Sicher in der Stadt?

Schnupperfahrstunde mit Fahrlehrer/in für Senioren

Aufgrund der demografischen Entwicklung spielen ältere Menschen eine immer größere Rolle im Straßenverkehr – als Fußgänger, Radfahrer, aber auch als Autofahrer. Wenn ältere Menschen am Lenkrad eines Pkw in einen Unfall verwickelt werden, so tragen sie – nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes von 2024 – in mehr als Zweidrittel der Fälle die Hauptschuld. Senioren sollen häufiger die Vorfahrt missachtet und sich beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren falsch verhalten haben als jüngere Verkehrsteilnehmer.

Der Arbeitskreis Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr des Seniorenbeirats Recklinghausen hatte schon ein Pedelectraining mit dem ADFC auf der Halde Hoheward, ein Kfz-Fahrsicherheits-Training mit der Deutschen Verkehrswacht auf dem Gelände der BoGeStra in Gelsenkirchen vereinbart. Schulungstermine mit der Vestischen sollten Menschen mit Behinderung die Unsicherheit in Bussen nehmen. Jetzt sollte es für Seniorinnen und Senioren mit dem eigenen Wagen richtig in den Verkehr gehen: Schnupper-Fahrt unter fachkundiger Führung erfahrener Fahrlehrer der Fahrschulen Lange und Flögel.

Ältere Menschen profitieren einerseits in manchen kritischen Situationen von ihrem Erfahrungsschatz, andererseits lässt aber auch ihre Reaktion nach, also heißt es: Vorausschauend fahren, bremsbereit sein! Um die Erfahrungen aufzufrischen und evtl. den einen oder anderen hilfreichen Tipp zu erhalten, hat nun der Seniorenbeirat die beiden Fahrschulen angeheuert. Ein Eigenbeitrag von 15,00 € pro Person war fällig, den Rest trägt der Seniorenbeirat.

Der gesamte Vorstand des Seniorenbeirats hat sich vorbildlich angemeldet. Aufgrund persönlicher Ansprache, Werbung auf dieser Homepage und in der RZ haben weitere 27 Personen (Mitglieder des Seniorenbeirats sowie Seniorinnen und Senioren der Stadt Recklinghausen) die 3 Schnuppertermine an den Wochenenden Ende Mai/Anfang Juni wahrgenommen. Einer Teilnehmerin aus Datteln mussten wir leider absagen.

Fahrlehrer Marc Lange begrüßte den Sprecher des AK StUV mit Ehefrau als erste am 18.05. sehr frühmorgens (8:00 Uhr) herzlich an seiner Fahrschule am Kaiserwall. Wir hatten mit einer Stunde (Fahrerwechsel nach ½ Stunde) einen etwas größeren Aktionsradius vor uns. Meine Frau fuhr zügig und fand Zeit genug, auf ihre ehemalige Schule, das frühere Krankenhaus (in dem beide Söhne geboren sind) und deren Schule am Westerholter Weg hinzuweisen. Ein guter Trick, um ihre anfängliche Anspannung abzubauen! Geschwindigkeitsbegrenzung 30 km/h, wo endet sie beim Zusatz Achtung Schule? Marc Langes guter Tip: Auf der anderen Straßenseite ist die entsprechende Schilderkombination von hinten erkennbar. Wo endet sie bei Achtung Baustelle / Achtung Kurve / Achtung Ausfahrt mit dem Zusatz 30 km/h? Am Ende der Baustelle, Kurve oder Ausfahrt! Einparken parallel zum Bürgersteig? Neben dem künftigen Vordermann halten, zügig zurück erst rechts, dann links einschlagen. Das rechte Hinterrad setzt kurz auf dem Bordstein auf – vorsetzen, der Wagen passt vorzüglich und nah am Bordstein in die Lücke. Kommentar vom Fahrlehrer: In der Fahrprüfung hätte der Prüfer den Bordsteinrempler gerügt, aber er könne das zügige Einparken und das Ergebnis nur loben. Noch ein Hinweis: Bei einem Stop-Schild unbedingt deutlich (3 sec.) an der Haltelinie halten (Radfahrer!), dann ggf. noch einmal an der Sichtlinie. An einer Kreuzung (Rechts vor Links, niemand in Sicht!?) nicht zügig fahren, sondern immer bremsbereit sein.

Andere „Senioren-Fahrschüler“ wussten zu berichten: Wie in einer richtigen Fahrstunde wurde geübt: Richtiges Halten am Stop-Schild, Anfahren am Berg, Einparken Wenden. Noch erwähnenswert: Ein Fahrer hielt an, um einer Familie mit Kleinkind auf dem Arm die Straße (ohne Überweg) überqueren zu lassen. Er bedeutete der Familie per Handzeichen, dass er warten werde. In einer Fahrprüfung wäre dieses Verhalten gerügt worden: Nachfolgende und entgegenkommende Fahrer hätten damit nicht rechnen können. Höflichkeit ist keine Verkehrsregel!

Bei der zweiten Tour empfing Fahrlehrerin Christine Brechner die „Seniorenfahrschüler“ herzlich vor der Fahrschule Flögel. Die erste war so begeistert von ihrer Tour, dass sie sich von der jungen Fahrlehrerin mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete. Der zweite merkte besonders an, sie habe mal so nebenher erklärt, welche tollen Funktionen sein BMW X3 habe, er habe es nicht gewusst. Weitere Hinweise: Bei der Einfahrt in einen Kreisverkehr nicht nur den bevorrechtigten Verkehr von links, sondern auch den von rechts einfahrenden Radler beachten.
Besonderen Wert legte sie auf das Bremsen in Notsituationen: ABS müsse deutlich anschlagen.

Über die dritte Tour berichtet Eva-Maria Werth, die Fahrschule Flögel selbst habe sie schon durch die Original-Einrichtung und Reklame aus den 50er Jahren an die eigene Fahrprüfung erinnert. An viele Änderungen und Ergänzungen im Schilderwald habe vor 50 oder 60 Jahren noch keiner gedacht. Sonst hätte man bei der Straßenplanung mehr Platz für Radfahrer vorgesehen und hätte damit das Überholen erleichtert und sicher manches Tempolimit überflüssig gemacht. Heute ist es üblich und richtig, Fahrradstraßen einzurichten und in Wohngebieten, an Schulen, Kindergärten, sozialen Einrichtungen sowie vielen Gefahrenstellen Tempo 30 vorzuschreiben. In Spielstraßen gilt sogar nur 10 km/h, dazu der Tipp der Expertin: Nur im 1. Gang mit Standgas fahren.

Im Gegensatz zu damals ging die sehr kompetente und freundliche Fahrlehrerin Christina Brechner verständlich und auch verständnisvoll auf die Bedürfnisse ihrer älteren Fahrschüler ein. Mit Humor und didaktisch geschickt gelang es ihr, alte und neue Kenntnisse und Erfahrungen zu verbinden.

Fazit: Fahrlehrer und -lehrerin waren mit den Fahrkünsten aller Teilnehmer zufrieden. Freie Fahrt für alle teilnehmenden Ü 60/70/80: Wir dürften weiter am Straßenverkehr teilnehmen. Anfangs mussten viele überredet werden, am Ende waren alle froh über die neu gewonnene Sicherheit. Einige haben sogar angeregt, den Kurs mit Fahrschule zu wiederholen. Fortsetzung im nächsten Jahr??

Text und Fotos Jürgen Herrmann

Fotos:
1. Kurz vor Antritt der ersten Fahrt: Frau Herrmann mit Fahrlehrer Lange

2. Geschafft! Frau Pirk nach der Fahrt zwischen Frau Brechner und Herrn Flögel

Beitragsfoto: Oft gesehen, selten beachtet: 30 kmh vor Schulen!