Nachlese: Waschtag

Es steht außer Frage, dass die im Haushalt gebrauchten Textilien bei der Behandlung des Themas Hygiene ebenfalls zu berücksichtigen sind. Auch in diesem Bereich hat die Technik in zahlreichen Facetten Einzug gehalten. Ich will gar nicht so weit in Zeiträume zurückgreifen, in denen die Frauen oft gemeinschaftlich am Brunnen vor dem Tore oder am Bach in primitivster Weise Wäsche gewaschen haben. Schon bei Rückbesinnung auf meine Kindheit, also vor etwa 70 Jahren, bedeutete der Waschtag für die Hausfrau und Mutter eine gehörige Portion körperlicher Anstrengung.

Zwar stand meiner Mutter bereits in dem von uns bewohnten Mietshaus mit acht Wohnparteien eine für jene Zeit recht modern eingerichtete Waschküche zur Verfügung. Diese enthielt zwei steinerne quadratische hüfthohe Spülbecken mit jeweils separater Frischwasserzuleitung und Abflussventil am Boden. Ferner einen beheizbaren Waschkessel mit gleichem Fassungsvermögen, der über eine Kohlefeuerung beheizbar war und mit Frischwasserzufuhr und Bodenventil befüllbar und entleerbar war.

Als es in der Küche noch nach Seife roch
Bade- und Waschtage

Jede Mietpartei verfügte über eine eigene Holzbottichwaschmaschine mit Wassermotor und angebautem Handwringer, dessen zwei gummibeschichtete, sich gegenläufig bewegende Walzen per Handkurbel zu betätigen waren und zwischen denen das Wasser aus dem Waschgut herausgepresst wurde. Der Wassermotor, auf dem Klappdeckel befestigt und über einen Druckwasserschlauch mit der Wasserleitung verbunden, bewegte das innerhalb des Waschbottichs befindliche und mit senkrecht hängenden Waschhölzern versehene Metallkreuz, welches die im Bottich befindliche Wäsche rhythmisch im Halbkreis  hin und her bewegte. Das Abwasser des Wassermotors leitete meine Mutter über den Abwasserschlauch in eines der oben erwähnten Spülbecken, um die laugehaltige Wäsche später aus der Waschmaschine klar zu spülen. An dieser Stelle setzte die Kritik meiner Mutter an, als wir ihr nach Gründung des eigenen Hausstandes die Arbeitsweise unseres modernen Waschvollautomaten vorführten: ‚Da ist ja nach jeder Maschinenfüllung die ganze Lauge weg!’  lautete ihr Einwand.

Die Abfolge der Waschvorgänge unterlag einer besonderen Reihenfolge und begann mit dem Kochen der Leib-, Tisch- und Bettwäsche. Zum Schluss kochte und wusch meine Mutter die Arbeitswäsche meines Vaters, die zuvor in einem der Spülbecken eine Zeit lang in ‚Henko‘ eingeweicht worden war, um hartnäckige Flecken von Fett und Blut, die in seiner Berufskleidung als Metzgermeister unvermeidbar waren, vorzubehandeln. Somit waren bei uns als fünfköpfige Familie und einem Waschturnus von vier Wochen regelmäßig vier bis sechs Waschmaschinenfüllungen fällig. Zwischendurch musste die gewaschene Wäsche vom Kellergeschoss auf den Trockenspeicher in das fünfte Stockwerk im Wäschekorb getragen werden, also eine höchst anstrengende Schlepperei.

Damit endete zunächst der Waschtag, der neben  der körperlichen Anstrengung auch noch die Gesundheit der Hausfrau stark angriff. Während der kalten Jahreszeit handelte sich unsere Mutter infolge der Durchnässung von Kleidung und Schuhwerk sehr oft einen grippalen Infekt ein. Einmal führte auch der durch Wasser und Lauge schlüpfrige Boden zu einem Sturz, bei dem sie sich das rechte Handgelenk brach.

Es versteht sich von selbst, dass die benutzten Räume und Einrichtungen im ordnungsgemäßen Zustand dem folgenden Benutzer zur Verfügung gestellt werden mussten. Die benutzten Becken waren zu reinigen, die Feuerung des Waschkessel von Schlacken- und Ascheresten zu säubern, den Fußboden klar zu spülen, die in der Mitte des Raumes angeordnete Ablaufsenke zu öffnen, den darin befindliche Fangbehälter zu entleeren. Nachlässigkeiten, wie Seifenschaumreste am Boden oder im Ofenkessel, Schlackereste in der Ofenfeuerung und unsaubere Ablaufsenke führten gelegentlich zu Reklamationen beim Vorbenutzer der Waschküche und verursachten Verstimmungen zwischen den Mietparteien und konnten in Härtefällen bei der Hausverwaltung gemeldet werden.

Letztendlich folgte noch die umfangreiche Arbeit des Bügelns der Tisch- und Bettwäsche, sowie der Berufskleidung des Vaters, die darüber hinaus teilweise auch noch gestärkt wurde, um dem Metzgermeister ein ordnungsgemäßes Erscheinungsbild zu verleihen. Meine Mutter bügelte seinerzeit noch mit Bügeleisen, die auf dem Kohleherd aufgeheizt wurden. Zu den wechselbaren Bügeleisen, ich glaube wir verfügten über deren drei, gab es einen bügelförmigen Wechselhandgriff, der mit einer Klemmmechanik ausgerüstet war, um die erhitzten Bügeleisen vom Herdfeuer zu greifen und den Bügelvorgang durchzuführen.  Großformatige Bettwäscheteile ließ Mutter von einem Heißmangelunternehmer abholen und sie erhielt diese nach einigen Tagen schrankfertig zurückgeliefert.

Abschießend noch die Bemerkung, dass meine Eltern bei der monatlichen Abrechnung der Wohnungsmiete jeweils 50 Pfennige Wassergeld zusätzlich für den Wassermotor zu entrichten hatten.

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