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Jede Generation baut die Straßen, auf denen die nächste fährt

Diese japanische Weisheit meint weiter, dass es jedes Leben wert ist, in der festgehaltenen Erinnerung aufgehoben zu sein. Eine Zeitzeugenbörse schafft eine Öffentlichkeit für diese persönlichen Erinnerungen. Nächte im Luftschutzkeller, Flucht, Schwarzhandel, der erste Fernseher, Spiele auf der Straße – das sind Stichworte zu persönlicher Geschichte, die zur Geschichte werden kann. Indem ich diese weitergebe, erhalten Junge Antworten auf ihre Fragen.

Ein Bewusstsein für die Gegenwart zu entwickeln, macht es erforderlich, sich auch der Vergangenheit bewusst zu sein

Die Wertschätzung der eigenen Geschichte baut Brücken für das Leben anderer, die Ähnliches erfahren haben (Verlust, Mangel, Flucht, Vertreibung, Krieg, Terrorregime …); aber auch zu denen, die das gerade nicht erfahren haben, z. b. zu den Kindern und Enkeln. Indem ich mich mit meiner eigenen Geschichte beschäftige, öffnet sich mein Blick für das Leben anderer.

Noch gibt es auch in Mülheim an der Ruhr Menschen, für die der letzte Krieg in Europa nicht ein Kapitel in Geschichtsbüchern ist, sondern eigens erlebte Geschichte. Seit November 2011 treffen sich interessierte Zeugen ihrer Zeit im Sommerhof. Unsere monatlichen Treffen dienen zunächst der eigenen Geschichte, die dokumentiert wird. Eine gezielte Weitergabe der persönlichen Geschichten an Junge und an am Thema Interessierte hat ein Austausch zum Ziel.

 

Was ist eine ZeitZeugenBörse?

Die Menschen erzählen etwas aus ihrem Leben, ganz subjektiv, d.h. sie machen durch eigene Wahrnehmung Angaben zu einer Sache. Zeitzeugen erzählen also immer ihre eigene Wahrheit.

Im Namen Zeitzeugenbörse steckt noch das Wort „Börse“.  Gemeinhin verbindet man mit Börse immer das Wort „Kapital“. Das Kapital der Zeitzeugen ist ihr Erfahrungswissen. Dieses bezieht sich auf ihre Sicht der Geschichte. Indem sie eine bestimmte Vergangenheit repräsentieren, laden sie ihre Zuhörerinnen und Zuhörer ein, sich in die Erfahrungswelt dieser älteren Generation hineinzuversetzen.

Zeitzeugenbörsen gibt es schon viele in Deutschland. Allen voran ist die Zeitzeugenbörse in Berlin zu nennen, die sich schon 1993 gründete . Daneben gibt es große Zeitzeugenbörsen in den Städten Hamburg und Köln oder auch Paderborn und Bielefeld. Allen gemeinsam ist das Bewahren der eigenen erlebten Geschichte für die junge Generation, weil sie Teil der Erinnerungskultur ist. Eine Zeitzeugenbörse schafft eine Öffentlichkeit für persönliche Erinnerungen.

 

Die ZeitZeugenBörse Mülheim an der Ruhr

Gegründet wurde die ZeitZeugenBörse Mülheim an der Ruhr im November 2011. Ein kurzer Artikel in der regionalen Presse verhalf, entsprechende Zeitzeugen zu gewinnen (WAZ, 14.10.11 ). Seit dem treffen sich ca. 10 – 15 Zeitzeugen monatlich im Sommerhof, einer Einrichtung des Servicewohnens für Senioren (Tourainer Ring 12, Eingang Hingbergstraße) direkt in der Innenstadt, zum gemeinsamen Kennlernen und Austausch. Durch Reflexion, digitaler Aufnahme und deren Verschriftlichung wird die erzählte Geschichte ein Zeitzeugnis.

 

Was ist das Anliegen der ZeitZeugenBörse?

Wenn wir unsere Lebensgeschichte verlieren, stehen wir vor dem Nichts. Deshalb will sich unsere Seele  erinnern. Dafür muss ihr Raum und Zeit gegeben werden, um die Erinnerungen angemessen durchschreiten zu können. Bei uns soll  erlebte Geschichte – als Teil einer Erinnerungskultur – den Dialog zwischen den Generationen fördern. Dazu sind Zeitzeugen aufgerufen das, was sie erlebt haben, zu erzählen. Diese Erzählungen werden aufgezeichnet und verschriftlicht. Der Dialog findet statt mit Schulen, Universitäten oder anderen Interessierten. In der halbgeschützten Atmosphäre der Gruppe besteht Vertrauen, sich die manchmal schmerzhafte Lebenserinnerung bewusst zurückzuholen, zu verstehen und zu verarbeiten. Dies ist wichtig – denn nur so kann die erlebte Geschichte (oral history) nach einer gewissen Übungsphase authentisch weitergegeben werden.

Die ZeitZeugenBörse Mülheim an der Ruhr hat es sich also zur Aufgabe gemacht, Lebensgeschichten zu konservieren. Alle Erzählungen werden digital aufgezeichnet, diese dann auf CD gebrannt. Eine Verschriftlichung (1:1) erleichtert darüber hinaus eine Nachbearbeitungen, die wiederum als Grundlage für öffentliche Erzählungen dienen. Zudem erlauben viele Zeitzeugen mittlerweile Videoaufnahmen für ein virtuelles Archiv.

 

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