Gehen ist eigentlich die ursprünglichste Form unserer Fortbewegung. In unseren Städten wird dem Fußverkehr aber meist wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Das Verkehrsministerium NRW hat gemeinsam mit dem Zukunftsnetz Mobilität NRW im vergangenen Jahr deshalb einen Wettbewerb für „Fußverkehrs-Checks“ ausgerufen, um mit Bürger*innen und Fachleuten die Situation vor Ort zu begutachten.
Ziel des Projekts ist es, konkrete Verbesserungen für Fußgänger*innen zu schaffen, um den Fußverkehr zu fördern und sicherer zu machen. Das Projekt wurde mit Fördergeldern des Verkehrsministeriums NRW finanziert.
Herten war eine von landesweit 10 Kommunen, die für die Teilnahme ausgewählt wurden. In Kooperation mit dem Verkehrsplanungsbüro VIA in Köln wurden Anfang des Jahres zwei Workshops sowie zwei Begehungen mit Bürger*innen, Ratsmitgliedern und Mitarbeiter*innen der Verwaltung durchgeführt. Die Zielgruppen waren Senior*innen und mobilitätseingeschränkte Menschen, deshalb waren auch Vertreter*innen von Sozialverbänden und des Vereins für sehbehinderte Menschen beteiligt.
Beim Auftakt Workshop konnte bereits positiv vermerkt werden, dass die meisten Teilnehmenden gerne zu Fuß in der Innenstadt unterwegs sind.
Kritische Anmerkungen gab es aber auch:
Es kommt es immer wieder zu Konfliktsituationen mit Radfahrer*innen auf gemeinsam genutzten Flächen (z.B. Fußgängerzone).
- Nicht beliebt sind Fußwege durch die Passagen, weil sie teilweise unsauber und schlecht beleuchtet sind und somit ein Gefühl von Unsicherheit vermitteln.
- Als hinderlich werden die zum Teil sehr üppigen Warenauslagen einzelner Einzelhandelsgeschäfte empfunden.
- PKW’s die zur Anlieferung in Fußgänger PKW’s die zur Anlieferung in Fußgänger*Innenbereiche fahren werden als Gefährdung wahrgenommen und stören den Fußverkehr..
- Baumwurzeln, Werbetafeln und Baumeinfassungen können zu Stolperfallen werden.
- Die Grünphasen an vielen Fußverkehrsampeln sind zu kurz.
In zwei Begehungsrunden durch die nördliche und südliche Innenstadt wurden dann konkrete Möglichkeiten zur Verbesserung ausgelotet.
Auf der Hermannstraße erläuterte ein sehbehinderter Teilnehmer wie wichtig die Funktion taktiler Leitsysteme (im Boden eingelassenes Rippenband zur Wegführung) zur räumlichen Orientierung ist.
Herten ist hier Vorbild, keine Stadt im Umkreis hat ein so umfassendes Leitsystem in der Innenstadt!
Beim Rundgang wurde aber auch klar, dass das beste System nicht funktioniert, wenn die Bodenrippen (siehe Foto oben) durch Gegenstände oder Warenauslagen verstellt sind. Kaum jemand ist sich bewusst, dass Sehbehinderte oder blinde Menschen dadurch völlig irritiert und gefährdet werden. Deshalb soll die Funktion des Systems verstärkt kommuniziert werden. (Link/ Siehe auch: BürgerInnen fragen: was sind taktile Leitsysteme?).
Intensiv diskutierten die Teilnehmenden im zweiten Teil der Begehung die Sicherheit und Bedienbarkeit von Ampelanlagen an verschiedenen Querungen, wie z.B. Kurt-Schumacher-Straße/Hermannstraße und den Kreisverkehr am ZOB Herten-Mitte.
Weitere Themen waren die Durchgänge Hermannstraße/Blumenstraße, der Radverkehr auf Gehwegen an der Gartenstraße sowie fehlende oder ungenügende Absenkungen der Bordsteinkanten.
Das Büro VIA hat schließlich ein Bündel von rund 30 Maßnahmen vorgeschlagen, die kurz- oder mittelfristig realisierbar wären. Allerdings stehen für die Umsetzung keine zusätzlichen Fördermittel im Rahmen des Projekts zur Verfügung. Hier muss der Rat eine Entscheidung fällen. Wegen Corona war eine umfassende Beratung im Ausschuss für Arbeit, Stadtentwicklung und Umwelt in diesem Halbjahr nicht möglich.
Das Resümee in der Abschlussrunde fiel aber zuversichtlich aus, denn einige der vom Planungsbüro vorgeschlagenen Maßnahmen sind bereits Bestandteil des INSEK „Neustart Innenstadt“ bzw. den Baumaßnahmen zur S-Bahn-Station Herten und können deshalb mittelfristig umgesetzt werden. Auch fließen die Erkenntnisse ins Mobilitätskonzept der Stadt Herten ein, das bis Ende 2021 erarbeitet werden soll.
Eines aber können nur die Bürger*innen selbst umsetzen, nämlich den Leitsatz, der für alle Verkehrsteilnehmenden der Fußgängerzone geprägt wurde: „Rücksicht hat Vorfahrt!“.