Friedrich Ledermann – Der Braunsfelder Journalist und Fotograf

Der Braunsfelder Journalist und Fotograf Friedrich Ledermann erinnert sich – die Schleyer-Entführung am 5. September 1977

Von Ingrid Westbrock

Er ist ein echter Braunsfelder, geboren im November 1941 im Dreifaltigkeits-Krankenhaus Aachener Straße. Mit viel Glück hat er dort kurz nach der Geburt die Bombennächte überlebt. Seine erste Kamera bekam der junge Friedrich Weihnachten 1955 geschenkt. Es war eine damals überaus beliebte Box-Kamera – wer sich nicht mehr erinnert, das ist eine Kamera für Rollfilme. Seine allerersten Aufnahmen hat er von seinem Großvater August Roth gemacht.

Großvater August Roth
Großvater August Roth, Foto: Friedrich Ledermann
Friederich Ledermann zu Hause
Friedrich Ledermann, Foto: Ingrid Westbrock

Sein Großvater – eine überaus stattliche Erscheinung – war Vizepräsident der Oberpostdirektion Köln. Er war maßgeblich beteiligt am Wiederaufbau des durch den Zweiten Weltkrieg zerstörten Fernsprechnetzes im Köln-Aachener Raum und wurde ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz.

August Roth hatte schon Anfang des vorigen Jahrhunderts, als Braunsfeld noch ein „Feld“ war, die Vision, dass dieser ehemalige Vorort mal ein aufstrebender Stadtteil wird, und den Gebäudekomplex Hermann-Pflaume-Straße 10 und 12 bauen lassen, wo sein Enkel nun schon so lange lebt.

Hermann-Pflaume-Straße Nr. 10 und 12 (heute), Foto: Ingrid Westbrock
Hermann-Pflaume-Straße Nr. 10 und 12 (um 1913), Privatarchiv Friedrich Ledermann

Die Menschen und sein Viertel zu fotografieren, das ist es, was Friedrich Ledermann fasziniert. Da gibt es viele Erinnerungen an das alte Braunsfeld. In seiner Bilddokumentation „Braunsfeld im Spiegel der Zeit“ (Privatarchiv Friedrich Ledermann) hat er mit seiner Kamera ein Stück Stadtgeschichte festgehalten, die es so schon lange nicht mehr gibt, wie beispielsweise das ehemalige Kino LIBRA auf der Aachener Straße (siehe meinen Artikel „Ganz großes Kino – Das LIBRA in Braunsfeld“, hier auf der Homepage:  www.unser-quartier.de/braunsfeld/2018/08/ganz-grosses-kino-das-libra-in-braunsfeld/).

Und hin und wieder greift Friedrich Ledermann auch zur Filmkamera. So hat er beispielsweise die beiden Stadtteilfeste 2018 und 2019 in Braunsfeld dokumentiert oder auch Seniorenfahrten der drei Kirchengemeinden Christi Auferstehung, St. Joseph und St. Pankratius.

Zum Zeitzeugen eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde Friedrich Ledermann im „Deutschen Herbst“ 1977, als die Terrorwelle der Roten Armee Fraktion (RAF) ihren Höhepunkt erreichte. Als Anwohner, wenige hundert Meter vom Tatort der Entführung (Vincenz-Statz-Straße, Ecke Friedrich-Schmidt-Straße) des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entfernt, hat er diese unfassbare Terrortat damals miterlebt. Der Fahrer von Schleyers Wagen und drei Polizisten wurden erschossen. Den unverletzten Arbeitgeberpräsidenten nahmen die Terroristen als Geisel und ermordeten ihn am 18. Oktober 1977.

Der heute 77-jährige Friedrich Ledermann war damals kurze Zeit später vor Ort auf der Friedrich-Schmidt-Straße. Es war der 5. September 1977, ein zunächst wunderbarer Spätsommertag, der so blutig enden sollte.

Zum 40. Jahrestag der Entführung von Hanns Martin Schleyer am 5.9.2017 wurde mit einer Kranzniederlegung am Tatort der Opfer gedacht. Neben Angehörigen waren auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Staatssekretär im NRW-Innenministerium, Jürgen Mathies, und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker anwesend.

Gedenkfeier für die Opfer der Schleyer-Entführung, Foto: Friedrich Ledermann
Gedenkfeier für die Opfer der Schleyer-Entführung, Foto: Friedrich Ledermann

Anlässlich der Gedenkfeier für die Opfer sagte Friedrich Ledermann in einem Fernsehinterview (RTL West): „Ich war sprachlos, das war wie im Film. Man hat die Leichen die ganze Nacht liegen lassen und hat sie nicht abgedeckt wegen der Spurensicherung und aus kriminaltechnischen Gründen. Die Polizei war wie gelähmt, die wusste gar nicht was machen wir jetzt, wo setzen wir jetzt an und wo können wir fahnden.“ Noch heute bekommt er eine Gänsehaut, wenn er an den Terrorakt zurückdenkt, der das vordem ruhige Braunsfeld in den Blickpunkt der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit rückte.

Friedrich Ledermann erinnert sich: „Als ich nach den ersten schockierenden Eindrücken vom Tatort nach Hause kam, erzählte mir meine Mutter, die gerade bei der Gartenarbeit war, sie hätte die Schusssalven der Attentäter gehört. Unterdessen fuhr die Polizei mit Lautsprecherwagen durch die Straßen und bat die Anwohner um Hinweise auf die Täter, die allerdings schon über alle Berge waren. Und damals – vor 42 Jahren – gab es sie schon: die ´Katastrophentouristen´, die mit ihren Autos die Braunsfelder Straßen rund um den Tatort blockierten.“ 

Schon wenige Tage nach Schleyers Tod gab es den Vorschlag, die Vincenz-Statz-Straße umzubenennen in „Schleyer-Marcisz-Straße“, um auch der anderen Opfer zu gedenken. Stellvertretend sollte der Fahrer Schleyers, Heinz Marcisz, mit genannt werden. Inzwischen wurde in der Nähe des Tatorts der Entführung am Stadtwald auf der Friedrich-Schmidt-Straße eine kleine Gedenkstätte errichtet.

Kurze Zeit später gab es einen neuen Vorschlag zur Umbenennung der Friedrich-Schmidt-Straße vom damaligen Bezirksvertreter Bausinger. „Hiergegen regte sich der Widerstand der Anwohner, der vom Namensarchiv der Stadt Köln unterstützt wurde. Eine Umbenennung sei zu teuer und deshalb den Anwohnern nicht zuzumuten. Auch ein Kompromissvorschlag der CDU vom 25.10.1978, nur ein Teilstück umzubenennen, stieß auf Widerstand, weil ebenfalls zu teuer, da die Anwohner dann auch noch neue Hausnummern benötigten. Ebenfalls keine Mehrheit fand der Vorschlag der Anwohner, doch einfach die Gedenkstelle auszubauen. Nach langem Hin und Her wurde am 30.03.1979 die Angelegenheit von Verwaltungsseite auf Eis gelegt. Dabei ist es bis heute geblieben“, so Max-Leo Schwering in seinem Standardwerk „Köln: Braunsfeld – Melaten“, Köln 2004.

Friedrich Ledermann hat ein abwechslungsreiches Leben verbracht. Dabei spielten die Kamera und früher die Schreibmaschine immer eine große Rolle. Unmengen von Büchern, Tondokumenten, Zeitschriften und Kameras stapeln sich in seinem Arbeitszimmer. Er hat keine Ausbildung als Fotograf, aber in den 70er Jahren ein Volontariat im Kölner Bachem Verlag absolviert und war danach für viele Jahre in verschiedenen Verlagen tätig. Reisereportagen waren immer seine große Leidenschaft. Besondere Erinnerungen hat er an seine Reportage über die Transsibirische Eisenbahn.

Zeitungsausschnitt, Foto: Privatarchiv Friedrich Ledermann

Sein damaliger Chef der Zeitung „Aktiv“ aus dem Verlag des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln machte ihm zum 50. Geburtstag ein besonderes Geschenk, wie er stolz erzählt. „Herr Ledermann, haben Sie nicht einmal Lust eine große Reise zu machen? Ja, habe ich ihm gesagt, ich möchte gerne mal mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren. Da hat er gesagt, okay, das machen Sie unter einer Bedingung: „Sie müssen das in Ihrem Urlaub machen und dann eine Reportage in unserer Zeitung darüber schreiben“. Natürlich hat Friedrich Ledermann das ungewöhnliche Angebot angenommen und es sollten später noch viele weitere Reportagen folgen.

Copyright Fotos: Friedrich Ledermann und Ingrid Westbrock