Nationalsozialismus und Krieg

Zeichen der Naziherrschaft

Wir waren ein sehr christliches Haus (evangelisch). Meine Großmutter war eine fromme Frau, meine Mutter hat das übernommen.  Der Jugendbund der evangelischen Kirche hat sie alle so geprägt. Bei uns gab es auch – das hört sich vielleicht merkwürdig an, ein Hitlerbild. Ich kann mich erinnern, auf dem Flur hing ein Bild von Adolf  Hitler. Pflichtgemäß Beflaggung an manchen Tagen war selbstverständlich.

Es durfte auch nicht gehetzt werden. Da hat meine Mutter immer darauf geachtet, dass bei politischen Gesprächen alles immer unter der Decke blieb. Wenn die Erwachsenen mal ein bisschen gefeiert und gesungen haben, da kann ich mich an folgendes Lied erinnern: „Habt ihr schon ein Hitlerbild, nein wir haben keins, aber wir besorgen uns eins.“ Dann sagte sie: „Seid nicht so laut! Wir haben fremde Leute im Haus.“

Lebensmittel- und Kleidermarken

Eine Kommission kam 1939 zu uns und machte eine Bestandsaufnahme vom Hof, z. B. vom Viehbestand.  Danach wurden die Lebensmittelkarten ausgegeben. Es wurde auch festgelegt, wieviel wir abliefern mussten. Aber es war immer noch so, dass es nicht ganz so ganz knapp war und uns noch so ein bisschen zum Tauschen übrig blieb oder um die Verwandten in der Stadt noch zu unterstützen. Die Bekleidung konnte später auch nicht mehr so gekauft werden. Es gab auch Kleiderkarten. Im Winter trugen wir schaftwollene Strickjacken, die fürchterlich kratzen.

Kriegsalltag

Ich habe auch noch nie in meinem Leben die Sirene gehört. Nein, die Flieger, die flogen schon immer über uns hinweg. Die flogen nach Stettin und Berlin, als silbrige Vögelchen haben wir die oben in der Luft gesehen, und wir haben nachher wohl gesehen, wie gekämpft wurde, da hat es auch gebrannt, aber wir waren 15 km entfernt. Das war ja nun schon eine ganze Strecke, wir haben nur den Feuerschein gesehen. Das war eigentlich, na, Glück würde ich auch sagen, dass wir nicht gehungert haben. Ich bin sehr zufrieden, vielleicht kommt daher auch meine Einstellung, dass man den Flüchtlingen heute helfen muss.

Flüchtlinge

Im Herbst 1944 kamen die ersten Flüchtlinge zu uns auf den Hof. Das waren die Ausgebombten aus dem Ruhrgebiet. Als erstes kam eine Freundin meiner Mutter aus Solingen mit ihrem 5-jährigen Sohn, Klaus. Die beiden hatten sich nach dem 1. Weltkrieg auf dem Hof kennen gelernt. Damals wurden aus den Städten die Kinder verschickt, die arg unter der Hungersnot zu leiden hatten. Jetzt kam sie also wieder zu uns nach Pommern wegen der Bombenangriffe im Westen. Mein Vater war zu dem Zeitpunkt noch zu Hause, er sagte:“ Was wollen die hier, hierher kommen doch die Russen. Da kommen die jetzt von Solingen hierher!“ – Es herrschte jedoch eine große Typhusepidemie zu der Zeit; die Freundin verstarb und Klaus blieb in unserer Obhut.

Danach kamen 6 Personen aus Oberhausen, das muss so im November 1944 gewesen sein, die wurden bei uns evakuiert. Im Januar 1945 gingen sie wieder zurück.

Und danach kamen auch schon die Fuhrwerke mit den Flüchtlingen aus den Ostgebieten. Im Februar 1945 kamen 21 Personen aus Ostpreußen, die auf der Flucht vor der russischen Front waren. Wir hatten nicht so viele Schlafplätze, deswegen mussten sie auf dem Fußboden schlafen. Aber das Essen kochten wir gemeinsam in der Küche. Gott sei Dank hatten wir so viele Vorräte, dass immer alle satt wurden, und manchmal schmeckte „trocken Brot“ auch ganz köstlich.  

Am 6. März war der Kessel zu, das heißt, die russische Armee war schon an der Ostsee hoch, und damit war der Weg für alle Flüchtlinge, die noch unterwegs waren, abgeschnitten. Die kamen da nicht mehr durch und kamen auch nicht weiter. Dadurch wurde das bei uns ja ganz schlimm. Wir hatten schon Flüchtlinge aus Ostpreußen, die auch bei uns untergebracht waren und auch aus Oberhausen zwei Familien, die wegen der Bomben nach Pommern gekommen sind. Die sind ja alle hierher geflüchtet – die waren auch offiziell evakuiert, waren Ausgebombte. Ich erinnere mich an einen Mann dabei, der muss krank gewesen sein, weil er noch in einem Alter war, dass er vielleicht noch beim Militär hätte sein müssen. Jedenfalls war jeden Abend das Haus voller Menschen, die auf der Flucht waren. Alle wollten was Warmes essen, draußen herrschte bittere Kälte. Aber wir hatten immer eine warme Stube – und selbst große Sorge, wie es weitergehen soll. 

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