Vor einigen Tagen konnten wir ein Rotkehlchenpaar beobachten,
die mit viel Liebe und großer Hingabe ihren Nachwuchs versorgte und letztlich in die Eigenständigkeit entließ.
An einem Morgen gegen 9.00 Uhr, die Uhrzeit ist wichtig, wie man später sehen wird, entdeckte ich das kleine Rotkehlchen in ihrem Nest.
Zu diesem Zeitpunkt (und auch später) waren wir auf Augenhöhe und bekamen gleichermaßen einen Schreck. Vogelmama, weil ich sie entdeckt hatte und ich weil ich Angst hatte sie zu stören.
Die Schrecksekunde dauert nicht lange und in den darauf folgenden Tagen trafen wir uns jeden Morgen um kurz nach 9, sie schaute neugierig und blieb friedlich in ihrem Nest. Die Anzahl der Eier war mir unbekannt. An einem sonnigen Morgen war Mama nicht zu Hause und ich konnte ein Bildchen Ihrer Brut „schießen“.Gerade eben geschlüpft, noch benommen von der Anstrengung des „aus dem Ei klettern“.
Bereits am nächsten Morgen, wir hatten uns inzwischen auf die 9.oo Uhr Regel verständigt. Mama flog auf Futtersuche, ich machte mein tägliches Bildchen.
Die Kleinen reckten ihre Köpfchen in die Höhe und warteten auf Nahrung.
Ein paar Tage später, warteten die Kleinen geduldig auf die Rückkehr der Mama, ich gehörte schon zum täglichen Leben und wurde kaum noch beachtet.
Der Vorwitzigste der kleinen Bande öffnete nicht einmal mehr die Augen wenn ich mein Tagesbildchen machte, der Rest der Brut dämmerte still vor sich hin.
Mit zunehmender Größe der kleinen Piepmätze, wurde das Interesse größer und die
5 Jungen, das hatte ich inzwischen feststellen können, beäugten mich kritisch und aufmerksam.
Dann erlaubte ich mir etwas Ungeheuerliches. Da ich meinen Fototermin nicht eingehalten hatte, versuchte ich diesen am frühen Nachmittag nachzuholen.
Das gefiel der Vogelmutti aber überhaupt nicht, oder sie dachte es wäre ein Fremder am Nest.
Sie flog regelrecht einen Sturmangriff auf mich und griff mich an. Alle Achtung kleiner Vogel, so viel Mut!
Ich zog mich zurück und wurde von Mutti aus der Nähe beobachtet.
Jeden meiner Schritte verfolgte sie argwöhnisch.
Am nächsten Morgen war die Welt wieder in Ordnung, die weiteren Fortschritte des Wachstums konnte ich in Ruhe einfangen.
Allerdings hielt ich mich auch an unsere „Verabredung“, erschien morgens um 9.00 Uhr, Mama war unterwegs.
Die Kleinen wuchsen und wuchsen.
Die Neugierde wurde ebenfalls größer und der kleine Naseweis im Vordergrund wird sicher einmal der Chef.
Er stellte sich immer in die vorderste Reihe.
Das blieb auch so, bis kurz vor dem ultimativ letzten Tag. Mama war wieder einmal unterwegs, ich schäkerte mit den Kleinen und inzwischen wagten sich auch die anderen Köpfchen in meiner Richtung.
Wenn ich gehofft hatte, noch lange mit den Vögeln zu leben, so wurde ich dann doch enttäuscht. Was blieb war ein leeres Nest und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Rotkehlchen –Mama im nächsten Jahr.
Von Burkhard Thom