Winter
Der Winter ist ein rechter Mann,
 kernfest und auf die Dauer;
 sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an
 und scheut nicht Süß noch Sauer.
War je ein Mann gesund, ist er’s;
 er krankt und kränkelt nimmer,
 weiß nichts von Nachtschweiß noch Vapeur und schläft im kalten Zimmer.
Er zieht sein Hemd im Freien an
 und lässt’s vorher nicht wärmen
 und spottet über Fuß und Zahn
 und Kolik in Gedärmen.
Aus Blumen und aus Vogelsang
 weiß er sich nichts zu machen,
 hasst warmen Drang und warmen Klang und alle warmen Sachen.
Doch wenn die Füchse bellen sehr,
 wenn’s Holz im Ofen knittert
 und um den Ofen Knecht und Herr
 die Hände reibt und zittert;
wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht und Teich und Seen krachen, das klingt ihm gut, das hasst er nicht, dann will er sich totlachen.
Sein Schoß von Eis liegt ganz hinaus
 beim Nordpol an dem Strande;
 doch hat er auch ein Sommerhaus
 im lieben Schweizerlande.
Da ist er denn bald dort, bald hier,
 gut Regiment zu führen,
 und wenn er durchzieht stehen wir
 und seh’n ihn an und frieren.
(Matthias Claudius)

