Die alte Kaffeemühle

Im Familienbestand hat sich eine alte Kaffeemühle erhalten. Ein schlichtes, gewöhnliches Holzmodell aus den 30er Jahren.  Um dieses Küchengerät ranken sich aber einige Geschichten.

Meine Eltern betrieben bereits vor dem 2. Weltkrieg ein kleines Hotel mit Gastwirtschaft in einer Kleinstadt im Alpenvorland. Im Krieg wuchsen die Stammgäste – soweit nicht zum Militär eingezogen oder woandershin verpflichtet – und alte Freunde zu einer Art Notgemeinschaft zusammen.

Die Lebensmittelversorgung war knapp, aber kein wirkliches Problem. Nur Luxusgüter wie Kaffee gab es kaum mehr, die Beschaffung war eigentlich unmöglich. Der Wunsch nach diesem Genussmittel oder geeigneten Ersatzstoffen war natürlich entsprechend groß.

Jeder brachte  bei Zusammenkünften mit, was er hatte. Einer hatte kleine Reste von alten Kaffeebohnen, eine anderer brachte ein Säckchen mit grünen, ungerösteten Bohnen, wieder ein anderer Kaffee-Ersatz. Man beratschlagte ob der Mitbringels dann gemeinsam: Wie werden die Bohnen nun am Küchenherd geröstet? – In welcher Mischung mit anderen Bohnensorten oder Kaffee-Ersatz schmeckte das? Letztendlich mussten die Bohnen in der Mühle gemahlen und dann zu einem hoffentlich genussvollen Getränk aufgebrüht werden.

Die Runde stand um die Mühle herum, jeder hatte einen vermeintlich besonders guten Vorschlag und letztendlich wurde der fertige Kaffee getrunken und ausgiebig kommentiert.

So wurde diese unschuldige Kaffeemühle zu einem Kristallisationspunkt eines Kreises, der versuchte, möglichst gut durch diese schwierigen Zeiten zu kommen und sich dabei gegenseitig zu helfen.

Wolf Dietrich Hausmann
Letzte Artikel von Wolf Dietrich Hausmann (Alle anzeigen)

Schreiben Sie einen Kommentar