Reisen in und aus der DDR

Jutta Loose

Reisen bis zum Eisernen Vorhang – und der Blick dahinter Begegnungen vor und nach der Wende

Als ich 1961 im Fernsehen sah, wie systematisch zuerst um den östlichen Teil von Berlin, dann durch das ganze Land eine Mauer oder Grenzeinrichtung gezogen wurde, habe ich dieses Geschehen mit Fassungslosigkeit und Ungläubigkeit verfolgt. Es war eine ungeheuerliche und menschenverachtende Handlung und Anmaßung, Menschen hinter eine meterhohe Mauer und Stacheldraht  zu verbannen und ihnen damit ihre Freiheit zu nehmen. Für mich ein nicht nachvollziehbares verwerfliches Verhalten. Die Hoffnung, dass bald wieder Normalität herrschen würde, erwies sich als Trugschluss.

In meiner Familie gab es keinerlei familiäre oder freundschaftliche Verbindungen zur ehemaligen DDR. Wir hörten zwar einige Geschichten von Bekannten, die ihre Verwandten besuchten oder von ihnen besucht wurden, aber das war es auch schon. Dies änderte sich, als ich meinen Mann kennenlernte.

Mein Schwiegervater kam aus Meißen. Seine Eltern sowie einige Verwandte lebten auch nach dem Mauerbau weiterhin dort. Sie wohnten in der Meißener Albrechts-Burg, übrigens im Wohnhaus von Ludwig Richter, dem bekanntesten sächsischen Maler der Romantik mit seinen Motiven der Sächsischen Schweiz, auch Elbsandstein Gebirge genannt.

So bekam ich als junge Frau mit, wie immer wieder Pakete, mit für uns selbstverständlichen Dingen des Alltags, von meinen Schwiegereltern gepackt und „nach drüben“ – wie es immer hieß – geschickt wurden. Zu Weihnachten wurde von den Großeltern meines Mannes stets eine selbst gebackene Original Dresdner Stolle an meine Schwiegereltern geschickt. „Drüben“, also in der DDR, hat das Organisieren und Improvisieren wunderbar funktioniert. So kannten die Eltern meines Schwiegervaters eine Bäckerei, in welcher sie und ihre Nachbarn in der Adventszeit abends den Brotbackofen zum Backen der Weihnachtsstollen nutzen durften. Die Zutaten wie Rosinen, Mandeln, Butter und Zitronat mussten allerdings zuvor von meinen Schwiegereltern in die DDR geschickt werden. Als Weihnachtsgeschenke gab es von den Angehörigen aus der DDR Holzschnitzereien aus dem Erzgebirge.

Ich bedaure es sehr, die Familie meines Mannes aus Ostdeutschland nicht persönlich kennen gelernt zu haben, denn wie ich erfuhr, hatte ich mit seinem Großvater das Meißener Porzellan als gemeinsame Leidenschaft, denn er war Modelleur in der Meißener Porzellan Manufaktur. Bei Besuchen hätten wir beide bestimmt über dieses Thema ausführlich gesprochen.

Gerne wären mein Mann und ich nach Meißen gefahren, um die familiären Kontakte pflegen zu können. Was aber nicht möglich war, da mein Schwiegervater bei der Bundeswehr in Koblenz beschäftigt und militärischer Geheimnisträger war; somit war es ihm verboten, in die DDR zu reisen.

Aus diesem Grund hat er seine Eltern bis zu ihrem Tod nicht mehr wieder sehen können. Selbst an ihren  Beerdigungen durfte er nicht teilnehmen. Der  Militärische Abschirmdienst (MAD)  hatte es verboten. Dies galt auch für die engsten Familienmitglieder.

Im Vorfeld muß noch erwähnt werden, dass telefonische Todesnachrichten von der Stasi mehrfach inszeniert wurden, die sich dann immer nach Rückversicherung als reine Fakes entpuppten. So wollte man meinen Schwiegervater in den Osten locken, um an Informationen zu kommen. Die dabei angewendeten Methoden sind bekannt. Aber wie schon gesagt, wir waren gewarnt. Allerdings war der letzte Anruf eines DDR-Notars nicht so erfreulich. Mein Schwiegervater sollte sein Erbe antreten, was, wie oben erwähnt, nicht möglich war und ausgeschlagen werden musste.

Somit hieß es auch für uns, dass wir keine Reisen in die DDR unternehmen konnten, denn mein  Schwiegervater hat uns inständig darum gebeten, davon Abstand zu nehmen. Um jedes Risiko zu vermeiden, sind wir seinem Wunsch gefolgt, und so blieb uns nur noch der Briefkontakt mit den Verwandten.

Das Telefonieren gestaltete sich auch als sehr schwierig. Jedes Gespräch musste angemeldet werden. Da die Großeltern meines Mannes kein Telefon besaßen, hätte es über eine bekannte Familie gehen müssen. Aber schon dies war ein Risiko, denn es war nicht sicher,  ob nicht jemand mithörte, der es nicht sollte. Selbst beim Schreiben von Briefen blieb immer eine gewisse Skepsis, ob das Schreiben ungeöffnet und unkontrolliert seinen Adressaten erreichte. Pakete wurden ständig in der DDR kontrolliert. Die Großeltern konnten es an den durchstochenen Butterverpackungen erkennen. So suchte man nach evtl. versteckten Mikrofilmen oder Westmark-Scheinen.

Dadurch war für uns alle eine Situation entstanden, dass man sich nicht wie es in Familien üblich ist, zum Geburtstag, Ostern, Weihnachten oder anderen Feierlichkeiten sehen konnte. Die Großeltern konnten am Erwachsenwerden und der beruflichen Entwicklung ihrer Enkel nicht teilnehmen und irgendwie entwickelte sich im Laufe der Jahre das Gefühl einer Entfremdung. Mein Mann hat sich 1969 brieflich an seine Großeltern gewandt und diese Problematik angesprochen und ihnen seine Empfindungen geschildert. Er bekam auch sofort von seinem hochbetagten Großvater eine Antwort. So haben die beiden wieder einen guten Zugang zueinander gefunden, auch wenn es nur auf der brieflichen Ebene war.

Erst im hohen Pensionsalter von über 80 Jahren hat mein Schwiegervater nach Jahrzehnten seinen Geburtsort Meißen aufgesucht, um noch einmal das Haus wiederzusehen, in dem er geboren und aufgewachsen war. Wir wußten, wie sehr es ihn belastet hat, auf Besuche in seine ehemalige Geburtsstadt mit den von ihm lieb gewonnen Menschen verzichten zu müssen.

Jahre später – im Juni 1972 – besuchten mein Mann und ich eine befreundete Familie in Sack, ein kleiner Ort nahe Alfeld an der Leine (südliches Niedersachsen). Alfeld ist auch der Geburtsort meines Mannes. Wir unternahmen einen Tagesausflug in den Harz in Richtung Torfhaus und Hahnenklee. Dort haben wir damals erstmalig – zwischen diesen beiden Orten gelegen – vor solch einem hohen und zugleich endlos wirkenden Zaun, alle paar Meter mit Selbstschussanlagen bestückt, gestanden. Diese Selbstschussanlagen sind ganz perfide Waffen, gemacht, um Menschen, die in die Freiheit fliehen wollten, zu zerfetzen und zu verstümmeln. Es sind kleine Splittergranaten, die ihre verheerende Ladung durch einen Streutrichter in Körperhöhe abfeuern. Ausgelöst durch Stolperfallen.

Es trat bei mir sofort ein erheblich beklemmendes Gefühl auf, als ich sah, wie wir von den Wachtürmen aus von den Soldaten der NVA (Nationale Volksarmee) mit Ferngläsern beobachtet wurden. In regelmäßigen Abständen patrouillierten zwei junge Soldaten – begleitet von zwei Hunden –  mit russischen Maschinenpistolen auf dem Rücken hinter dem Zaun. Wir grüßten freundlich, aber sie zeigten keinerlei Reaktion. Ein Stein, in der Form eines Obelisken, etwa zwei Meter hoch, lackiert mit rot-schwarz-goldenen Streifen und einer Metallplatte mit der Inschrift „Achtung hier beginnt die Deutsche Demokratische Republik“ trennte uns nur wenige Meter bis zum Todesstreifen. Da lag sie nun vor uns die „berüchtigte Ostzone“. Den Brocken (höchster Berg im östlichen Harz) mit seinen Horchstationen konnten wir nur aus der Ferne sehen, der Zugang war versperrt.

Die gesamte Situation war für uns so surreal und nach geraumer Zeit verließen wir diesen bedrückenden Ort.

Nachdem die Wiedervereinigung zwischen Ost-und Westdeutschland vollzogen war, kam bei mir die Neugier auf, mich in Ostdeutschland einmal umzusehen. Es kursierten viele Geschichten darüber, wie schlimm es in den Städten aussehe. Allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt für unsere Familie keine Chance mehr, sich wieder anzunähern, denn es gab niemanden mehr in Ostdeutschland, sie waren in den vergangenen Jahren verstorben. Es stellten sich mir viele Fragen, die leider allesamt unbeantwortet geblieben sind.

Im Frühjahr 1992 verbrachte ich einige Tage zur Fortbildung in Berlin. Zur gleichen Zeit war ein mit mir und meinem Mann befreundetes Ehepaar vor Ort, welches sich einige Immobilien im Ostteil von Berlin ansehen wollte. Ich nutzte die Gelegenheit, und wir verabredeten uns dies gemeinsam zu tun.

Zunächst hatte ich nur den westlichen Teil von Berlin erkundet und eine Stadt erlebt, die mich faszinierte und die scheinbar niemals zur Ruhe kam. Das Leben pulsierte dort Tag und Nacht.

Als meine Freunde einige Objekte von einem Immobilienhändler genannt bekommen hatten, fuhr ich mit ihnen in den Ostteil von Berlin. Auf den Straßen gab es keinen lebhaften Autoverkehr, es ging eher ruhig zu. Nach einer längeren Fahrt mit dem Taxi kamen wir zu einem Straßenzug, und ich bekam ein anderes Bild der Stadt zu sehen.

Eine große Anzahl von Häusern, meist 5-stöckig, befanden sich in einem so heruntergekommenen Zustand, dass es alle meine Vorstellungen übertraf. Ich fühlte mich zeitlich in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts zurück versetzt. Trotzdem konnte man erahnen, dass diese Bauten bessere Zeiten erlebt hatten, denn sie waren mit vielen Ornamenten an den Fassaden versehen.

Bei dem ersten Haus, welches wir uns ansahen, war das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes in einem katastrophalen Zustand. Der Putz bröckelte an unzähligen Stellen oder besser gesagt, er war auf größeren Flächen schon ganz verschwunden, alles sah einfach trist aus. Von den Fensterrahmen, wo sich das Holz schon zersplitterte, war der letzte Rest Farbe wohl schon vor langer Zeit abgeblättert. Die Haustüre war in einem ebenso desolaten Zustand und konnte einfach geöffnet werden. Dann standen wir in einem Treppenhaus, und es verschlug uns die Sprache, einfach unvorstellbar. An den Wänden hingen letzte Reste von Tapeten als Fetzen von den Wänden. Der Treppenaufgang war verschmiert und verdreckt. Die Treppe selbst war auf allen Stufen durchgetreten, einige wiesen schon größere durchlöcherte Stellen auf und stellten eine deutliche Gefahr dar.

Aber es sollte noch schlimmer kommen, denn das Treppengeländer bot keinerlei Halt mehr, es wackelte, sobald es nur mit einem Finger berührt wurde. Die Beleuchtung funktionierte nur im unteren Flurbereich und war eine kleine Funzel, die kaum mehr Licht bot als eine Kerze. Die Lichtschalter hatten noch das Format aus den Jahren von 1930. Elektrische Leitungen und Wasserrohre lagen auf den mittlerweile zum Teil putzlosen Wänden, auch einige zerfranste Kabel hingen von der Decke herab. Hinzu kamen Graffiti und Schmierereien in allen möglichen Ausführungen. Einige Flurfenster waren zerschlagen, und die Splitter lagen noch auf den Fensterbänken. So ging es weiter bis in das oberste Stockwerk. Und in diesem maroden Haus lebten noch Menschen; wie müssen sie es empfunden haben, unter solchen Verhältnissen zu leben.

Durch den Flur, dessen Steinfußboden mit rotbrauner Farbe gestrichen war,  in dem an vielen Stellen große Stücke fehlten und sich dadurch enorme Stolperfallen boten, kam man auf den Innenhof zu einem Gebäudekomplex, wo vier Häuser zu einem Karree miteinander verbunden waren. Somit war der Innenhof ein Zugang zu den drei anderen Immobilien, und da es keine Balkone gab, auch der Aufenthaltsort im Freien an warmen Sommertagen und gleichzeitig auch ein Spielplatz für die Kinder, welcher nur noch eine defekte Schaukel aufwies. Aber der Innenhof war in den letzen Jahren auch so etwas wie ein Platz für Sperrmüll geworden, denn an vielen Stellen stapelten sich alle möglichen ausrangierten Gegenstände wie kaputtes Mobiliar, fleckige Teppiche, offen gerissene Kartons mit Utensilien des Haushalts und so weiter.

In allen 4 Immobilien – die wir uns angesehen haben- bot sich uns ein ähnliches Bild. Mir taten die Menschen leid, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie diesen Zustand über Jahre ausgehalten haben. Es gab in den Wohnungen keine Heizungen, die Räume wurden mit Kohleöfen beheizt.

Einige Hausbewohner, mit denen wir ins Gespräch kamen, zeigten uns ihre Wohnung, die sie sich liebevoll eingerichtet hatten. Sie waren uns sehr freundlich zugewandt und berichteten, dass sie vor der Wende nichts zur Renovierung ihrer Wohnung zu kaufen bekommen hätten, da es dafür nichts gab. Jetzt, da die Häuser verkauft werden sollen, würde es sich nicht mehr lohnen. Auch hier lagen die Kabel und Rohre über dem Putz, die Tapeten zeigten einen Gelbstich, hatten große auffällige Muster und eine Braunfärbung dort, wo das lange Ofenrohr hoch bis zum Kamin ging. Für die lange Sanierungszeit, die bei einer langwierig kompletten Kernsanierung anfiel, mußten sie in andere Wohnungen ziehen, die schon fertig gestellt waren, wußten aber nicht, ob sie sich die neuen Mieten leisten konnten.

Der Tag war einfach nur ernüchternd für mich. Wenn ich mich an das Straßenbild erinnere, dann sah ich nur eine Tristesse in grauen Farben. Unsere Freunde haben sich gegen einen Kauf entschieden, da ihnen der Aufwand einer Sanierung zu groß war.

Natürlich bekamen wir über die Medien immer Informationen, wie der Aufbau dank des Solis in den neuen Bundesländern greifen und wie aufwendig die Bauvorhaben umgesetzt würden. Urlauber, die sich schon ein Bild gemacht hatten, gerieten ins Schwärmen, was sich alles im Osten bautechnisch getan hätte. Ab 1999 unternahmen wir etliche Reisen in den Harz, sodass wir uns einige Orte im ehemaligen Osten angesehen haben. Vorrangig besuchten wir Wernigerode, da es uns dort besonders gut gefiel, aber auch Quedlinburg und Stolberg.

Stolberg ist so malerisch und verwunschen, daß nahezu alle Märchenfilme in diesem Städtchen gedreht wurden. Ebenso diente die Moritzburg, ein Lustschloß von August dem Starken, nahe Meißen in Sachsen, als Filmkulisse. Man denke nur an den Film „Drei Haselnüsse für „Aschenbrödel“, den die meisten von Ihnen sicherlich kennen. Als wir dort waren, konnten wir das Schloß nicht besichtigen, denn es wurde zu diesem Zeitpunkt restauriert und war für mehrere Monate geschlossen.

In Wernigerode waren die Instandsetzung und Renovierung maroder Gebäude sowie der Ausbau der Infrastruktur in vollem Gange. Einige Aussenfassaden waren noch hinter Plastikfolien versteckt, denn die Sanierungsarbeiten liefen auf Hochtouren.

In die schon fertigen Immobilien – in den kleinen Städten – hatte sich die Geschäftswelt niedergelassen, und die Auslagen waren mit allem, was das Herz begehrte, bestückt. Es gab einladende Cafés, Eisdielen und Restaurants, die man zum Teil noch über Schotterstraßen erreichen konnte. Aber man konnte erahnen, dass die Orte wie Quedlinburg, Wernigerode und Stolberg zu wahren Schmuckstücken werden würden. So war es dann auch, von Jahr zu Jahr wurde der Fortschritt sichtbarer. Es war eine einzige Augenweide, wenn man durch die Orte flanierte und die pittoreske Architektur und die vielen Fachwerkhäuser auf sich wirken ließ.

Aber es gab auch eine Seite, die nicht so ansprechend war, wo noch keine Instandsetzung an Häusern und Straßen stattgefunden hatte. Dies war ein erheblicher Kontrast und eine Ernüchterung, wenn man Gebäude sah, die dem Zerfall nahe waren. Manche von ihnen waren noch bewohnt, andere völlig unbewohnbar, da sie einen total verwahrlosten Eindruck machten und Fenster sowie Türen mit Holzbrettern zugenagelt waren. Teilweise standen diese Gebäude, die sich in einem verrotten Zustand befanden, in kleinen Nebenstraßen oder etwas außerhalb des Ortes. Ebenfalls vor den Toren des Stadtkerns waren die Wohnanlagen mit den Plattenbauten, die wir aber nur aus größerer Entfernung wahrgenommen haben.

Die Autobahnen zu den  jeweiligen Städtchen waren mit einem Asphalt versehen, sodass man meinte, man fährt über Seidenpapier. So glatt und leise stellte er sich dar.

Was meinen Mann und mich im Osten ebenfalls sehr beeindruckt hat, waren Flora und Fauna in in den von uns besuchten Gebieten. Wir sahen eine Vielfalt von Tierarten, die uns Städter nur staunen ließ. Imposant war die große Menge von unterschiedlichen Greifvögeln sowie die hohe Anzahl der Störche und der Salamander. Wir waren begeistert, enorm viele Vogelarten vorzufinden. Wunderschöne Blumenwiesen und sattes Grün in allen vorstellbaren Farbtönen erfreute das Auge soweit man schauen konnte. Die Wälder mit ihrer großen Fülle und Auswahl der unterschiedlichsten Pilzsorten war eine Freude jeden Pilzsuchers. Da hielt uns nichts mehr, denn mein Mann und ich waren leidenschaftliche Pilzsucher.

2008 war ich erneut wegen eines Fortbildung-Seminars in Berlin, dieses Mal bezog ich in einem Hotel nahe der Straße „Unter den Linden“ ein Zimmer. Ich war extra früher angereist, da ich mir ein Bild von dem Fortschritt der Sanierungs-  und Umbauarbeiten im Ostteil von Berlin machen wollte. Alle alten Gebäude waren in einem Top-Zustand, in ihrer Architektur erhalten und die sich in der Parterre befindlichen Modelabel sowie andere Geschäfte waren allesamt Läden der gehobenen Kategorie. Menschenmassen strömten durch die Straßen, und die Wegbeschreibung war erstklassig. Viele Neubauten sind hinzugekommen, die sich wunderbar in das Stadtbild einfügten. So war es mir möglich, stundenlang von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu laufen. Die Infrastruktur war bestens ausgerichtet und mit der U-Bahn oder dem Bus kam man auch schnellstens zu seinem ausgesuchten Ziel. Aus meiner Sicht war kein Unterschied zum Westteil der Stadt zu erkennen. Auch hier pulsierte das Leben, und abends waren die Lokalitäten so gut besucht, dass die Gäste mit ihren Getränken draußen auf den Bürgersteigen standen. Einen Besuch im Hotel Adlon hatte ich mir auch gegönnt und bin dort zum Nachmittagstee eingekehrt.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung von Ost und West habe ich viele Menschen aus der ehemaligen DDR insbesondere beruflich kennen gelernt. Treffen wir aufeinander, egal wo, gibt es keinerlei Hemmschwellen, wir respektieren und schätzen uns, treffen uns bei  Gesprächen oder Diskussionen auf Augenhöhe, gehen freundlich und fair miteinander um und was sehr wichtig ist, wir können mit einander lachen, und vor allen Dingen dem anderen zuhören. Somit ist für mich persönlich die Wiedervereinigung gelungen. Alles andere obliegt der Politik, die richtigen Wege zu beschreiten, um beiden Seiten – Ost und auch West – gerecht zu werden.

Insgesamt gesehen hat jede meiner kleinen vorgetragenen Geschichten Eindrücke bei mir hinterlassen, die mich alle auf ihre Weise berührt haben, sowohl in positiver, aber auch in negativ trauriger Weise. Letzteres gilt natürlich in allererster Linie für die Situation in familiärer Hinsicht, aber auch für die Menschen in der ehemaligen DDR.

Letzte Artikel von Dieter Schilling (Alle anzeigen)

Schreiben Sie einen Kommentar