Familie

Die Großeltern

Großeltern mütterlicherseits

Meine Großmutter mütterlicherseits war eine ausgesprochen gütige und liebe Frau, die aus Hamburg wieder nach Oberhausen gezogen war, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte. Ich war gerne mit ihr zusammen. Sie besaß das gleiche ruhige und geduldige Wesen wie meine Mutter. Da sie berufstätig war, sie arbeitete in der Gaststätte ihrer Schwägerin, konnten wir uns leider nur einmal in der Woche sehen. Diesen Tag habe ich genossen und bin ihr immer, da sie meist zur gleichen Zeit zu uns kam, freudig entgegengelaufen. An diesen Tagen unternahmen wir gerade in den Sommermonaten häufig Ausflüge oder besuchten ein Restaurant. Natürlich verbrachte sie alle Feiertage in unserem Familienkreis.

Den Vater meiner Mutter habe ich nie kennen lernen können, da es durch die Trennung meiner Großeltern zu ihm keinerlei Kontakt gab.

Großeltern väterlicherseits

Auch die Mutter meines Vater hatte einen enormen Stellenwert in meinem Leben, sie mochte ich auch sehr gerne, was sich mit zunehmendem Alter meinerseits immer mehr vertiefte. Wir beide konnten herzhaft zusammen über viele Dinge lachen. Als Kind nahm sie mich zu jedem Besuch, den sie unternahm, mit. Ihre Tierliebe war groß, und sie engagierte sich intensiv in der Betreuung herrenloser Katzen, sodass auf unserem Grundstück ein reges Treiben von Fellnasen stattfand.

Bis ins hohe Alter backte sie für mich die köstlichsten Blaubeer- und Kirschpfannkuchen, da kam selbst meine Mutter nicht mit. Meine Oma hielt sich nie mit ihrer Meinung zurück. Gerade heraus und unverblümt sagte sie, was sie dachte. Wenn sie das tat, sprach sie immer mit der Person im dritten Fall, was uns als Familie oft zum Schmunzeln brachte.

Wir lebten ja quasi Tür und Tür, uns trennte nur der Garten. Mein Opa und ich nutzten jede Gelegenheit zu gemeinsamen Spaziergängen mit seinem Hund. Er erklärte mir die Natur, half mir bei den Schularbeiten und bereitete mir, obwohl er sich sonst nie an den Herd stellte, köstliche Sahne-Bonbons zu. War ich erkältet, kochte er mir einen Sirup aus echtem Lakritz, Honig, Thymian, braunem Kandis und Zwiebeln. Das Zeug schmeckte fürchterlich, aber es half.

Er war nie belehrend, sondern sprach stets in einer leisen, liebevollen Art, was man diesem großen Mann nicht zugetraut hätte. Seine immer gleichbleibende Freundlichkeit, sein Gerechtigkeitssinn, seine Hilfsbereitschaft und die Toleranz seinen Mitmenschen gegenüber zeichnete ihn aus. Er hörte mir immer zu und erteilte mir auch Ratschläge fürs Leben und meinte: „Jutta, vielleicht erinnerst du dich später einmal daran, was ich dir zu diesem Thema gesagt habe.“ 

Oft erzählte er mir Geschichten aus seinem Leben. Gespannt lauschte ich seinen Erzählungen, insbesondere dann, wenn er von seiner Tätigkeit als Bergmann berichtete. Dieser von ihm ausgeübte Beruf sollte nämlich zu seinem Verhängnis werden, denn er litt an einer Staublunge, hervorgerufen durch Steinstaub. Manchmal kamen wir auch so ein bisschen ins Philosophieren. So malten wir uns aus, wie es ist, wenn wir uns später irgendwo einmal wiedersehen, weil er immer sagte, er würde nicht mehr lange leben. Das war etwas, was mich unwahrscheinlich in dieser Zeit bedrückte, aber ich konnte es erfolgreich verdrängen, mochte ich es mir doch nicht vorstellen.

1963 verstarb mein geliebter Opa. Plötzlich war eine wichtige Bezugsperson –  für mich unvorbereitet – nicht mehr präsent. Er wurde in der Leichenhalle auf dem Friedhof aufgebahrt. Dort nahm ich am nächsten Tag von ihm Abschied. Das war ein ganz einschneidendes Erlebnis für mich.

Mein Onkel, der Seefahrer

Eine große Sehnsucht hatte ich als Kind immer nach meinem Onkel, dem Bruder meiner Mutter, der zur See fuhr. Für mich war es eine große Freude wenn er nach langen Monaten der Abwesenheit endlich für einen längeren Aufenthalt wieder bei uns weilte. Meistens war er viele Monate, manches Mal sogar 1-2 Jahre auf See in den entferntesten Ländern der Welt.

Telefonate aus der Ferne

Telefongespräche mit uns musste mein Onkel von Bord des jeweiligen Schiffes über die Reederei anmelden. Dieser Termin wurde uns Angehörigen von der Reederei mit Nennung der etwaiger Uhrzeit mitgeteilt. Stand solch ein Termin in den 1950er Jahren an, gingen meine Eltern mit mir nach Oberhausen zu der Schwägerin meiner Oma mütterlicherseits, die eine Gaststätte betrieb, denn sie besaß als einzige ein Telefon. Dort saßen wir dann stundenlang und warteten auf den Anruf, den wir aus Japan, Amerika, Australien, Afrika oder wo auch immer mein Onkel sich aufhielt, entgegennehmen konnten. 

Post aus der Ferne

Zu Geburtstagen, zum Weihnachtsfest und auch zwischendurch sendete er Telegramme und häufig auch große Pakete voller Überraschungen. Briefe von ihm wurden von meiner Familie und mir freudig erwartet. Meine Mutter las sie mir vor und beantwortete sie stets. Allerdings schrieb er lieber Postkarten aus jedem Land, wo das Schiff, auf dem er sich befand, vor Anker lag.

Als ich selber Briefe schreiben konnte, schrieb  auch ich ihm reichlich und teilte ihm aus unserem Leben alles mir Wichtige mit. Er schrieb auch mir zurück und sendete mir zusätzlich unendlich viele Postkarten, die heute noch zu Hunderten in meinem Besitz sind. Mit jedem geschriebenen Brief musste ich zur Post, denn sie mussten damals noch per Luftpost aufgegeben werden. Geschrieben werden musste auf hauchdünnem Luftpostpapier.

Besuche des Onkels

Wenn er endlich zu Besuch kam, war es für mich das Erlebnis pur! Ich hätte ihn am liebsten immer bei uns gehabt, denn er war ein warmherziger und ausgesprochen liebenswerter Mensch, immer anderen freundlich zugewandt und extrem geduldig. Teilweise wohnte er bei uns, aber auch bei seiner Mutter, meiner Oma mütterlicherseits, die in Oberhausen eine eigene Wohnung hatte. Ich nutzte jede Gelegenheit, um mit ihm die wenige Zeit, die er hatte, zu verbringen, auch wenn er mich scherzhaft immer „Zimtzicke“ nannte. Fasziniert lauschte ich seinen Erzählungen aus fremden Ländern. Spannend waren auch seine Erlebnisse auf See, wie zum Beispiel die Äquatortaufe.

Als Kind war es für mich unverständlich, dass man, auch wenn man nicht schwimmen konnte, einen Beruf ergreifen konnte, wo man ständig den Gefahren auf hoher See ausgesetzt war. Mein Onkel war nämlich Nichtschwimmer.

Tod des Onkels 

Leider ist er im Alter von 41 Jahren – kurz vor meiner Hochzeit – viel zu früh an einer schweren Krankheit verstorben. Ich hätte ihn so gerne noch lange in meinem Leben gehabt, aber leider wollte es das Schicksal anders.

Er wollte  sich partout in Hamburg ins Tropen-Krankenhaus begeben, wo sich wohl alle Seeleute behandeln ließen. Wir konnten ihn nicht dazu überreden, sich hier in stationäre Behandlung zu begeben. So kam er zu spät in die Klinik und ist dort nach kurzer Zeit an einer akuten Darmerkrankung verstorben.

Meine Oma und meine Mutter begleiteten ihn auf seiner letzen Reise von Hamburg nach Mülheim, wo er im Kreise aller, die ihn liebten und mochten, beigesetzt wurde.

Jutta Loose
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