04: Morgen kommt der Weihnachtsmann

Eine Geschichte, die in einer unserer Gruppen großes Gelächter ausgelöst hat, als ich behauptet habe: „Diese Geschichte hat mit mir überhaupt nichts zu tun!“. Im Ernst: eine schöne Geschichte zum „Entschleunigen“ – lieber Adventskaffee im selbstorganisierten Seniorennetzwerk als Hetze durch die Advents- und Weihnachtszeit!

„Schon wieder Weihnachten“, stöhnte der Weihnachtsmann. „Ich mag mich nicht mit den schweren Säcken abschleppen.“
Lustlos zog er die Stiefel und den roten Mantel an und warf sich den Sack, der sich seltsam leicht anfühlte, über die Schultern. Dann machte er sich auf den Weg zu den Kindern.
Endlich hatte er die kleine Stadt erreicht. Mit müden Schritten schlurfte er zur Tür des ersten Hauses, wo er seine Geschenke ablegen wollte. Als er gerade seinen Sack von der Schulter nahm, öffnete sich die Tür und ein kleines Mädchen stand vor ihm.
„Hallo“, sagte es. „Wer bist du?“
„Der Weihnachtsmann, wer sonst?“
Das Mädchen wunderte sich. „Warum kommst du heute schon? Heiligabend ist doch erst morgen.“
„Morgen?“ Der Weihnachtsmann schüttelte verwirrt den Kopf. „Warum sagt mir das keiner?“
Er schnürte den Sack auf und fragte: „Würde es dich sehr stören, wenn ich dir deine Geschenke gleich jetzt gäbe? Dann hätte ich mir für morgen einen Weg erspart.“
Das Mädchen lachte. „Aber dein Sack ist doch ganz leer.“
„Leer?“ Jetzt musste der Weihnachtsmann auch lachen. „Deshalb fühlte er sich so leicht an. Ich muss wohl heute Morgen mit dem linken Fuß aufgestanden sein. Habe ich doch tatsächlich das Datum verwechselt! Tss!“
Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Und was machen wir nun?“, fragte er ein wenig ratlos.
Das Mädchen überlegte. „Wie wäre es, wenn ich heute dir einmal etwas schenke?“
„Wie bitte?“, wunderte sich der Weihnachtsmann. „Du willst mir etwas schenken? Das ist doch gar nicht üblich.“
„Aber es ist eine schöne Idee. Pass auf!“
Und das Mädchen begann, dem Weihnachtsmann ein Gedicht, das es sich selbst ausgedacht hat, aufzusagen.
„Schön!“, sagte der Weihnachtsmann und wischte sich gerührt eine Freudenträne von der Backe. „Noch nie hat mir ein Kind ein Gedicht geschenkt.“
„Och, ich kann dir auch noch ein Lied schenken, auch wenn meine Lehrerin immer sagt, ich könne nicht gut singen.“
Und bevor der Weihnachtsmann etwas sagen konnte, begann es das Lied ´Morgen kommt der Weihnachtsmann´ zu singen.
Die Töne klangen wirklich sehr falsch, doch das machte dem Weihnachtsmann nichts aus.
„Das ist das schönste Lied, das ich je gehört habe“, rief er, und dieses Mal musste er einen ganzen Tränenbach aus dem Gesicht wischen.
„Und es stimmt, das Lied“, kicherte das Mädchen. „Denn morgen kommt wirklich der Weihnachtsmann.“
Da musste der Weihnachtsmann auch kichern. „Wie Recht du hast. Morgen komme ich. Morgen und nicht heute. Und weißt du, jetzt geht es mir viel besser. Doch jetzt muss ich gehen.“ Er deutete auf seinen leeren Sack. „Ich schätze mal, es wartet hier noch einige Arbeit auf mich.“
„Das glaube ich auch“, sagte das Mädchen und gab dem Weihnachtsmann zum Abschied einen dicken Kuss auf die Wange.
„Schon wieder ein Geschenk!“, rief der Weihnachtsmann fröhlich.
Dann ging er leichten Fußes zurück zu seinem Schlitten. Dabei sang er fröhlich und mit vielen falschen Tönen: „Morgen kommt der Weihnachtsmann…“

Lizenz © Elke Bräunlingwww.elkeskindergeschichten.de

Horst Roos, Netzwerk Miteinander in Frankenthal


Über Horst Roos

Jahrgang 1955, Diakon für Altenarbeit im Protestantischen Dekanat Frankenthal (Pfalz)