Berufswahl

Als Kind wollte ich Lebensmittelverkäuferin werden. Ich bekam auch als Kind einen Kaufladen geschenkt, und dann habe ich mit meinen Freundinnen Verkaufen gespielt. Ich hatte  die Handelsschule 1954 mit 15 Jahren abgeschlossen und wusste, dass ich irgend etwas mit Büro machen wollte, Schreibmaschine und Stenographie hatte ich ja bereits gelernt, und beides lag mir.

Die Lehrer der Schwenzer-Handelsschule setzten sich für mich ein, damit ich eine Lehre machen konnte,  aber es gab in den Fünfziger Jahren nicht viele Lehrstellen. Da musste man sich auch beim Arbeitsamt melden. Manchmal wurde man von dort irgendwo hingeschickt. So wollten sie mich in ein Schuhgeschäft stecken, was ich absolut nicht wollte. Ich habe doch nicht die Schule absolviert und soll jetzt anderen Leute an den Füßen herumfummeln. 

Meine erste Lehre  

Also blieb ich erst mal 3 Monate zu Hause und schrieb Bewerbungen. In dieser Zeit ging ich noch zusätzlich abends zur Handelsschule in einen Kurs, um besser Schreibmaschine und auch Steno zu lernen, und die Prüfung schaffte ich auch. Dann traf mein Vater den Chef vom Möbelhaus Becker; sie kannten sich von der Schule. Der meinte, er könnte jemanden als Lehrling gebrauchen, und zwar im kaufmännischen Bereich. 

Ich war einer leitenden Schreibkraft unterstellt. Sie war 28 Jahre alt, wirkte wie eine alte Jungfer und ließ mich überhaupt keinen Fuß fassen. Morgens musste ich den Eingangsbereich fegen, danach zur Post gehen.  Mal durfte ich an der Schreibmaschine sitzen und einen Scheck ausfüllen, was sie mit Argusaugen kontrollierte. Ungefähr 2 Monate ging es so. Immer wieder fegen und staubsaugen. Da war ich so gekränkt, dass ich Zuhause geweint und erklärt habe, dass ich dort nicht mehr hinginge.

Abbruch der Lehre

 Es war die Zeit, da wurde mein Vater von der Firma immer mit Chauffeur mittags zum Essen nach Hause gebracht und hinterher wieder vom Chauffeur abgeholt. Nach einem Gespräch  mit mir sagte er, er würde sich kümmere mich darum. Er hat den Chef angerufen und alles geschildert, was er von mir wusste. Dieser erklärte meinem Vater, davon nichts gewußt zu haben. Ich selbst hatte ja auch nie etwas in der Firma gesagt, dazu war ich noch zu bange.  Mein damaliger Chef wollte mich gerne als Lehrling behalten, aber ich wollte nicht mehr, nicht mit der! Wir haben den Vertrag im beiderseitigen Einvernehmen gelöst.

Für viele war es nach dem 2. Weltkrieg nicht einfach, eine Lehrstelle zu finden, so auch für Frau Storks

Lehre als Rechtsanwaltsgehilfin

Ich  war wieder 2 Monate zu Hause, bis ich eine Annonce las: Rechtsanwalt sucht Lehrmädchen. Ein Bewerbungsschreiben wurde auf diese Anzeige abgeschickt, und 2 Tage später kriegte ich schon ein Schreiben, ich möchte mich bitte mal vorstellen kommen. Der Chef fragte mich, wann ich anfangen wollte. Er sagte: Dann bleibst du direkt gleich hier. Aber ich fing erst am nächsten Tag an. Ich  habe dort die Lehre zur Rechtsanwaltsgehilfin begonnen gemacht und konnte dann, vorausgesetzt ich würde die Prüfung mit gut bestehen, nach 2 Jahren schon das Lehrverhältnis beenden, kriegte also entsprechend auch gleich mehr Geld; das habe ich auch geschafft. Da war ich 17 Jahre alt. Somit hat sich der 3-monatige Besuch der von mir besuchten Abendschule gelohnt, wo ich meine Schreibmaschinen- und Stenografie-Kenntnisse erweitert habe.

Ich bekam damals für das erste Lehr-Jahr 25, dann 35, dann 45 Mark, ja und dann kriegte ich wegen der mit „gut“ bestanden Prüfung sofort 75 Mark. Man wechselte sofort zum Sie, vorher wurde ich immer mit Du angeredet. Es war eine strenge, aber eine gute Lehrzeit, die haben uns wirklich was beigebracht, aber nicht der Chef, sondern der Bürovorsteher.

Unser Chef war nämlich leider ein Choleriker, und wir waren mit 3 Lehrlingen bei uns, 1., 2., 3. Lehrjahr – immer, wenn ein Lehrling aufhörte, kam wieder jemand neu dazu. Ich konnte gut Steno und Schreibmaschine. Jeden Morgen, wenn er  hereinkam, knallten die Türen. Jeden Morgen machte er seinen Rundgang und guckte in alle Räume, auch ins  hintere Schreibzimmer, wo seine Sekretärin und die anderen Damen saßen. Er fand immer etwas, was ihn störte. Wir 3 Lehrlinge wurden oft in sein Zimmer zitiert, standen vor seinem Schreibtisch und wurden fast jeden Morgen zusammengeschrieen, richtig geschrieen. Er war Mitglied bei einer Studentenverbindung, der hatte hier so einen Schmiss. Bei Aufregung wurde dieser ganz dick und rot. Da mussten wir manchmal lachen, dann wurde es noch schlimmer.

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