Der Bewohner(bei)rat

Die unbekannte, „frei“ gewählte Interessenvertretung der Bewohner

Seit Anbeginn 1994/1995 sieht die Pflegeversicherung (SGB) XI eine indirekte Beteiligung der Bewohner durch ihre alle zwei Jahre freigewählten Bewohnervertretung vor. Die Umsetzung der Wahl beaufsichtigt die Heimaufsicht, nun umbenannt in Wohn- und Teilhabe Gesetz (WTG) Behörde. . Das Bundessozialgericht mahnt, mit Urteil vom 26.09.2019 – B 3 P 1/18 R[i], die jahrzehntelange Missachtung der Mitwirkung des Bewohnerbeirates bei der Entgelterhöhung an.  Nachfolgender Beitrag entnommen aus dem aktuellen Buch „DER BEWOHNERBEIRAT

Wie angekündigt, die Fortsetzung auf Grund der Beiträge „Sexualität im Heim“ Grundlage Zur Mitwirkung und Mitbestimmung der Nutzerinnen und Nutzer sind je nach Einrichtungsform §§ 22, 29, 40 NRW-WTG  mit DurchführungsVO  Für andere Bundesländer gilt ähnliches, siehe dazu https://www.biva.de/gesetze/laender-heimgesetze/

§ 10 Aufgaben des Nutzerinnen- und Nutzerbeirates

Der Beirat hat folgende Aufgaben:  (1-7), so auch § 20 WTG-NRW

  1. Maßnahmen bei der Einrichtungsleitung, der Leistungsanbieterin oder dem Leistungsanbieter zu beantragen, die den Nutzerinnen und Nutzern dienen,
  2. Beschwerden und Anregungen an die Einrichtungsleitung weiterzugeben und mit ihr darüber zu verhandeln,
  3. neuen Nutzerinnen und Nutzern zu helfen, sich in der Einrichtung zurechtzufinden,
  4. vor Ablauf der Amtszeit einen Wahlausschuss zu bilden und eine neue Wahl vorzubereiten,
  5. mindestens einmal jährlich eine Nutzerinnen- und Nutzerversammlung durchzuführen und dort einen Bericht über die Tätigkeiten abzugeben,
  6. bei Maßnahmen mitzuwirken, bei denen es um die Förderung der Qualität der Betreuung geht,
  7. mit der Einrichtungsleitung und den Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbietern in allen Fragen zusammenzuarbeiten, die die Selbstbestimmung der Nutzerinnen und Nutzer und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft betreffen.

§ 11 Mitbestimmung des Beirates

Der Beirat bestimmt mit bei Entscheidungen der Einrichtungsleitung (1-3)

  1. zur Aufstellung der Grundsätze der Verpflegungsplanung,
  2. zur Planung und Durchführung von Veranstaltungen zur Freizeitgestaltung und
  3. zur Gestaltung der Hausordnung. Zur Umsetzung der Mitbestimmung informiert die Einrichtungsleitung den Beiratsvorsitz schriftlich über die mitbestimmungspflichtige Fragestellung.

analog § 21 WTG-NRW mit dem Zusatz: Wenn die Hausordnung Bestandteil des Vertrages zwischen Betreiber und Bewohner werden soll, ist sie nur mit Zustimmung des Beirates wirksam.   Der nachfolgende Absatz wir in § 23 WTG-NRW als Zusammenarbeit näher ausgeführt.

Der oder die Vorsitzende führt eine Befassung des Beirates mit der Fragestellung herbei. Sofern der Beirat nicht binnen vier Wochen nach der Information durch die Einrichtungsleitung eine Rückmeldung gibt oder Gründe für eine Verzögerung der Entscheidung mitteilt, gilt seine Zustimmung zur Entscheidung als erteilt.

§ 12 Mitwirkung des Beirates = § 22 WTG-NRW

(1) Der Beirat wirkt insbesondere mit bei Entscheidungen über: (1-10)

  1. Maßnahmen zum Verhindern von Unfällen,
  2. eine Änderung der Kostensätze,
  3. die Gestaltung der Grundsätze von Unterkunft und Betreuung,
  4. Ausstattung und Gestaltung der Gemeinschaftsräume und – einrichtungen,
  5. wesentliche Veränderungen des Angebotes,
  6. einen Zusammenschluss mit einer anderen Einrichtung,
  7. umfassende Baumaßnahmen und Instandsetzungsarbeiten,
  8. Maßnahmen der sozialen Betreuung und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft,
  9. die Einstellung der Einrichtungsleitung und der Pflegedienstleitung
  10. die Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung von Gewalt.

(2) Die Einrichtungsleitung ist verpflichtet,

dem Beirat auf Nachfrage mitzuteilen, wie Finanzierungsbeiträge einer Nutzerin oder eines Nutzers nach § 7 Absatz 2 des Wohn- Teilhabegesetzes verwendet werden.

(3) Über personenbezogene Kenntnisse

aus einer Mitwirkung nach Absatz 1 Nummer 9 und Absatz 2 sind die Mitglieder des Beirates zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Wer kann gewählt werden

In Nordrhein-Westfalen ist dies näher im Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) geregelt. In § 8 heißt es:

(1) Wählen dürfen alle, die am Wahltag in der Betreuungseinrichtung wohnen.

(2) Zum Mitglied eines Beirates kann gewählt werden, wer in der Betreuungseinrichtung wohnt, aber auch Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen, etwa Mitglieder von örtlichen Seniorenvertretungen oder Behindertenorganisationen.

Die Öffnung für „Aussenstehende“

wurde zur Transparenz und aus Gründen der Effektivität eingebracht. Was nutzen Mitwirkungsrechte, die nicht ausgefüllt werden können. Bis heute haben es die Einrichtungsträger und Leitungen verstanden Heim- und Bewohnerbeiräte als notwendiges Übel zu installieren. Nur wenige Einrichtungen sind stolz auf ihre Interessenvertretung  und veröffentlichen die Aktivitäten im Internet. Der zweitgrößte bundesweit agierende Betreiber von stationären Einrichtungen nimmt die Presse zur Imagewerbung wahr. Einrichtungen sehen aktive Angehörige oder Seniorenvertretungen als Störung. Ordnungswidrigkeiten nach § 29 WTG-NRW werden durch die WTG-Behörden bisher nicht geahndet.

Zur Klarstellung hat der Gesetzgeber noch den Absatz 3 eingefügt: Nicht gewählt werden kann, wer beim Betreiber der Betreuungseinrichtung arbeitet und dort Geld verdient, wer bei denen arbeitet, die die Betreuungseinrichtung finanzieren, oder bei einer Überwachungsbehörde beschäftigt ist, die die Betreuungseinrichtung kontrolliert.

§ 9  Anzahl der Mitglieder

(1) Die Zahl der Mitglieder des Beirates bestimmt sich wie folgt:

a) Drei bei bis zu 50 Bewohnern, b) Fünf bei mehr als 50 Bewohnern, c) Sieben bei mehr als 150 Bewohnern, d) Neun bei mehr als 250 Bewohnern.

(2) Die Bewohner sollen im Beirat immer die Mehrheit bilden; mindestens eine Bewohnerin oder ein Bewohner muss dem Beirat angehören.

(1) Der Beirat wird in geheimer Wahl gewählt. Diejenigen, die wählen dürfen, können auch Personen vorschlagen, die nicht in der Betreuungseinrichtung wohnen.

(2) Jede Bewohnerin und jeder Bewohner hat so viele Stimmen, wie Beiratsmitglieder zu wählen sind. Gewählt ist jeweils, wer die meisten Stimmen erhält.

(3) Bei Stimmengleichheit ist diejenige oder derjenige gewählt, der in der Betreuungseinrichtung lebt. Bei Stimmengleichheit mehrerer Bewohnerinnen und Bewohner entscheidet das Los.

In der Zeit der fehlenden Pflegekräfte, der steigenden Zahlungen der Bewohner, der fehlenden stationären Pflegeplätze bei gleichzeitig unverminderter Konzentration auf wenige Großbetreiber und internationale Investoren, bedarf es Ausübung der wenigen gesetzlichen Möglichkeiten. 

Nicht jammern über hohe Pflegeentgelte, aktiv werden!

Demnächst folgt der Beitrag: Heimentgelte und Bewohnerbeirat und beinhaltet die Mitwirkung nach § 12 Absatz 1 Ziffer 2.   – Nach Leistungsmodul oder Zuneigung nach Bedarf.

Die Beiträge und mehr finden Sie im Leitfaden „Der Bewohnerbeirat“ erschienen zu Selbstkosten am 16.6.2020. 

Nicht jedem liegt die trockene Materie eines Buches. Die Erarbeitung in einem Seminar mit anderen ist effektiver.

Wegen der Pandemie ist leider das Seminar im März 2021 ausgefallen. Ein Ersatzseminar findet vom 5.-7. Mai 21 kostenfrei in Königswinter statt. Siehe hier unter Veranstaltungen.

Anmeldung noch bis zum 29.3.2021 möglich.

Spätere Seminare bei Interesse nicht ausgeschlossen.