Die Pe-is-Kirmes

Foto: Mike Macke

Die Innenstadt von Mülheim glich nach dem stärksten Bombenangriff in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 einem Ruinenfeld. Viele Straßenzüge lagen in Schutt und Asche

Über Jahre hinweg entsprach die heutige Durchgangsstraße, die Leineweberstraße, einem breiteren Feldweg mit zahlreichen Schlaglöchern. Und in den Jahren 1950 bis 1952 organisierten die Heimatvereine, allen voran die Bürgergesellschaft Mausefalle, hier, wie auch zwischen den Trümmerhäusern der Altstadt, zu Pfingsten die Pfingstkirmes, die so genannte „Pe-is-Kirmes“  (Mölmsch-Platt),  die mit dazu beitragen sollte, Mittel für den Aufbau des durch Bomben zerstörten Umfeldes zu gewinnen. Rund um den Kirchenhügel  wurde jedes Trümmergrundstück ausgenutzt, um Buden und Karussells aufzubauen.

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Flüchtlingskinder waren meine Freundinnen

Wir schrieben das Jahr 1944, mitten im 2. Weltkrieg. Die Bombenangriffe auf Essen fielen in immer kürzeren Zeitabständen, da brachten mich meine Eltern, weil ich ständig erkältet war und oft Mandelentzündungen hatte, zu Pflegeeltern nach Schoningen im Solling am Harz.

In dem Dorf gab es Gott sei Dank kein Hin-und-her-Gezerre mehr zwischen Kinderbett, Bunker oder Luftschutzkeller. Meine Mutter sah ich allerdings nur noch für einige Tage im Monat und meinen Vater nur einmal im Jahr, wenn er Urlaub hatte. Aber meine Pflegeeltern waren gut zu mir, da hatte ich Glück.

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Warum erst jetzt?

Foto: The British Library

Herr W.: Ich habe auch noch etwas zu erzählen, aber es wird nicht mehr danach gefragt. Ich glaube überhaupt, dass jetzt erst durchkommt, dass sich Leute dafür interessieren, wie es unserer Generation ging. Denn in den letzten 60, 65 Jahren hat sich ja nichts abgespielt. 

Frau F: Da hat ja keiner darüber gesprochen.

Herr W.: Nun ja, warum? – Weil es uns gut ging.

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Ein Koffer der Erinnerung an die Kinderzeit

cropped-I.-Franken_Koffer_b.jpgNun ist der Koffer gepackt mit Dingen, von denen ich mich in all den Jahren nicht trennen konnte, weil sie mir sehr am Herzen liegen. Das Prunkstück:  die Baby-Puppe, aber auch das winzige Steiff-Bärchen mit dem Knopf im Ohr und das abgewetzte Kuscheltier-Kätzchen.

Meine heiß geliebten Jennifer-Bücher dürfen auch nicht darin fehlen. Diese vier Bände waren auf meinem Wunschzettel zum Weihnachtsfest und Geburtstag.

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Einmarsch der Amerikaner

… in ein kleines Dorf im Solling am Harz 1945

Schoningen_1944_MitteWir schrieben inzwischen das Jahr 1945. Ich war 7 Jahre alt und schon länger als ein Jahr bei meinen Pflegeeltern in Schoningen. Von Bombardierungen blieben wir weiterhin verschont, aber von Flüchtlingsströmen nicht.

Zunächst flüchteten deutsche Soldaten vor den Amerikanern, die in unserem Dorf Zwischenstation machten und dabei um Übernachtung und etwas zu essen baten. Einen Soldaten nahmen auch meine Pflegeeltern auf. Ich kann mich erinnern, dass er nur kurze Zeit blieb. An einem Tag musste er ins Dorf, um etwas zu erledigen entweder für meine Pflegeeltern oder für sich, genau kann ich es nicht mehr sagen, jedenfalls durfte ich mit ihm gehen. Unterwegs sagte er ganz traurig zu mir: „Zu Hause habe ich auch so ein kleines Mädchen wie dich, das auf mich wartet und ihren Papa wieder sehen möchte. Ich hoffe, dass es eines Tages wahr wird“. Ich wünschte es ihm, er war so ein netter Mensch. Jeder sehnte sich zu der Zeit nach irgendeinem Angehörigen. Von meiner Situation wusste er ja auch.

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Die Reise meines Lebens

Mallorca_1960_OriginalBevor ich über die Reise meines Lebens berichte, möchte ich noch erwähnen, wie ich auf die Idee gekommen bin, diese „Reise meines Lebens“  zu machen.

Ich war ca. 20 Jahre alt, also 1958, da habe ich einen Film mit Lilli Palmer und Carlos Thompson im Fernsehen gesehen.  Der Film hieß: „Zwischen Zeit und Ewigkeit“. Er spielte auf Mallorca, und zwar überwiegend in einem Fischerdorf. Die Bilder dieser Landschaft aber auch die Handlung faszinierten mich derart, dass ich den Wunsch hatte, dieser Insel mal einen Besuch abzustatten.

Im Mai/Juni 1960, ich war 22 Jahre alt, war es dann soweit. Es ging ausgerechnet in ein Fischerdorf, also wie im Film beschrieben: Romantik pur! Ich war sehr gespannt auf diese Reise, denn es war ja meine erste große Reise nach Spanien.

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Meine Schulzeit von 1944 bis 1953

Klassenfoto_Kölner_Dom_1952_OriginalWährend des 2. Weltkrieges, März 1944, brachten meine Eltern mich aus gesundheitlichen Gründen in den Solling¹ am Harz zu Pflegeeltern. Zu dem Zeitpunkt war ich noch keine 6 Jahre alt.

Nach den Sommerferien, ich glaube es war September 1944, wurde ich im Solling in einer Dorfschule eingeschult. Wir waren mit 8 Jahrgängen in einer Klasse. Vor uns stand ein 75-jähriger, längst pensionierter Lehrer und teilte uns mit, alle Lehrer auch Junglehrer seien an der Front, und deswegen konnte noch kein Unterricht stattfinden. Das hieß also: Kaum waren wir eingeschult, wurden wir schon wieder ausgeschult. Für uns als die Kleinsten war es eigentlich gar nicht so unangenehm.

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Meine ersten Perlonstrümpfe

oder waren es Nylonstrümpfe?

Wir schrieben das Jahr 1952. Meine Tante wanderte im Frühjahr 1952 mit Mann und Kind (meine Cousine wurde im August 10 Jahre alt) nach Kanada aus. Sie glaubten nicht mehr daran, dass Deutschland aus dem Chaos wieder herauskommen würde.

Ein Jahr später, es war der 22. März 1953, wurde ich konfirmiert. Zur Feier des Tages durfte ich das erste Mal Perlonstrümpfe tragen. Bis dahin habe ich in den Sommermonaten nur Söckchen und Kniestrümpfe getragen.

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Mein Besuch mit der „Kultur im Koffer“

Zur Zeit reise ich mit einem Koffer voller Reise-Erinnerungen und besuche Menschen, die nicht mehr so mobil sind, um mal ins Kino, Theater u.a. zu gehen. Ich versuche mit dem „Kultur-im-Koffer-Projekt“ mit dem Thema „Die Reise meines Lebens“ diesen Menschen etwas Abwechslung in den Alltag zu bringen. Unterstützt wird diese Aktion von der evangelischen Kirchengemeinde Broich-Saarn und dem Leder- und Gerbermuseum in Mülheim an der Ruhr, wo verschiedene Koffer zeitweilig 2013 in einer Ausstellung zu sehen waren.

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Steine klopfen und Taschengeld

Petrikirche nach der Zerstörung 1943
Petrikirche nach der Zerstörung 1943- mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchiv Mülheim a. d. Ruhr

Was heute sozusagen der moderne Begriff Recycling umschreibt, das haben wir schon nach dem Krieg mit Fleiß betrieben. Wir haben in den Trümmergrundstücken Ziegelsteine vom Mörtel befreit. Der Vater eines meiner Kameraden hatte einen Bekannten, der baute schon wieder an seiner Werkstatt.
Jeder kleine Gewerbetreibende versuchte sich ja wieder zu betätigen, um Erwerb zu haben. Der brauchte also laufend Ziegelsteine, da gab für es für einen Ziegelstein 10 Reichspfennig; das war ja noch Reichsmarkzeit vor der Währungsreform.

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