Quelle: „mobil, das Mitgliedermagazin der Deutschen Rheuma-Liga“, Heft 6/2016 – www.rheuma-liga.de
Der Countdown läuft
Zum 1. Januar 2017 tritt ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff in Kraft. Die wichtigsten Änderungen auf einen Blick.
Pflegegrad statt Pflegestufe
Statt der bisherigen drei Pflegestufen gibt es zukünftig fünf Pflegegrade. Wer bereits 2016 eine Pflegestufe erhalten hat, muss keinen neuen Antrag auf Begutachtung stellen.
Als Faustregel für Pflegebedürftige mit körperlichen Einschränkungen gilt:
Bisherige Pflegestufe +1 = Pflegegrad.
So erhalten beispielsweise Pflegebedürftige der Pflegestufe 1 automatisch den Pflegegrad 2. Wer bislang Pflegestufe 2 hatte, bekommt nun Pflegegrad 3.
Für Pflegebedürftige mit Demenz oder geistigen Einschränkungen gilt die Faustegel:
Bisherige Pflegestufe + 2 = Pflegegrad.
Demenzkranke mit einer Pflegestufe 1 finden sich zukünftig also im Pflegegrad 3 wieder. Demenzkranke mit der bisherigen Pflegestufe 0 erhalten die Leistungen des Pflegegrads 2.
Stellt der Gutachter bei einer Neubegutachtung fest, dass eine geringere oder gar keine Pflegebedürftigkeit (mehr) vorliegt, können Pflegebedürftige auf Wunsch in dem Pflegegrad verbleiben, der mit der Überleitung festgelegt wurde.
Bye-bye Minutenpflege
Herzstück der Reform ist das neue Begutachtungsinstrument. War bisher der Zeitaufwand für die Hilfeleistung ausschlaggebend, ist künftig der Grad der Selbstständigkeit/Fähigkeiten für die Einstufung in einen Pflegegrad maßgeblich. Dabei ermittelt der Gutachter für sechs unterschiedliche Bereiche, wie viel Unterstützung der Betroffene benötigt. Dazu zählen zum Beispiel die Mobilität (etwa Treppensteigen), die Gestaltung des Alltagslebens oder Fragen der Selbstversorgung wie Waschen, Essen und Trinken. Für jeden der sechs Bereiche werden Einzelpunkte, von 0 Punkten (selbstständig) bis 3 Punkte (unselbstständig), vergeben. Als selbstständig gilt auch derjenige, der sich mit einem Hilfsmittel – etwa Rollator – eigenständig bewegen kann.
Neue Pflegeformel
Diese Punkte werden dann nach einer festgelegten Formel in „gewichtete“ Punkte umgerechnet und für jeden Bereich zusammengezählt. Die einzelnen Bereiche werden dabei prozentual unterschiedlich gewichtet. Mit 40 Prozent ist der Bereich der Selbstversorgung am wichtigsten. Die Mobilität wird mit zehn Prozent einbezogen. Für die Einstufung in einen Pflegegrad ist die Gesamtpunktzahl ausschlaggebend. Pflegebedürftig nach dem SGB XI ist, wer mindestens 12,5 Punkte (= Pflegegrad 1) erreicht.
Für Pflegehilfsmittel und/oder Hilfsmittel entfällt künftig der gesonderte Antrag: Der Gutachter spricht die Empfehlung aus und dokumentiert diese. Ist der Pflegebedürftige einverstanden, gilt das als Antrag bei der Pflegekasse.
Gleiches gilt für Maßnahmen der Prävention (Sturzprophylaxe, Ernährungskurse) oder für die medizinische Rehabilitation. Der Gutachter ermittelt den Bedarf und achtet darauf, ob der Pflegebedürftige in der Lage ist, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen und diese erfolgreich abzuschließen.
Geld- oder Sachleistung?
Pflegebedürftige haben nach wie vor einen Anspruch auf häusliche (ambulante), teilstationäre und vollstationäre Pflege. Einige Leistungen der Pflegeversicherung werden allerdings nur für die Pflegegrade 2 bis 5 gewährt (siehe Tabelle).
In der häuslichen Pflege ist weiterhin der Bezug von Pflegegeld, Pflegesachleistung oder einer Kombination aus beiden möglich. Unabhängig von der Pflegestufe steht allen Pflegebedürftigen zusätzlich der sogenannte Entlastungsbetrag von 125 Euro zu. Wer Leistungen der Tages- und Nachtpflege, Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung oder zur Betreuung in Anspruch nimmt, dem erstattet die Pflegekasse die Aufwendungen dafür unter bestimmten Voraussetzungen. Allerdings darf man den Betrag nicht für Hilfeleistungen abrechnen, etwa Unterstützung beim An- oder Ausziehen. Wie bisher übernehmen die Pflegekassen Leistungen zur teilstationären Pflege/Kurzzeitpflege oder der Heimunterbringung.
Sonderfall Kinderpflege
Auch bei der Begutachtung von Kindern kommt das neue Begutachtungsinstrument zum Einsatz. Wie bisher auch, setzt der Gutachter die individuelle Beeinträchtigung der Selbstständigkeit des Kinds in Relation zur altersgemäßen Entwicklung. Für Kinder bis zum 18. Monat gelten allerdings Sonderregelungen: So erhalten sie automatisch einen höheren Pflegegrad, als der Gutachter feststellt. Das soll dazu beitragen, Mehrfachbegutachtungen in den ersten Lebensmonaten zu vermeiden.
Sabine Eis, Referentin für Gesundheits- und Sozialpolitik, Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband.
So viel Geld erhalten Pflegebedürftige ab 2017
Pflegegrad | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
ambulant | |||||
Geldleistung | 316 Euro | 545 Euro | 728 Euro | 901 Euro | |
Sachleistung | 689 Euro | 1298 Euro | 1612 Euro | 1995 Euro | |
Entlastungsbetrag | 125 Euro | 125 Euro | 125 Euro | 125 Euro | 125 Euro |
teilstationär | 689 Euro | 1298 Euro | 1612 Euro | 1995 Euro | |
vollstationär | 125 Euro | 770 Euro | 1262 Euro | 1775 Euro | 2005 Euro |
Kurzzeitpflege (jährlich) | 1612 Euro | 1612 Euro | 1612 Euro | 1612 Euro | |
Verhinderungs- pflege (jährlich) | 1612 Euro | 1612 Euro | 1612 Euro | 1612 Euro |
Pflegegrad | Beeinträchtigung der Selbstständigkeit / Fähigkeiten | Gesamtpunktzahl |
1 | Gering | 12,5 bis > 27 |
2 | Erheblich | 27 bis > 47,5 |
3 | Schwer | 47,5 bis >70 |
4 | Schwerst | 70 bis > 90 |
5 | Schwerst, mit besonderen Anforderungen an die Pflege | 90 bis > 100 |
- Bilder Geisbruchtreff „2023“ - 28. August 2023
- Aktuelle Termine - 30. Dezember 2022
- Bilder Geisbruchtreff „2022“ - 30. August 2022