Heute Abend kommt der Nikolaus

Christa Goller im Dezember 2012

Es war der 6. Dezember 1948, ich war 10 Jahre alt. Mein Vater sagte zu mir: „Heute Abend kommt der Nikolaus. Die anderen Kinder von unseren Nachbarn sind auch dabei.“ Soweit ich mich erinnern kann, waren es aber dann doch nur 2 oder 3 Kinder aus der Nachbarschaft, und für mich war es der 1. Nikolaustag, seit dem ich wieder bei meinen Eltern war. Kriegsbedingt bin ich einige Jahre nämlich bei Pflegeeltern im Solling/Harz gewesen, also weit weg von zu Hause.

Der Abend nahte, die anderen Kinder kamen dazu, und wir waren mucksmäuschenstill und gespannt, was da wohl auf uns zukommen würde. Vor allen Dingen für mich war es wieder neu. Ich glaubte zwar nicht mehr an den Nikolaus, aber ich war doch vorsichtig und wusste ja nicht, was da passiert.

Dann war es soweit. Der Nikolaus kam. Er sah wirklich aus wie ein Nikolaus und war auch noch weit nach vorne gebeugt, was eigentlich sehr passend war. Die Fragen waren wie üblich, und dann mussten wir auch noch ein Gedicht aufsagen. Obwohl ich gemerkt habe, wer den Nikolaus spielte, war ich doch aufgeregt und habe es für mich behalten.

Nachdem wir unsere Gedichte aufgesagt hatten, meinte der Nikolaus, dass wir doch schön brav sein möchten bis zum nächsten Jahr, um es den Eltern nicht noch schwerer zu machen. Dann verabschiedete er sich und ging.

Als ich ihn dann durch unseren Flur gehen sah und er schon an der Ausgangstür war, konnte ich es nicht mehr für mich behalten und sagte zu meinem Vater, der neben mir stand: „Och Vati, das war doch bloß Herr Schmidt“. Dann meinte mein Vater: „Soll ich den Nikolaus noch mal holen? Der wird dir dann schon etwas anderes erzählen.“ – „Nein, nein, nein!“ Das wollte ich dann doch nicht. Man konnte ja nie wissen, was da noch kommt. – Damit war der Fall erledigt.

Dieser Herr Schmidt war ein Nachbar von uns und litt an Morbus Bechterew. Aufgrund seiner Haltung konnte er wunderbar den Nikolaus spielen. Aber ich hatte ihn gerade wegen dieser Haltung erkannt. Ob dann in den nächsten 1 oder 2 Jahren noch mal der Nikolaus kam, weiß ich nicht mehr so genau.

In einem Dorf gibt es unter Umständen nur einen Nikolaus. Aber in einer Stadt … da erfährt man was schon eher von den anderen Kindern … sind mehrere Nikoläuse unterwegs, und das ist dann nicht mehr so glaubwürdig. Einige Häuser weiter hatte der Nikolaus sogar Begleitung, und zwar einen Moor, wie man damals sagte, und der war wirklich schwarz angemalt.

Mit der Zeit haben wir Kinder uns nur noch köstlich über die vielen Nikoläuse amüsiert.

God rest you merry gentlemen

CV Konzert vom 15.12.2013

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