtin dürfen aus Gründen des Datenschutzes nicht gemacht zu werden. Diese werden nie in die Unterhaltsberechnung einbezogen. Das Zusammenleben mit einem anderen Menschen kann lediglich dazu führen, dass der über den Sockelselbstbehalt hinausgehende Selbstbehalt um zehn Prozent vermindert wird.

Die Sozialämter berechnen den Elternunterhalt häufig nicht richtig. Wie kann ich das nachprüfen?

Die Überprüfung erfolgt am besten durch einen im Elternunterhalt erfahrenen Anwalt / Rechtsbeistand. Da der Elternunterhalt eine Spezialmaterie des Familienrechts ist, ist nicht jeder Fachanwalt auch für die Beratung in Sachen Elternunterhalt qualifiziert. Man sollte sich telefonisch oder im Internet vorab informieren, ob der Anwalt im Elternunterhalt erfahren ist.

Wird meine eigene Altersvorsorge durch die Zahlungen gefährdet?

Aufwendungen für die gesetzliche Rente werden abgezogen und bis zu fünf Prozent des Bruttoeinkommens aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und 25 Prozent des sonstigen Erwerbseinkommens kann zusätzlich zur Absicherung der Altersvorsorge aufgewendet werden. Dies kann auch in Form einer Sparrücklage erfolgen.

Tipp:

Es lohnt sich die Mühe, alle Einnahmen und Ausgaben aufzulisten, da die Vordrucke von den Sozialämtern etliche Posten nicht aufführen. Abzugsfähig sind zum Beispiel auch Unterhaltsleistungen für eigene Kinder, Ausgaben für Versicherungen, die Abzahlung eines Kredits und Kosten des Besuchs der Eltern. Kindergeld oder Pflegegeld wird nicht zum Einkommen gezählt, bleibt also unangetastet.

Muss ich mein Haus oder meine Wohnung verkaufen?

Die selbst genutzte Immobilie darf in der Regel nicht für den Unterhalt der Eltern herangezogen werden.

Was hat es mit dem Mindestselbsbehalt auf sich?

Für Kinder pflegebedürftiger Eltern gibt es einen Mindestselbstbehalt von 1.800 Euro. Darin sind Wohnkosten inklusive Heizung in Höhe von 480 Euro enthalten. Fällt dafür mehr an, wird auch der Selbstbehalt heraufgesetzt. Unterhaltsansprüche minderjähriger und volljähriger Kinder, Finanzierungskosten für die selbstgenutzte Immobilie und Tilgungsleistungen für notwendige Kredite werden vom Einkommen vorab abgezogen. Bei Warmmietkosten, die die in den Selbstbehalten enthaltenen Beträge ( 480/860 Euro ) übersteigen, wird der Selbstbehalt entsprechend angehoben.

Ist das unterhaltspflichtige Kind verheiratet und lebt mit seiner Ehepartnerin oder seinem Ehepartner zusammen, erhöht sich der Selbstbehalt auf 3.240 Euro. Übersteigt das Einkommen diese Sockelselbstbehalte, bleibt bei zusammenlebenden Ehegatten 45 Prozent des den Sockelselbstbehalt übersteigenden Einkommens anrechnungsfrei. Bei Alleinstehenden sind es 50 Prozent.

Muss Elternunterhalt womöglich aus eigenem Vermögen gezahlt werden?

Fondsbeteiligungen, Sparvermögen und Wertpapiere bleiben unangetastet, soweit sie zusätzlich zur Altersvorsorge dienen,  spricht man vom sogenannten Schonvermögen. Dieses ist recht hoch. Bei einem Bruttoeinkommen des Kindes von 40.000 Euro pro Jahr ergibt sich im Alter von 50 Jahren ein Schonvermögen von 130.000 Euro.

Dieses Vermögen kann zusätzlich zur selbst bewohnten Immobilie bestehen. Vermögen des Ehegatten ist stets unantastbar. Generell gilt: Sind Kinder bereits unterhaltspflichtig für pflegebedürftige Eltern, gibt es trotzdem die Möglichkeit, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze fünf Prozent des Bruttoeinkommens für die private Altersvorsorge anzusparen.

Tipp:

Wer sein schwer erarbeitetes Vermögen geschickt strukturiert, muss weniger zahlen. Wird zum Beispiel vorhandenes Vermögen in eine selbst genutzte Immobilie gesteckt, kann der Staat nicht ohne weiteres darauf zurückgreifen.

Kann mein Ehepartner auch zur Zahlung verpflichtet werden?

Ist der eigene Verdienst eigentlich zu gering, um die Pflege der Eltern mitzubezahlen, aber der des Partners, also des Schwiegerkindes, sehr hoch, kann es sein, dass das betroffene Kind trotzdem Unterhalt zahlen muss. In diesem Fall ist der angeheiratete Partner indirekt betroffen, da er nun mehr zur Bewältigung des Familienunterhalts aufbringen muss. Generell gilt: Die finanziellen Verpflichtungen gegenüber den eigenen ( auch geschiedenen Ehegatten und den eigenen Kindern gehen vor).

In welchen Ausnahmefällen sind Kinder von der Unterhaltspflicht für ihre Eltern nach dem Urteil des BGH ausgenommen?

Der Unterhaltsanspruch kann verwirkt sein

  • wenn Eltern ihre Verpflichtung den Kindern gegenüber nicht erfüllt haben, indem sie zum Beispiel die Kinder nicht selbst betreut haben, sondern ohne zwingende Gründe in Pflegebetreuung gegeben haben.
  • Bei Betreuungsdefiziten, die häufig in suchtgeprägten Familienverhältnissen bestehen.
  • Bei Vernachlässigung.
  • Bei Kontaktverweigerung im Kindesalter.
  • Bei sexueller oder körperlicher Gewalt gegen Kinder oder andere Familienangehörige.
  • Bei schuldhafter Nichterfüllung der Barunterhaltsverpflichtung.

 Die Beweislast für die Verwirkung liegt beim Kind. Der Beweis kann aber oft durch Verwandte, den anderen Elternteil, Geschwister oder auch Dokumente des Jugendamtes, Sorgerechtsentscheidung oder andere gerichtliche Dokumente geführt werden.