Bloß die Rentner nicht erschrecken

Finanzminister Olaf Scholz will das heutige Rentenniveau auch nach 2025 garantieren

Beamte profitieren im Alter von einer üppigen Pension, so ein gängiges Klischee zu dieser Bevölkerungsgruppe. Der aktuelle Vorsorgungsbericht der Bundesregierung untermauert diese Meinung deutlich. Demnach erhalten ehemalige Bundesbeamte im Schnitt monatlich 3.160 Euro brutto, während Arbeitnehmer laut Rentenatlas 2019 der Deutschen Rentenversicherung ein Ruhegehalt von durchschnittlich 1.360 Euro beziehen. In beiden Fällen seien noch Steuern und Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung abzuziehen, doch der Unterschied bleibt dennoch erheblich gegenüber Arbeitnehmer berichtet das Magazin Focus.

Beamte erhalten höheren Anteil des letzten Einkommens

Das Magazin führt den großen Unterschied darauf zurück, das Arbeitnehmer bei Renteneintritt lediglich 48,16 Prozent ihres Durchschnittseinkommens beziehen, Beamte hingegen 2018 im Schnitt 67,3 Prozent ihrer letzten Bezüge erhielten. Hinzu komme, dass Beamte Anspruch auf eine gesetzliche Mindestpension von 1.760 Euro monatlich hätten, Diese lasse sich nicht mit der Grundrente vergleichen, die ab dem 1. Januar 2021 gelten soll. So können wir die Bevölkerung nicht befrieden, sondern nur spalten.

Die Rente ist sicher, versprach der damalige CDU-Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Norbert Blüm, erstmals im Bundestagswahlkampf 1986. In der letzten großen parlamentarischen Debattenschlacht vor der Bundestagswahl 1998 wiederholte er sein Versprechen, als es im Bundestag darum ging, eine umstrittene Reform zu verabschieden, die das Rentenniveau von 70 auf 64 Prozent absenken sollte für Arbeitnehmer und Angestellte.

Alleine schon an dieser historischen Erinnerung zeigt sich der ganze Populismus der Rentendiskussion, der bis heute immer wieder ganz offen zum Tragen kommt. Denn natürlich konnte und kann die Politik jederzeit und immer wieder sicherstellen, dass die Rente sicher bleibt. Aber die eigentlich wichtigen Fragen sind doch: Erstens, können wir die Beamten weiter so eine üppige Pension zahlen? Zweitens: Wer soll Arbeitnehmer und Angestellten Renten und Pensionen bezahlen?

Von einem Rentenniveau von 70 oder auch nur 64 Prozent können kommende Generationen nur noch träumen. Die Realität wird so aussehen, dass als Folge der demografischen Alterung die gesetzliche Rentenversicherung mehr und mehr in Schieflage geraten wird. Wenn erfreulicherweise die Deutschen immer länger Leben, aber auch weiterhin nicht genügend Kinder geboren werden, um altersbedingt ausscheidende Beitragszahler durch junge Neueintretende zu ersetzen, müssen immer weniger Aktive für immer mehr Senioren (Pensionen und Rente) finanzieren.

Diese einfache mathematische Gesetzmäßigkeit hat seit den Blüm’schen Versprechen in den vergangenen 20 Jahren bereits dazu geführt, dass das Rentenniveau für Personen, die 45 Jahre lang auf einem Durchschnittslohn Sozialversicherungsbeiträge entrichtet haben, nicht mehr bei 64 Prozent eines heutigen Durchschnittsverdiensts liegt, sondern auf weniger als die Hälfte (48 Prozent) abgesenkt werden musste.

Wenn nun Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Sommerflaute des Nachrichtenstroms nutzt, um medienwirksam anzukündigen, ein stabiles Rentenniveau auch in den Zwanziger und Dreißigerjahren zu gewährleisten, und für die nächsten Bundestagswahlen einen Rentenwahlkampf um die Gunst der Senioren androht, hat das also durchaus Tradition.

Zuwanderungseffekt wirkt höchstens temporär

Zur Ehrlichkeit eines Generationenvertrags gehört der Hinweis, dass die Erneuerung alter Rentenversprechen nur zu halten sein wird, wenn die Rentenbeiträge für die Kindeskinder steigen, oder aber die Quersubventionierung der Rentenversicherung aus allgemeinen Steuertöpfen massiv erhöht wird.

Die immer wieder ins Spiel gebrachte Notlösung einer ausgeweiteten Zuwanderung ist nicht mehr als illusionäres Wunschdenken. Sie wird schlicht deshalb nicht greifen, weil auch ausländische Beitragszahlende eines Tages ihre Ansprüche an die deutsche Rentenversicherung geltend machen werden. Der Zuwanderungseffekt wirkt somit höchstens temporär, und mit Blick aufs große Ganze bleibt er marginal.

Wäre die Rentenversicherung privat organisiert, wäre sie längst schon pleite.

Alleine dank der Zuschüsse aus allgemeinen Steuermitteln kann sie überleben und das heutige Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes bei einem Rentenbeitrag von 19 Prozent gewährleisten. Der Sozialbericht 2017 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales offenbart, dass im Jahr 2017 den Beiträgen zur Rentenversicherung in Höhe von 224 Milliarden Euro Rentenausgaben von 274 Milliarden Euro und insgesamt Leistungen der Rentenversicherung von 305 Milliarden Euro gegenüberstanden.

Mithin klaffte bereits im vergangenen Jahr in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Finanzierungslücke, die nur durch einen Bundeszuschuss in Höhe von 73 Milliarden Euro und Erstattungen aus öffentlichen Mitteln in Höhe von sechs (6) Milliarden Euro gedeckt werden konnte. Und genau dieser Bundeszuschuss soll nach Berechnungen des BMAS so oder so bereits bis zum Ende der laufenden Legislatur 2021 auf 83 Milliarden Euro plus Erstattungen aus öffentlichen Mitteln in Höhe von sieben (7) Milliarden Euro anwachsen. Dabei beginnt sich der stark steigende Druck der demografischen Alterung eigentlich erst nach 2025 so richtig kräftig bemerkbar zu machen.

Die Rente ist sicher

Parolen sind somit nichts anderes als willkürlich gewählte mediale Nebelkerzen, die das tatsächliche Rentenproblem verschleiern. Fakt ist, dass verglichen zu heute vor allem nach 2025 aus demografischen Gründen die Rentenbeiträge steigen werden und das Rentenniveau sinken werde. Eine weitere Erhöhung der Rentenbeiträge und der aus allgemeinen Steuermitteln zu finanzierenden Bundeszuschüsse ist somit nicht nur absehbar, sondern unverzichtbar. Das ist für kommende Generationen keine Bagatelle.

Denn vernachlässigt wird, dass es ja nicht nur um die Rentenversicherung gehen wird, sondern zusätzlich auch die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mitzufinanzieren sind, was angesichts der demografischen Alterung und des teuren technologischen Fortschritts der Medizin nicht billiger als heute werden dürfte.  Netto wird für kommende Generationen somit immer weniger vom Bruttoverdienst übrig bleiben, Genau das Gegenteil dessen, was eigentlich politisch angesagt sein sollte.

Den Kindeskindern gegenüber wäre es fair, das Rentensystem so rasch wie möglich demografiefest und gleichzeitig auch tauglich zu machen (Umlageverfahren) gegenüber den Anforderungen der Lebenswirklichkeit im kommenden Zeitalter der Digitalisierung, in dem Arbeit und Lebensarbeitszeiten von Arbeiter, Angestellte und Beamte, eine andere Rolle als heute spielen werden. Die Rente ist sicher Versprechungen helfen da nicht weiter.

Im Gegenteil: Wenn Olaf Scholz das Vertrauen der Bürger in der Rente für ein zentrales Mittel gegen nationalistische Populisten hält, wird er mit einem Versprechen auf eine sichere Rente auf heutigem Niveau eher einen Generationenkonflikt provozieren, der die Bevölkerung spalten könnte und nicht befrieden wird. Wem es wirklich um die lange Frist, das Wohl der Kindeskinder und das gesellschaftliche Miteinander geht, sollte bei der Rentendiskussion die Menschen nicht für dumm verkaufen. Sonst folgt die Quittung bei den nächsten Wahlen. Aber wohl eher in anderer als vom Bundesfinanzminister beabsichtigter Weise!

Fazit: Die Bevölkerungszahlen, auch das Verhältnis von Jung zu Alt, sind beileibe nicht in Stein gemeißelt. Sie werden vom Statistischen Bundesamt schon nach wenigen Jahren regelmäßig und oft deutlich korrigiert. Manches Problem wird so zum Problemchen. Was er auch nicht sagt: Das Erwerbstätigenpotenzial sinkt zwar, aber viel entscheidender für die Rente ist die Zahl der versicherungspflichtige Beschäftigten. Würde die Frauenerwerbsquote steigen, würden die Alten nicht mehr länger ab 55 Jahren aus den Job gedrängt und würde das Herr von Mini.Jobbern in reguläre Beschäftigung überführt, sähen die Zahlen schon anders aus. Ganz und gar anders käme es wenn die Rentenversicherung in einer Erwerbstätigenversicherung überführt würde. Würden nämlich Beamte, Freiberufler und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen, fehlte es ihr nicht an Beitragszahlern. Und falls es am Ende doch dazu käme, ließe sich das notfalls über eine gezielte Zuwanderung lösen. Vollends ausgeblendet hat Olaf Scholz, Eine gute Rente allein an den Kopfzahlen der jungen Generation festzumachen ist absurd. Entscheidend ist vielmehr, dass ausreichend ordentliche bezahlte Arbeitsplätze angeboten werden. Wird aber versicherungspflichtige Arbeit abgebaut, dann retten auch noch so viele Kinder die Rente nicht.

 

 

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