Neues aus dem Lesekreis 55 plus

Datum, 25. Februar 2025

Alexas_Fotos / Pixabay

Liebe Lesefreunde,

heute fällt mir die Nachbetrachtung unseres gestrigen Lesetreffens ungewöhnlich schwer. Wir haben – (nicht) ein letztes Mal – unsre Gläser und Tassen auf Hans Becker angehoben und wir haben ein erstes Résumée der Bundestagswahl gezogen.

Die liegt mir allerdings noch schwer im Magen. Auch wenn unser junger BT-Abgeordneter Jan Dieren trotz Vorsprungs in Moers und Neukirchen-Vluyn seinen Wahlkreis nicht wieder direkt holen konnte;  dank der Liste ist er jedoch wieder dabei. Wie auch Kerstin Radomski von der CDU. Und neben der Grünen Ulle Schauws auch der bisher nahezu völlig unbekannte Hauke Finger von der AfD; die hier am Niederrhein und im Ruhrgebiet ungewöhnlich hohe Stimmengewinne eingefahren hat. Was das für die Zukunft und insbesondere die im September anstehenden Kommunalwahlen bedeutet, mag man sich gar nicht vorstellen.

Da ziehen wir uns doch lieber in den Elfenbeinturm der Literatur zurück.

Dort gings auch ziemlich ausländisch, regelwidrig und turbulent zu. Die Vegetarierin von Han Kang rief ganz unterschiedliche Reaktionen bei den Leser*innen hervor – das finde ich übrigens toll, zeugt auch von der Qualität eines Werks, das vielfältige Aspekte, Eindrücke und Empfindungen anregt.  

Doris Lehmann brachte ein weiteres Werk der Nobelpreisträgerin mit: Weiß. In kurzen, ein- bis maximal dreiseitigen Skizzen werden Gefühle, Ahnungen, Erinnerungen und Gedanken beschrieben, eigentlich nur angedeutet, die sich auf weiße Gegenstände beziehen, die Han Kang zu Beginn des Schreibens aufgelistet hat und die sie erzählend abarbeitet. Die euphorische Kritik, die hierin „die ungeheure, formal kühne und zutiefst politische Leistung eines Genies“ erkennt, kann ich nicht teilen. Dafür sind die Beschreibungen zu kurz und nur für die Autorin mit der ganzen Vielfalt von subjektiven innerlichen Assoziationen erlebbar. Der außenstehende Leser braucht mehr „Stoff“, um diese Empfindungen nachvollziehen zu können. Was (mir) bleibt, ist ein diffuses Gefühl von Trauer, die sich aus vorüberziehenden Bildern und Erinnerungsfetzen speist.

Welche Autoren haben wir noch erwähnt?

Da ist einmal der „Altmeister“ Stefan Zweig, der mit seinen biographischen Portraits und fesselnden Erzählungen wie der Schachnovelle tief im Wien der ersten 20. Jahrhunderthälfte verankert ist. Diese lässt er autobiographisch in der Welt von Gestern Revue passieren.

Doris Petermeier ist trotz über 1000 Seiten begeistert von Haruki Murakami’s 1Q 84. Formal dem Aufbau von J. S. Bachs „Wohltemperierten Klavier“ folgend, führt der global beheimatete, seit langem als potentieller Literaturnobelpreisträger gepriesene Japaner zwei Parallelwelten nebeneinander her, um sie im 3. Buch zu vereinigen. Wir erinnerten uns an den bereits nobelpreisausgezeichneten Kazuo Ishiguro, dessen britisches Butlerleben in „Was vom Tage übrig blieb“ uns begeisterte.

Ich warb für die kanadische Kurzgeschichten-Königin Alice Munro, die entgegen meiner Erinnerung doch 2013 mit dem Nobelpreis zu Recht geehrt wurde. Sie starb 92jährig im letzten Jahr. Den Novellenband Zu viel Glück stelle ich Interessenten gerne zur Verfügung.

Als letzten Autor haben wir über Ian McEwan gesprochen. Der 1948 geborene Schriftsteller hat allein 17 Romane geschrieben und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Sein letztes Werk Lektionen trägt teils autobiographische Züge. Ich empfehle ein knapp einstündiges Interview des SRF-Kultur mit dem sympathischen Engländer bei YouTube.

Ich würde mich freuen, wenn wir beim nächsten Lesekreis

am Montag, dem 31. März 2025, um 18:00 Uhr in der Werkstatt

über die hier genannten Autor*innen und ihre Werke sprechen könnten, natürlich auch über andere Wortschöpfer, die Euer Interesse erregt haben.

Vorher treffen sich die meisten von uns

am Mittwoch, dem 26. März 2025 in der

Chagall-Ausstellung der Kunstsammlung K 20 Nordrheinwestfalen am Grabbeplatz 5 in 40213 Düsseldorf.
Gaby Niephaus hat 10 Teilnehmer von uns zur Führung um 11:15 Uhr angemeldet.
Wir fahren in 2 PKW mit je 5 Teilnehmern hier
gegen 10:00 Uhr ab. Wer noch dazu kommen will, ist gerne willkommen, müsste sich selbst eine Karte beim Museum und eine Fahrgelegenheit besorgen.

Ich freue mich auf die Ausstellung und unseren Lesekreis und grüße alle sehr herzlich.

Wolfram Reutlinger