Im April 2016 erschienenen Deutschen Freiwilligen Survey 2014 bekommt die Internetnutzung im freiwilligen Engagement einen eigenen Gliederungspunkt auf Seite 311 unter 11.5:
„Internetnutzung stellt in der Regel also eine Erweiterung der freiwilligen Tätigkeit dar, ersetzt andere Tätigkeitsformen aber nur im Ausnahmefall. Online-Volunteering, im Sinne einer ausschließlich oder überwiegend über das Internet ausgeübten Tätigkeit, ist insofern als Phänomen zwar feststellbar, jedoch (noch) keine weit verbreitete Form des Engagements.“
Grade die oben beschriebene Erweiterung der freiwilligen Tätigkeit macht das neue Engagementfeld „Internet“ sehr spannend. Insbesondere ältere Menschen sind die Botschafter ihrer Interessen und Experten für das eigene Quartier. Digitales Engagement ermöglicht neue Kontakte und kreative Einsatzgebiete. Das Internet ist von seiner Anlage her generationenübergreifend und es werden zufällige Begegnungen ermöglicht.
Im Rahmen des Teilprojekts „Engagement älterer Menschen in der digitalen Gesellschaft“ unterstützt das Forum Seniorenarbeit / Kuratorium Deutsche Altershilfe seit April 2016 in einer Workshopreihe Quartierentwickler/innen in NRW beim Aufbau virtueller Quartiersplattformen.
Ziel des Projekts ist es, dass bunte Leben und die Angebote und Möglichkeiten in einem Quartier auch in einer virtuellen Umgebung abzubilden und themenbezogene Interaktion zu ermöglichen. Im Kern geht es um den Aufbau einer ehrenamtlichen Redaktionsgruppe, die in Zusammenarbeit mit den hauptamtlichen Quartiersentwickler/innen nachhaltig ein Konzept erarbeitet und an einer technischen Plattform im Baukastenprinzip realisiert.
Die Curriculumsentwicklung des Workshops und der Aufbau des Grundgerüsts der technischen Plattform wurden von einer Arbeitsgruppe aus Praktikern/Quartiersentwicklern, Beratern des Landesbüro altengerechte Quartiere NRW, dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation und Pflege des Landes Nordrhein-Westfalen, Interessenvertretern sowie ehrenamtlich aktiven Online-Redakteur/innen aus vergangenen Workshops begleitet.
Inhalt
Technikauswahl
Bei der Auswahl eines geeigneten Systems ging es darum, einen Mittelweg zwischen Bedienbarkeit, zeitgemäßen technischen Funktionen und Möglichkeiten der Individualisierung zu finden. Es musste davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Teilnehmer/innen keine Vorerfahrung im Umgang mit einem Content-Management-System (CMS) mitbringt.
Basierend auf den Erfahrungen aus den Workshops der Jahre 2012 bis 2014 bot es sich an, auch hier auf das bewährte Open-Source System WordPress zurückzugreifen. Die einzelnen Plattformen werden auf einer sogenannten Multisite bereitgestellt, so dass die Teilnehmenden sich nicht um die technische Wartung des Gesamtsystems kümmern müssen.
Das Kernsystem wurde dann um Komponenten (sogenannte Plugins) erweitert, die es ermöglichten die Anforderungen der Arbeitsgruppe zu realisieren. Insgesamt sollte darauf geachtet werden, dass alle teilnehmenden Quartiere jederzeit Zugriff auf Ihre individuellen Daten haben und ggf. auch zu einem späteren Zeitpunkt eine eigene Installation aufbauen können. Interessierten sollten die Grundzüge zum Nachbau einer entsprechenden Plattform ermöglicht werden. Die Investitionskosten sollten dabei möglichst gering gehalten werden.
Anforderungen der Arbeitsgruppe
Die Anforderungen der Arbeitsgruppe, die bezogen auf die technische Plattform genannt wurden, waren:
- Responsives Design (ermöglicht die problemlose Nutzung auf mobilen Geräten),
- Möglichst barrierearme Technik, um allen Menschen den Zugang zu den Inhalten zu ermöglichen,
- Registrierungsmechanismen für Benutzende sollten vermieden werden,
- Kommentarsystem für Inhalte und Ermöglichung von Interaktion,
- Nachrichtenbereich, um über aktuelles aus dem Quartier berichten zu können,
- Veranstaltungskalender mit selbst erweiterbarem Kategoriensystem,
- Anbieterverzeichnis um die lokale Infrastruktur im Quartier abbilden zu können (inkl. Integration von Google-Maps),
- einfaches Newsletter-System,
- Erweiterbarkeit um technische Komponenten, wie Bildergalerien, Darstellung von Videos oder einem Diskussionsforum.
Nicht bei allen Komponenten konnten kostenlose Werkzeuge gefunden werden, die die Anforderungen erfüllten. An diesen Stellen wurde teilweise auf sogenannte Pro-Versionen und kostenpflichtige Erweiterungen zurückgegriffen. Insgesamt belaufen sich die Lizenzkosten für einen Nachbau auf einer eigenen Installation auf unter 350,- EUR. Mit Einschränkungen könnten diese auf unter 50,- EUR gesenkt werden. Nicht inbegriffen sind hier Kosten für das Hosting bzw. den Betrieb eines eigenen Servers.
Detaillierte Darstellung des eingesetzten Themes und aller eingesetzten Plugins:
Im Rahmen des Workshops mit vier Präsenztagen und zwei integrierten Online-Phasen erlernen die Teilnehmenden die Gestaltung, redaktionelle Arbeit und technische Erweiterung des Systems kennen. Eine Vertiefung erfolgt in der anschließenden Zusammenarbeit in einem Netzwerk aller bisher an den Workshops beteiligten haupt- und ehrenamtlichen. Dadurch wird eine nachhaltige Begleitung ermöglicht. Das Netzwerk ist für alle folgenden Redakteur/innen offen.
Rolle der Quartiersentwickler/innen – Aufgabenteilung
Gleich zu Beginn wurde sehr deutlich, dass die hauptamtlichen Quartiersentwickler/innen zwar ein großes Interesse am Aufbau einer entsprechenden Plattform haben, aber es große Sorgen um die Realisierbarkeit in Bezug auf zeitliche Ressourcen hatten.
Bei der Rollenbeschreibung innerhalb des Redaktionsteams musste also geklärt werden, was die Aufgaben der hauptamtlichen sind und welche Tätigkeiten und Verantwortungsbereiche später unter besonderer Berücksichtigung der Motive der ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen übergeben werden können.
Hier wurde deutlich, dass die Quartiersentwickler/in vor allem Projektinitiator/in und Begleiter/in sein sollte. Zu Beginn sind sie für die Schaffung der Rahmenbedingungen, der Konzeptionierung, dem Aufbau und der Begleitung des Redaktionsteams verantwortlich. Sie sind Koordinator/in, Bindeglied und Kommunikator/in zwischen dem Träger (Kommune/Organisation) und dem Redaktionsteam. Im weiteren Verlauf soll sie sich aus dem Alltagsgeschäft zurückziehen und sich auf die Kernaufgaben konzentrieren.
Einen Vorschlag für eine detaillierte Aufgabenverteilung zwischen Hauptamtlichen und dem Redaktionsteam hat die Arbeitsgruppe entwickelt:
Weitere Inhalte des Curriculums
„Fast nichts von dem was im Internet so schön einfach ist, ist erlaubt“. Dieses Zitat eines Teilnehmenden aus einem vergangenen Workshop bringt es auf den Punkt. Beim Betrieb eines Internet-Angebotes gibt es eine Menge juristischer Stolpersteine, auf die Herausgeber und Redaktionen achten müssen. Innerhalb des Workshops wird dem Thema Online-Recht aus diesem Grunde ein eigener Block gewidmet und immer wieder zwischendurch angesprochen. Ziel ist es grundsätzlich für Fragen von Urheber-, Nutzungs- und Verwertungsrechten hinzuweisen. Daneben werden kostenlose Quellen, wie zum Beispiel für Bilder oder Videodienste und deren Lizenzbedingungen thematisiert.
Im Rahmen der Online-Zusammenarbeit zwischen den Präsenztagen wird „nebenbei“ erlernt, wie in einer Gruppe virtuell kommuniziert werden kann und wie eine mögliche Kommunikationsstruktur innerhalb der Redaktionsgruppe aussehen könnte.
Erste Erfahrungen aus Sicht der Workshopleitung
Ende Juni 2016 endet die erste Workshopreihe und es liegen die ersten Erfahrungen vor. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die kreativen Potentiale von älteren Menschen integriert werden. Die Teilnehmenden sind technikinteressiert und möchten sich zugleich für Ihr Quartier/ihren Stadtteil einsetzen.
Je mehr technische Vorerfahrungen ein Teilnehmender mitbringt, desto leichter gelingen der Einstieg und das selbständige Entdecken der Möglichkeiten. Auf eine Begleitung kann aus unserer Sicht aber nicht verzichtet werden, da viele der oben angesprochenen Inhalte einer Erklärung und Einführung bedürfen.
Die Technik ist sowohl im Bereich der Redaktion als auch der Administration unter Einführung erlernbar. Wichtig ist insbesondere zu Beginn Sicherheit und Orientierung im Umgang mit dem System zu bekommen und regelmäßig Übungen zu wiederholen. Die Tandemkonstellation (Empfehlung für den Workshop) bietet hier zusätzliche Austauschmöglichkeiten und gibt mehr Stabilität und Selbstvertrauen. Das Bewusstsein für die rechtlichen Probleme ist in der Regel vorhanden.
Alle Projekte kommen schrittweise voran, auch wenn die notwendige Ressource Zeit und die Komplexität unterschätzt wird. Dies betrifft insbesondere die Online-Phasen in denen aktiv weitergearbeitet wird. Das Curriculum ist aber flexibel genug um hier situativ reagieren zu können. Die Netzwerkteilnahme nach dem Workshop ermöglicht eine Weiterarbeit und Weiterentwicklung, so dass der Zeitdruck genommen werden kann.
Es scheint als reduziere sich die Thematik zu Beginn auf „eine Website mit WordPress erstellen“. Erst im Laufe des Workshops entsteht die Erkenntnis, dass es um das Management einer Redaktionsgruppe und die Erprobung von haupt- und ehrenamtlicher Zusammenarbeit in einem neuen Engagementfeld geht.
Insgesamt ist die Technik robust und verträgt auch Experimente der Teilnehmenden im Umgang. Einige kleinere Probleme traten bei der Umgestaltung der Startseiten auf. Die Fehler wurden korrigiert und gingen in die Mustervorlage für die kommenden Workshops ein.
Anglizismen, nicht übersetzte Systemkomponenten und technische Worte stellen eine Hürde dar. Sie kann aber durch Erklärungen und Screenshots überwunden werden.
Aus Sicht der Teilnehmenden kann es zu Problemen kommen, wenn man/frau sich gerade zu Beginn in Details verfängt oder ziellos beginnt die Technik auszuprobieren.
Insgesamt erwarten wir ab Juli 2016 lebendige Quartiersplattformen die mit Herz entwickelt und gepflegt werden.
Weiterentwicklung in der Zukunft
In der zweiten Jahreshälfte 2016 wird ein zweiter Workshop in Schwerte angeboten und das Curriculum noch einmal angewendet. Die Entwicklung der Plattform ist erst einmal abgeschlossen und es werden nur noch technische Updates in die Plattform eingearbeitet.
Es gibt bereits zahlreiche Interessensbekundungen anderer Quartiere in NRW, außerhalb des Förderprogramms des MGEPA. Hier wird überlegt, ob und wie man ggf. das Angebot fortsetzen kann.
Workshop für Interessierte auf der Herbstakademie 2016
Im Rahmen der diesjährigen Herbstakademie des Forum Seniorenarbeit am 5. und 6. Oktober 2016 in Hamminkeln wird ein Workshop für interessierte Quartiersentwickler/innen angeboten in dem Hintergründe beleuchtet und die Erfahrungen mit einem Redaktionsteam anhand eines Praxisbeispiels dargestellt werden.
Lesetipps im Netz
Im Fokus Ausgabe 1/2016 – Digitales Engagement: Für unser Quartier und unsere Nachbarschaft:
forum-seniorenarbeit.de/57ivg
Ausschreibung: Internet-gestützter Workshop zum Aufbau eines Quartiersportals
unser-quartier.de/netzwerk/ausschreibung
Fromm, Jens/Hinz, Ulrike/Wegener,Nora/Weber, Mike. 2014. Digitales Bürgerschaftliches Engagement. Kompetenzzentrum Öffentliche IT/Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS. Berlin.
unser-quartier.de/s2nf