Anstehen für Wurstbrühe

Mitte Januar 1944 bekamen wir mit der Post ein Päckchen mit Lebensmitteln, welches mein Vater im November 1943 noch vor seinem Tod an uns abgeschickt hatte. Wir haben uns über die Lebensmittel sehr gefreut, aber ansonsten waren wir sehr traurig. Eines Morgens bin ich mit einem älteren Nachbarjungen Milch holen gegangen. Wir waren fast zu Hause angekommen, als plötzlich Tiefflieger auftauchten. Wir haben uns auf den Boden geworfen, die Salven schlugen direkt neben uns ein. Uns ist nichts passiert, die Milch lief natürlich über die Straße, aber wir hatten wohl einen großen Schutzengel, dass uns nichts passiert war. Das Frühjahr kam, es war alles so unerträglich, es gab immer mehr Angriffe und immer mehr Häuser waren nur noch Ruinen. Wir Kinder spielten nur noch in Trümmern und zu essen gab es kaum noch etwas. Selbst die uns laut Lebensmittelkarten zustehenden Rationen konnten kaum an uns abgegeben werden. Es war auch nichts in den Geschäften. Die Kirchengemeinden versuchten zu helfen, und für alles musste man anstehen. Selbst für Wurstbrühe musste man anstehen, aber wir waren ja froh, dass wir uns die holen konnten. Außerdem brauchte man auch noch für alles Bescheinigungen.

Ursula Ulrike Storks

Oktober 2013
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