Lesung: Auf der Flucht

Am 15.02.2018 fand unsere 1. Lesung in diesem Jahr statt: Auf der Flucht

Bereits im Sommer 1941 berieten  die polnischen und tschechoslowakischen Exilregierungen über eine politische Neuordnung nach dem 2. Weltkrieg. So forderten sie erhebliche Grenzkorrekturen sowie die Entfernung aller Deutschen aus diesen Gebieten. Auf der Konferenz zu Teheran im November 1943 fallen dann die dramatischen Entscheidungen von Stalin und Churchill: Polens Landesgrenzen werden westwärts verschoben, Ostpolen fällt an die Sowjetunion; im Gegenzug wird Polen mit den ostdeutschen Gebieten entschädigt, d.h. Ostpreußen, Pommern, die Kurmark und Schlesien werden polnisch.

Lesung: Auf der Flucht
Lesung: Auf der Flucht

Schon während des 2. Weltkrieges begann eine Zwangsemigration, Millionen Menschen verloren ihre Heimat, gewaltige Flüchtlingsströme waren die Folge. Zwischen 1939 und 1950 fand eine Völkerwanderung von ca. 25 – 30 Millionen Menschen statt. Darunter waren nicht nur Flüchtlinge und Vertriebene: Zehntausende Kinder kehrten aus der Kinderlandverschickung zurück, Hunderttausende ehemals Evakuierter kamen nach Hause. Millionen ehemaliger Soldaten, befreiter KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter waren unterwegs, um in ihre Heimatländer zurückzukehren.

Die größte von Migration betroffene Gruppe waren etwa 14 Millionen Deutsche aus jenen ostdeutschen Gebieten. Mehr als 17 Millionen Deutsche lebten vor Kriegende auf dem heutigen Gebiet von Polen, den baltischen Staaten, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Jugoslawien und Rumänien. Gut 2 Millionen verließen ihre Heimat nicht, und waren erheblichen Repressalien der Roten Armee und/oder späteren Regierungen ausgesetzt. Ca. 1 Millionen Menschen wurden deportiert, mussten Zwangsarbeit leisten oder wurden in KZs inhaftiert.

Ein kleiner Handwagen, ein Rucksack oder ein Holzkoffer – das sind häufig die wenigen Habseligkeiten, der ganze Besitz von Flüchtlingen und Vertriebenen gewesen. Ca. 2 Millionen dieser Menschen verloren ihr Leben durch Gewalt, Erfrierungen, Hunger, Erschöpfung und Krankheit. Viele Familien wurden auseinandergerissen und waren auf der Suche nach ihren Angehörigen

Unsere Zeitzeugen waren damals Kinder oder im frühen Jugendlichenalter. Ein paar Zahlen zu dieser Generation: 5,5 Millionen Kinder verloren ihre Heimat, Hunderttausende starben auf der Flucht. Es gab etwa 500.000 Vollwaisen 2,5 Millionen Halbwaisen 1,7 Millionen Witwen, d.h. die meisten der Halbwaisen waren ohne Vater.

Frau Hammer, damals 16 Jahre alt, floh wie viele andere aus Ostpreußen / Allenstein (heute Polen). Sie hatten zunächst vom Krieg wenig mitbekommen und mussten überstürzt fliehen. Nach mehreren Wochen kamen sie im Erzgebirge an. Von dort ging es dann später noch in den Westen.

Für Herrn Rübenkamp, 12 Jahre, war die Kinderlandverschickung in Böhmen (heute Tschechien) plötzlich zu Ende. Fast 2000 Kinder überließ man sich selbst. Nur der Überlebenswille ließ Herrn Rübenkamp wieder nach Mülheim zurückkommen.

Und Frau Anders ging mit ihren 11 Jahren von Pommern aus (heute Polen) in die „große weite Welt hinaus“, und zwar erst 1946. Ihr Elternhaus war mittlerweile von vertriebenen (Ost-) Polen besetzt, und die Mutter wollte unbedingt, dass ihre Kinder weiter zur Schule gehen konnten.

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