Evakuierungskonzept für Betreutes Wohnen

Brand im Keller, Treppenhaus verqualmt, Bewohner mussten gerettet werden!

Auch bei neuen alternativen Wohnformen in der Pflege, tun sich Planer und Architekten  schwer, den vorbeugenden Brandschutz zu bedenken. Sie reagieren auf den Trend und die Technik für den Einzelnen im Rahmen der jeweiligen Landesbauordnung. Zukünftig sollten auch bei uns, wie in Österreich oder der Schweiz, in Wohnhäusern unterhalb der Hochhausgrenze, automatische, vernetzte Brandmeldeanlagen eingebaut werden. Seit 2008 gibt es Voraussetzungen und die Möglichkeit Aufzüge als Rettungsmittel einzusetzen. Ambulante Pflege verlangt vorbeugenden Brandschutz und barrierefreie Rettungswege.

Ein enger Zusammenhang besteht zwischen Behinderung und Alter. Wir sehen uns einer zunehmenden Zahl von Menschen im Alter von 75 Jahren und älter gegenüber, bei denen die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass sie unter Schädigungen oder Behinderungen leiden. Im Jahr 2040 werden im Schnitt über 25% der Bevölkerung dieser Gruppe angehören, gegenüber 7,5 % 2003 – was eine Verdreifachung darstellt, in manchen Stadtteilen sind 30 % bereits überschritten. Ungefähr 45 % der 75-Jährigen und über 75-Jährigen gaben bereits 1999 an, in ihrem täglichen Leben entweder körperlich oder geistig beeinträchtigt zu sein, von denen wiederum 27 % meinten, sehr schwer beeinträchtigt zu sein.

Die Vorgabe der Politik seit 1995 -ambulant vor stationär – und der Wunsch älterer Menschen, selbständig und in ihren eigenen vier Wänden zu leben, wird mantrahaft beschworen.  Obwohl in Verbindung mit einer verbesserten Gesundheitsversorgung, einer gemeindenahen Betreuung, technologischen Fortschritten und in einigen Fällen höherer Kaufkraft dazu beigetragen werden kann, dass jeder auch zu Hause bleiben kann, wird erst im Pflegefall derzeit mit 4.000 € die Einzelmassnahme bezuschußt.

In den Niederlanden ist dies bereits Alltag. Heimstrukturen wurden nicht mehr gefördert. Landesweite Impulse für ein Barriere freieres bauliches Umfeld sind überfällig – beispielsweise stufenfreie Hauseingänge, Bordsteinabsenkungen und ein Aufzug – oder die Möglichkeit für den Einbau/die Benutzung eines Aufzugs – in jedem Haus mit mindestens zwei Stockwerken.  Derzeit gilt noch die omminöse „Hochhausgrenze“ unabhängig von der Gefahrenlage der Bewohner.

Gegenüber normalen Wohngebäuden ist in Einrichtungen für das betreute Wohnen im Brandfall ein erhöhter Zeitaufwand bei der Evakuierung der Bewohner einzuplanen. Dieser Personenkreis benötigt bei der Evakuierung im Brandfall Hilfe von anderen Personen.

Aufzug als barrierefreier Rettungsweg – „Stand der Technik“

Der Aufzug als barrierefreier Rettungsweg und die vertikale Erschließung zur Rettung auch im Innenbereich von Gebäuden, ist inzwischen „Stand der Technik“ und löst die Konflikte zwischen Brandschutz und Barrierefreiheit nach MusterBauOrdnung(MBO) § 50 – insbesondere bei mehrgeschossigen Sonderbauten, wo die Selbstrettung ins Freie gefahrlos nicht möglich ist. Eine notwendige Treppe/Rampe ist kein barrierefreier Rettungsweg und der Betreiber organisatorisch für die rechtzeitige Evakuierung der Menschen verantwortlich.

Dieses Schild muss der Vergangenheit angehören.

Der jeweilige Entwurfsverfasser ist für das Brandschutzkonzept sowie für die bauliche-technische Planung und Umsetzung der barrierefreien Rettungswege und Evakuierung nach MBO § 2 (9)“barrierefrei“ / MBO § 50 Barrierefreies Bauen /  DIN 18040 und dem „Stand der Technik“ im Aufzugsbau verantwortlich und haftbar. Oft werden aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht die optimalen Mittel vorgesehen oder gar gefordert. 

Wenn ein gesicherter Aufzug für zwei oder drei Geschosse nicht wirtschaftlich dargestellt werden kann, bedeutet dies nicht, dass auf den vorbeugenden Brandschutz verzichtet werden muss. Tote und schwer Verletzte dürfen auch nicht unbewusst in Kauf genommen werden.

Sicherer Flucht- / Rettungsweg

In Österreich und der Schweiz werden seit über einem Jahrzehnt Druckbelüftungsanlagen nach der EuropaNorm (EN) 12.101.6 gefordert und eingebaut, in Deutschland gilt die EN 12.101.6. Die Hersteller nennen ihre Anlagen verschieden, Druckbelüftungsanlagen (DBA), Rauchdruckanlagen (RDA), Rauchverdrängungsanlage (RVA) und Rauchwärmeableitung (RWA). Alle Einrichtungen sollten den Rauch und das Feuer fernhalten. Dies gelingt sicher mit Druckanlagen nicht mit einfachen Ableitungen. Die Rauchfreihaltung des Fluchtraumes durch eine entsprechende Anlage kann zu gleichen Kosten, wie eine außen liegende Nottreppe mit Nottür realisiert werden, und ist zudem sicherer und Energie effizienter. 

Evakuierungskonzept für Betreutes Wohnen 

Gebäude für betreutes Wohnen ähneln normalen Wohngebäuden und unterliegen nur bedingt ordnungsrechtlichen Sonderbauvorschriften. Die Bewohner leben in eigenen Wohnungen und nehmen bei Bedarf wegen ihres Alters oder einer Behinderung gewisse Dienstleistungen in Anspruch.

Besondere Schutzziele ergeben sich für den Vermieter im Gefahrenfall. Der oft eingeschränkten Wahrnehmung und den mangelnden Fähigkeiten zur Selbstrettung der Bewohner, die eine Fremdrettung erforderlich machen, sind Sorge zu tragen. Dabei ist auch die oft eingeschränkte Bewegungsfähigkeit der hier lebenden Menschen zu berücksichtigen, die eine schnelle Evakuierung durch die Feuerwehr erschwert. Fraglich ist, ob ein zweiter bau­licher Rettungsweg, der für diese Art des Wohnens gefordert wird, zu einer besseren Situation führen würde. Die Eigenrettung ist nur in einem eng begrenzten Zeitfenster, wenn überhaupt möglich. Sie muss sofort mit der Wahrnehmung eines Brandes oder nach einer erfolgten Alarmierung beginnen. In dieser frühen Phase sind regelmäßig die baulichen Rettungswege noch ohne Einschränkungen begehbar. Die Evakuierungsplanung muss jedoch neben der schnellstmöglichen Selbstrettung auch die Fremdrettung vorsehen und bei Gebäuden mit betreutem Wohnen folgende Einschränkungen der Bewohner besonders berücksichtigen. Für die Rettung werden Behinderungsstufen  mit einem entsprechenden Zeitfaktor  zu Grunde gelegt. EuropaNorm (EN) 81-76 Ausgabe 2015 VDI Richtlinie 6017

Behinderungsstufe I Dazu zählen Personen mit eingeschränkter Beweglichkeit, einer Gehbehinderung oder einer Fortbewegung mit einem Rollator.

Behinderungsstufe II und III

Dazu zählen Personen, die sich im Rollstuhl fortbewegen müssen, sowie bettlägerige Menschen.

Was nutzt der sichere Rettungsweg, wenn

  • der Alarm zu spät ausgelöst,
  • nicht gehört wird, 
  • verstellt oder zugestellt ist.

Die wenigsten Menschen sterben durch das Feuer, 

die meisten ersticken qualvoll durch verrauchte Rettungswege.

Diese Gedanken gelten auch für die eigene Häuslichkeit. Die Pflicht zum Einbau von Brandmeldegeräten in der Wohnung auch in NRW ist ein notwendiger Anfang. Ein weiterer Schritt ist der Einbau im Treppenhaus in einem Mehrfamilienhaus. Das CO2  Warngerät der Heizung nicht zu vergessen.

Die Wohnungsbaugenossenschaften sind um Ihre Mieter bemüht, die wenigsten denken an den nachträglichen Einbau einer preiswerten Druckbelüftungsanlage im Treppenhaus, um einen rauchfreien Rettungsweg zu garantieren..

Bei Interesse kann das Thema vertieft und anschaulich demonstriert werden.

 

Siehe auch bereits erschienene Beiträge:

03.06.2020 Welche Wohnform, in welcher Gemeinschaft

23.12.2019 Mehrgenerationenhaus / Wohnformen im Alter – 02

21.07.2018 Die Senioren-WG / Wohnformen im Alter – 01 –

23.03.2018 Was bedeutet eigentlich betreutes Wohnen?