Das Matthias Strucken Trio im ZeitGeist: Jazz als „Storytelling“

Ein wesentliches Element von Musik, das sie von anderen Kunstformen unterscheidet, ist, dass sie immer auch eine Geschichte erzählt, und um diese Art des Storytelling ging es bei dem Konzert letzte Woche im ZeitGeist in ganz besonderer Weise, denn angekündigt waren „Wayne Shorter Stories“ – das heißt auf dem Programm standen  Kompositionen des erst kürzlich verstorbenen legendären Tenorsaxophonisten Wayne Shorter, einem Wegbereiter des Modern Jazz, der für seine einzigartige Fähigkeit, mit Musik Geschichten zu erzählen, besonders bekannt war. Dabei spielen schon die Titel von Wayne Shorters Kompositionen teilweise auf Außermusikalisches an. Der Titel „Fee Fi Fo Fum“ z.B. erinnert an das bekannte englische Märchen „Jack and the Beanstalk“, in dem ein Junge namens Jack auf seiner Reise zum Mond einem Riesen begegnet, der in Vorfreude auf das ihn erwartende schmackhafte Mahl ausruft: „Fee Fi Fo Fum – I smell the blood of an Englishman!“ Und recht verwunschen hörten sich auch die harmonischen Wendungen dieses Shorter-Songs an, der von dem Trio um den Vibraphonisten Matthias Strucken zu neuem Leben erweckt wurde.  Auch die anderen Shorter-Songs, die im ZeitGeist erklangen, wie z.B. „Black Nile“, „Mahjong“ oder „Infant Eyes“ sind allesamt Kompositionen, die aus komplexen musikalischen Strukturen bestehen aber dennoch für das Publikum zugänglich und emotional ansprechend sind – vorausgesetzt, sie werden von exzellenten Musikerinnen und Musikern vorgetragen – was zum Glück wieder einmal der Fall war:

Matthias Strucken, der dankenswerterweise kurzfristig für den erkrankten Vibraphonisten Tom Lorenz eingesprungen war, entlockte seinem Vibraphon zauberhafte Klangwelten, die je nach Bedarf noch mit dem berühmten Tremolo-Effekt, dem ja das Vibraphon seinen Namen verdankt (Vibra-phon = bebender Klang!) „angefettet“ wurden. Manchmal fegte Strucken aber auch so rasand schnelll mit bis zu sechs Schlegeln gleichzeitig über die Metallplatten, dass das Auge des Betrachters kaum zu folgen vermochte. Die Tenor-Saxophonistin Christine Corvisier überzeugte durch ihre ausgereifte Spieltechnik, die alle Facetten der Klanggebung von schrill bis vibrierend zuließ. Für einen steten und zuverlässigen Groove sorgte der Kontrabassist Volker Heinze, etwa bei dem Song  „Mahjong“, in dem spontan zwischen binären und ternären Swing – Rhythmen gewechselt wird. Volker Heinze konnte aber auch in seinen ausgereiften Soli ganz entspannt laid back spielen.

Nicht verschwiegen werden sollte, dass entgegen der Ankündigung außer Wayne-Shorter- Kompositionen auch noch andere Kompositionen auf dem Programm standen, die eher dem traditionellen Jazz zuzuordnen waren, etwa der Song „The Preacher“ des Pianisten Horace Silver oder der Song „Sweet Emma“ des Trompeters Nat Adderley, der der Sängerin und Pianistin Emma Barrett gewidmet ist, die noch mit über achtzig Jahren singend und swingend in New Orleans auf der Bühne stand.

Aber diese bunte Mischung aus Modern und Old-Time Jazz tat der Veranstaltung keinen Abbruch – im Gegenteil: Im Jazz wurden und werden eben Geschichten erzählt –  von den Anfängen in New Orleans bis in die Gegenwart – und das ZeitGeist-Publikum hatte erkennbar große Freude beim Zuhören.

(Martina Zöllner)