Als mein jüngerer Bruder Anfang der 50er Jahre geboren werden sollte, ging meine Mutter zu ihren Eltern ins Sauerland, da sie sich dort mehr aufgehoben fühlte.
Mich holten mein Onkel und meine Tante mit dem Motorrad ab und brachten mich zu den Eltern meines Vaters. Mein Onkel, meine Tante und deren Söhne wohnten ebenfalls im Haus. Es war ein kleiner Ort mit ca. 13 Häusern in der Nähe von Sundern im Sauerland. Bis zum nächsten Ort musste man 3 km zu Fuß laufen. Bei Schnee war das schon mal sehr beschwerlich.
Ich erinnere mich, dass meine beiden Cousins mich am Nikolaustag mitnahmen. Wir wanderten in den nächsten Ort, wo die Schule für die umliegenden Orte war. In der einklassigen Volksschule saßen die Kinder schon erwartungsvoll in den Bänken.
Dann kam der Nikolaus…
Ein prächtig gekleideter Bischof im hellen Gewand und in seinem Gefolge gleich 2 Knecht Ruprechte…
Der Nikolaus hielt eine Ansprache für uns Kinder und die Knecht Ruprechte wuselten währenddessen durch die Bänke und schlugen nach den Schülern, die ihrer Meinung nach nicht brav gewesen waren. Ich saß ganz verschüchtert in der Bank und verfolgte dieses Treiben. So etwas kannte ich bisher noch nicht.
Schließlich bekam aber doch jedes Kind eine Tüte mit Nüssen und Leckereien und der Nikolaus zog mit seinem Gefolge weiter.
Am Abend saßen wir bei meinen Großeltern in der Küche auf der Bank. Plötzlich polterte es draußen und ein Knecht Ruprecht trat in die Küche. Wir verfolgten das alles mit Schrecken und sollten auch noch ein Gedicht aufsagen, was nur zögerlich gelang.
Währenddessen steckte der jüngste Bruder meines Vaters den Kopf aus der Türe ins Zimmer und wollte auch herein. Knecht Ruprecht schlug nach ihm und ließ ihn nicht herein. Wir Kinder bekamen aber Nüsse und Plätzchen und als wir später in den Flur kamen, lag dort auch noch eine Tüte für meinen Onkel, der damit gar nicht mehr gerechnet hatte.
Später erfuhren wir noch, dass ein Junge aus dem Dorf, der für Streiche wohlbekannt war, von Knecht Ruprecht in den Sack gesteckt und mitgenommen worden war. Seitdem hatten wir großen Respekt vor Nikolaus und Knecht Ruprecht.
A. Dell