Nachsatz zur Lesung: Essen und Trinken

Zwei Zeitzeugen lasen und erzählten am 14. Juni 2016 in der Buchhaltung am Löhberg Nr. 4 zum Thema Essen und Trinken. Sogenannte Tante Emma Läden vor und im II. Weltkrieg sowie noch in der Nachkriegszeit hatten ihre Stammkundschaft. Gekauft wurde nur so viel, wie eben benötigt wurde. Zum Einkauf brachte man Behältnisse für Öl und andere Flüssigkeiten mit.  Mehl, Zucker, Hülsenfrüchte und anderes mehr wurde gewogen und  in Tüten abgepackt. Eine Registrierkasse kannte man nicht. Kopfrechnen war angesagt.

Kartoffeln wurden im Herbst eingekellert  und Vorräte durch Einwecken haltbar gemacht. Die Nachkriegszeit hatte einen Lebensmittelmangel in einem erschreckenden Ausmaß zur Folge. Zugeteilt wurde alles: Sauerkraut, Eipulver, Trockenmilch, Steckrüben, Zündhölzer, Leuchtpetroleum, getrocknetes Gemüse, das von der Bevölkerung auch als „Drahtverhau“ bezeichnet wurde. Militärrregierung und Mülheimer Stadtverwaltung ordneten am 2. Juni 1945 an, mit Kartoffeln und Tomaten bestellte Grundstücke jeden Montag und Donnerstag  peinlichst nach Kartoffelkäfern  abzusuchen.

In der zweiten Hälfte 1946 erhielt der „Normalverbraucher“ in Mülheim nur eine Hungerration zwischen 1150 und 1350 Kalorien täglich, und die  Versorgung mit Gemüse war absolut unzureichend; rechnerisch erhielt jeder Mülheimer Einwohner das ganze Jahr 1946 nur  670 g Obst!  Am 5. April 1947 sprachen Stadtvertretung und  Stadtverwaltung in Mülheim von der deutlichen Untererrnährung der Mülheimer Bevölkerung; so hätte der Normalverbraucher in der vierten Woche der 99. Zuteilungsperiode nur  1573  Kalorien täglich bekommen  sollen, hätte aber nur 765 Kalorien, demnach 808 zu wenig gehabt.

Der Schwarze Markt bot  alles zu  einem Vielfachen des vorgeschriebenen Preises an. Die Duisburger Polizei meldete im März 1947 (NRZ Duisburg): 124 Razzien fanden im Februar 1947 auf dem Schwarzen Markt  statt, 332.710 deutsche Zigaretten, 2001 Stück alliierter Herkunft, 74 kg Tabak, 778 Zigarren, 84 Pfd. Speck, 22 kg Fett, ein Herrenanzug und mehrere Anzugsstoffe sowie echte und gefälschte Lebens- und Genussmittelmarken wurden beschlagnahmt, 514 Anzeigen erstattet und 238 verdächtige Personen festgenommen. Die Gerichte verurteilten 208 Personen. Die Tendenz zu horten war unübersehbar.

Und daran änderte auch das Nothilfegesetz des Frankfurter Wirtschaftsrates vom 23.01.1948 zur Ermittlung, Erfassung und Verteilung von Lebensmittelbeständen nichts, wonach alle Lebensmittel anzuzeigen waren, die über eine Monatsration hinausgingen. Eine neue Währung wurde unvermeidlich, denn die Geldentwertung war unübersehbar. Aber auch die Deutsche Mark machte die Lebensmittelkarten erst Ende 1948 überflüssig, obgleich  der Stichtag der Währungsreform bereits der 20.Juni 1948 war.

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