Wer hat die leckersten Gurken?

1991 war für mich ein ereignisreiches Jahr.
Die Oberfinanzdirektion sandte mich zum Hauptzollamt Frankfurt (Oder) um eine Bibliothek einzurichten. Das sollte innerhalb einiger Wochen geschehen und es wurden zehn Monate – aber nicht wegen dem Bibliothekaufbau, es gab auch Weiteres zu tun.
Land und Leute, für mich als Kölner besonders die Leute exotische Typen, die ich aber schätzen gelernt habe, interessierten mich sehr. D.h.,  ich fühlte mich, was keinem Rheinländer schwer fällt, sofort heimisch und wurde von den “Eingeborenen,” die zwischenzeitlich meine Freunde wurden, auch akzeptiert.

Auch mingen Erika kam nach Frankfurt, um mit mir einige Tage unseres Urlaubs dort zu verbringen.

In der “Märkischen Oderzeitung” wurde eine lebhafte Leserdiskussion darüber geführt, wer denn die leckersten Gurken habe. Die aus dem Spreewald oder die aus Letschin.

Na, das wollten mingen Erika und ich auch ergründen und fuhren nach Letschin in den Oderbruch. Auf der Fahrt sahen wir “windige” Feldscheunen, in denen Tabakblätter zum Trocknen durch den Wind auf gehangen waren. Der Tabakanbau hat im Oderbruch eine Jahrhunderte alte Tradition. Er wurde im 17 Jahrhundert von den Hugenotten eingeführt. Man sagte uns, dass die exklusiven Kubanischen Zigarren ihre Deckblätter aus dem Oderbruch Tabak erhielten.

Dann erreichten wir Letschin, einem urigen Dorf.

Auf einem Platz war auch ein Lebensmittelladen, ob er noch “Konsument” hieß kann man ruhig annehmen, denn die Letschiner hängen sehr an Vergangenem, wie ich noch schildern werde. Wir suchten in diesem Laden nach den berühmten “Letschiner Gurken.” Was fanden wir? Gurken von “Kuehne” aus Straelen am Niederrhein. Nä, die wollten wir nun überhaupt nicht haben ( nichts gegen die Qualität).

Wat nu?

Wir sahen ein stattliches Wirtshaus mit einem Denkmal von Friedrich II, dem Alten Fritz davor. Übrigens hieß das Wirtshaus “Zum Alten Fritz.” Freundlich wurden wir von dem Wirt empfangen und es begann mit diesem netten Herrn ein erbauliches Gespräch, dass wir bald das Essen und Trinken versäumten.

Also los geht es!

Der berühmteste Bewohner des Dorfes war Theodor Fontane, dessen Vater eine Apotheke besaß. Er schrieb hier u.a. seinen Kriminalroman “Unterm Birnbaum.”

Und nun zum Denkmal des “Alten Fritz!”

1905 wurde das 550 kg wiegende Bronzedenkmal von dankbaren Letschinern dafür gestiftet, dass er veranlasste, dass das ursprünglich sumpfige Land wirtschaftlich zu nutzen war. “Hier habe ich im Frieden eine Provinz erobert,” war der Kommentar des Königs 1761. 1945 sollte das Denkmal verschrottet werden – nur es war nicht da! Man hatte es versteckt. 1986 zur 650 Jahrfeier des Dorfes wurde er aus dem Versteck geholt und wieder aufgerichtet – nur das wurde verboten und das Denkmal sollte wiederum verschrottet werden – und es war wieder verschwunden! Aber 1990 wurde es endgültig aus dem Versteck (eine Scheune und hinter Gurkenfässern)erlöst und wieder aufgerichtet – nur nicht an seinem alten Platz, den hatten zwischenzeitlich die Russen mit einem Roten Stern geschmückt. Sein Platz ist jetzt vor dem Wirtshaus “Zum Alten Fritz” und da gehört es hin.

Und nun zu den ominösen Gurken!

Tja, sagte unser freundlicher Wirt, da müsst ihr – und es folgte eine umständliche Wegbeschreibung, dorthin gehen, da ist die Gurkenfabrik! Ratlos und hilflos taperten wir los, bewunderten die vielen Störche in ihren Nestern und fanden ein nichtssagendes Gebäude, öffneten eine Brettertüre und standen unverhofft vor einigen, nicht nach der neuesten Mode gekleideten Frauen. Ich glaube, sie trugen Gummistiefel, sicher keine Stöckelschuhe. Freundlich wurden wir begrüßt und kauften ihnen einen Eimer “Letschiner Gurken” ab.

In Köln verteilte ich sie freudestrahlend an Nachbarn und Bekannte und bekam zu hören, dass es “Letschiner Gurken” bei dem Discounter Walmart an der Amsterdamer Straße gebe!

Und dafür die Mühe!

Aber diese Tour war erfreulich. Habe gerade noch einmal Letschin und das Gasthaus “Zum Alten Fritz” aufgerufen. Der Gasthof ist mir, nachdem ich seine Speisekarte mit dem angebotenen Oderfisch durchstöberte, noch sympathischer. Und die Letschiner selbst sind wirklich traditionsbewusst und nennen einen Russischen Panzer nach dem Bürgermeister, der dafür sorgte, das ihm ein Denkmal gesetzt wurde “Emil,” dem Vornahmen des Herrn. Natürlich werden auch die Straßennamen weitergeführt, z.B. Karl-Marx-Str., August-Bebel-Str., Edwin- Hoernle-Str. Also Kommunismus pur in einer knapp 4000 Einwohner zählenden Gemeinde.

Äwer dat mäht nix – auch wenn ich im Kohlenkeller noch Schatten werfe, ist einer meiner besten Frankfurter Freunde, sicher noch auf seinem Sterbebett überzeugter Stalinist; ich suche einen netten Menschen, der es auf sich nimmt, mit mir so eine Woche dort zu verbringen!

Herzliche Grüße und ein freundliches Glück auf!

Wolfgang Küppers