Zählt bei den vielen Corona-Toten nicht jeder Tag?

Die Pandemie wird uns 2021 begleiten.

Spätestens seit Oktober verdichten sich die Hinweise, dass es wohl klappen wird mit einem Impfstoff in 2020. Am 27.12.2020 geht es formal los. Über die Menge der Impfungen wird geschwiegen, ebenso ist die Wirksamkeit bei der Veränderung gegeben?

Die Bundesregierung hat die Einführung des Corona-Impfstoffs nicht energisch genug vorbereitet. Hat Spahn nicht mit der zweiten Welle gerechnet? Geht die Aufrechterhaltung  der Wirtschaftstätigkeit Menschenleben vor? Jeden Tag, den die Bürger nun warten müssen, kostet Menschenleben. Das Mainzer Forschungsunternehmen Biontech und die US-Firma Moderna produzieren seit Monaten ihren Impfstoff. Viele Millionen Dosen sind bereits fertig, sie lagern verpackt und abholbereit in riesigen Gefrierschränken in Belgien. Die Unternehmen wollen nicht erst noch einer Zulassung durch die Behörden mit der Produktion beginnen. Weil ihnen klar war, dass jede Woche zählt. Jede Woche, die früher geimpft wird, rettet Menschenleben. In Großbritannien wird seit den 8.12.2020 geimpft, in den USA und Kanada rollen die Lkw. In den USA könnten sich 30 bis 40 Millionen Menschen impfen lassen Anfang des Jahres 2021.

Und in Deutschland?

Jens Spahn sagte im Oktober noch, mit Impfungen sei erst im Januar, Februar 2021 zu rechnen, vielleicht auch etwas schneller. Es gibt eine grobe Arbeitsteilung zwischen dem Bund und den Gesundheitsministern der Länder, nicht viel mehr. Keine klare Führung, keine Initiative, nur föderales Durcheinander. Der Bund stößt eine Impfkampagne an und ist für das Terminmanagement verantwortlich. Die Länder sollen sich um den Rest kümmern, vor allem das Impfzubehör beschaffen. Das schlaue Land kauft jetzt, sagt Spahn.

In den Ländern scheint der Impfstoff noch im Oktober nicht mehr als eine theoretische Möglichkeit in ferner Zukunft. Eigentlich sollte die Nationale Lenkungsgruppe Impfen auf Hochtouren arbeiten, aber sie verkündet, es gebe nichts zu erzählen. Währenddessen wirbt sie für die Grippeimpfung. Im November geben Biontech und Moderna dann bekannt, dass die Wirksamkeit ihrer Impfstoffkandidaten bei rund 95 Prozent liege. Die Unternehmen beginnen, detaillierte Pläne für die Auslieferung und Verteilung vorzubereiten.

Die Bundeskanzlerin spricht vorsichtig von einem Hoffnungsschimmer. In den USA dagegen wird umgehend ein Termin für eine Notfallzulassung in Aussicht gestellt, der 10 Dezember. Dann tagt die Food and Drug Administration (FDA), die amerikanische Arzneimittelbehörde. Sie gibt bekannt, dass der Impfstoff von Biontech bereits einige Tage nach der ersten Dosis gut schütze. Die Immunisierung wirke auch bei Menschen die älter seien als 65 Jahre. Es heißt, zunächst sollen vornehmlich Menschen in Pflegeheimen geimpft werden.

Deutschland hat den Termin für die Zulassung für den 21.12.2020, statt wie vorgesehen zum 27.12.2020 erhalten. Zwar hat das Paul-Ehrlich-Institut die klinische Studie von Biontech begleitet und das Unternehmen beraten, über die Freigabe aber entscheidet die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) für die gesamte EU. Für das Prüfverfahren werden Gutachter der Behörden nach Expertise ausgewählt. Ein umsichtiger Prozess, der dauert. Die abschließende Bewertung für den 21.Dezember 2020 angekündigt, wurde eingehalten.

Es hätte schneller gehen können. Wenn das Gesundheitsministerium entschieden hätte, die Impfstoffe in Deutschland über die Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung zuzulassen, die in dieser Pandemie greift. Aber bei den vielen Corona-Toten zählt da nicht jeder Tag?  Deutschland hatte den Vorsitz, deshalb die „offizielle Ausrede“ wir wollen aus Solidarität eine europäische Zulassung?

Der gewählte US-Präsident Joe Biden versprach in dieser Woche, dass in den ersten 100 Tagen seiner im Januar beginnenden Amtszeit 100 Millionen Amerikaner geimpft würden. Er sagte: „Ich bin sicher, dass wir das Leben der Amerikaner zum Besseren wenden“, so Biden. Die Kanzlerin klingt hingegen so: Wir werden im ersten Quartal noch nicht so viel Impfungen durchführen können, dass wir eine signifikante Veränderung in der Bevölkerung sehen werden.

Was für eine deprimierende und irreführende Aussage.

Es gibt nicht genug Impfstoff für alle, sicher, aber 87 Prozent der Toten sind 70 Jahre und älter, davon viele in den Altenheimen und Pflegeheimen. Selbst wenn man nur ein paar Millionen Dosen hat, retten sie Leben. Zudem hätte es mehr Impfstoff geben können, auch schon in den ersten Monaten. Nur 11 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs wird Deutschland im ersten Quartal bekommen, zugewiesen von der EU, die für alle Mitgliedsländer einkaufen. Die USA bekommen 20 Millionen Dosen. Noch im Dezember.

Die Hersteller verteilen nach Bevölkerungsgröße, aber vorrangig danach, wie und wann Verträge abgeschlossen wurden. Die USA habe bereits im Sommer Millionenkontingente eingekauft. Die EU erst Mitte November, als die Produktionskapazitäten schon teilweise vergeben waren. In den USA soll bis zum Frühjahr genug Impfstoff für die gesamte Bevölkerung verfügbar sein. In Deutschland wohl im Herbst.

Noch bleibt etwas Zeit, den Prozess zu beschleunigen. Wenn es nicht genügend Impfstoff gibt, muss nachverhandelt werden, gerade bei den deutschen Herstellern. Bund und Länder müssen umgehend aufhören, sich in föderalem Chaos zu verzetteln. Schon die Viruseindämmung wurde verstolpert. Wenn die Bundesregierung ihre Kleinmütigkeit nicht endlich ablegt, wird uns das Gleiche bei der Impfung noch einmal passieren.

Fazit:

Angesichts steigender Totenzahlen ist dem Bürger schwer zu vermitteln, dass Deutschland zunächst nur elf Millionen Dosen bekommt, während Länder wie die USA sich Zugriff auf zigfache Einheiten der begehrten Vakzine gesichert haben. Natürlich ist der europäische Solidargedanke, der einer Beschaffung durch die EU zugrunde liegt, richtig. Es wäre für Europa ein hässlicher Rückschlag, wenn sich die reichen Nationen auf Kosten der ärmeren in der Pandemie einen Vorteil sichern. Aber Solidarität bei der europäischen Impfstoffbeschaffung darf keine Solidarität mit schlechtem Management sein. Die Bundesregierung hätte darauf bestehen können und müssen, dass Brüssel mehr Impfstoff bestellt. Schließlich soll Biontech aus Mainz bis zu 500 Millionen Dosen angeboten haben. Aber nur 200 Millionen Dosen hat sich die Kommission als schnelle Lieferung gesichert, 100 weitere sollen später folgen. Für diese Zurückhaltung gibt es bislang keine plausible Erklärung, und der Engpass wird tödlich sein für viele Menschen, die sich noch schutzlos infizieren werden. Hätte Brüssel auch auf falsche Impfstoffe gesetzt, wer hätte die Kommission dafür kritisieren wollen? Europa hat schon auf ganz anderen Baustellen Milliarden verbrannt. Kurzum: Eine, offensivere Baustellentaktik wie in den USA und das parallele Setzen auf viele Impfstoffe wären vertretbar gewesen. Dazu erwartet der Bürger jetzt Erklärungen und weniger Profilierungs-Mätzchen und Ankündigungsmarathon im Wahlkampfmodus.

Ein Anhaltspunkt für die Knappheit in der Anlaufphase: In Essen stehen nach Angaben der Stadtverwaltung in der ersten Tranche nur 750 Impfungen zur Verfügung, bei einem lokalen Potenzial von allein 8.000 Alten- und Pflegeheim-Bewohnern.

Der Impfstoff hat, laut Süddeutscher Zeitung vom 22.12.20, nur eine „bedingte“ Marktzulassung bekommen, dies bedeutet, dass Biontech auch nach der Zulassung weiter Daten an die EMA liefern muss. Der Vorsitzende des zuständigen EMA-Gremiums, der deutsche Mediziner Harald Enzmann, sagte am Montag, man wisse zum Beispiel noch nicht, ob der Impfstoff nur den Ausbruch von Covid-19 verhindere – oder sogar schon die Infektion mit dem Corona-Virus. Zur Impfung von Kindern und schwangeren Frauen sollen weitere Daten erhoben werden. Gut dagegen sei die Studienlage bereits für ältere Menschen über 75 Jahren: Jeweils mehr als 800 Teilnehmer aus dieser Altersgruppe hätten den Wirkstoff und den Plazebo bekommen.

Impfstoffe sind keine Wunderwaffe

Stellen wir uns darauf ein, die Pandemie, die Gefahr einer Ansteckung wird uns über den Bundestagswahlkampf im September 2021 begleiten.

Schützen wir uns und und andere. Unsere Freiheit endet, wenn wir andere gefährden. Bedenken wir, Geimpfte können die Viren weitertragen.  Denken wir an unsere Freunde und Bekannten, nutzen wir Telefon, Briefe und auch Videokontakte. Bleiben wir wachsam und kritisch. Lasst uns in Kontakt bleiben und daran denken, viele haben keinen Kontakt, keine Freunde mehr.

Wenn wir Glück haben, ist die Entwarnung vor dem nächsten Weihnachtsfest und die Normalität wieder gegeben. Sollte es schneller gehen um so besser. Geben wir die Hoffnung und Zuversicht nicht auf.

Allen Lesern wünschen wir ein friedvolles NEUES JAHR 2021

NACHTRAG:

Siehe auch die Veranstaltungen „Lernort Krise“ am 23.2.2021

am 24.3. MAGS  und 22.4. Bundesamt für Bevölkerungsschutz

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