Leben mit der Lyrik
Mein Name ist Lars Röcher. Ich bin am 17.03.1989 in Köln geboren, aber seit je her Bergheimer. Schon seit meiner Kindheit wusste ich, dass ich Handwerker werden wollte. Und ich wurde es auch und machte meinen Maler-Gesellenbrief. Ich werde das nie vergessen, was meine Gesellen und Meister mir beibrachten – auch wenn ich inzwischen eher ein „Mundwerker“ bin und nur noch mit Worten male. „Ich vertrete Bergheim, da es sonst keiner tut“ erfolgreich als Poetry Slammer.
Mein bester Freund nahm mich öfter mit zu sogenannten Poetry Slams, was übersetzt so viel wie Dichterwettstreit heißt. Das Publikum entscheidet über den Erfolg oder Nicht-Erfolg der Poeten. Schon bald packte mich der Ehrgeiz, eigene Texte zu schreiben und besser zu sein als mein Freund. Meinen ersten Auftritt hatte ich 2009 in Hagen. Ich war beruhigt, weil mich dort niemand kannte. Nach dem Auftritt verließ ich sehr erleichtert die Bühne und freute mich über die vielen positiven Rückmeldungen.
Das war schlussendlich der Startschuss für ein Leben mit der Lyrik. Bald schon wurde ich zu Poetry Slams in ganz Deutschland eingeladen und reiste herum mit meinen Gedichten im Gepäck. Ich fragte mich, warum diese unglaubliche Szene immer so weit weg sein muss. Warum war so etwas in anderen Städten möglich und hier in Bergheim kennt diese Wettbewerbe keiner?
Organisator von BergReim
Ich bin einfach mit dem Gedanken ins Medio Bergheim gegangen, etwas ganz Neues aufzubauen. Nach langen Gesprächen hatte ich BM.Cultura und die Stadtbibliothek als Verbündete und wir brachten den ersten Poetry Slam nach Bergheim – den „BergReim“. 2014 gab es bereits die fünfte Ausgabe mit Künstlern aus Bergheim, Kerpen und Köln.
Als erster Slam-Master in Bergheim hatte ich es natürlich nicht einfach, eine solche Veranstaltung mit Profis und Amateuren aufzubauen. Im Freundes- und Familienkreis wurde ich anfangs seltsam angeguckt – ich sollte doch lieber etwas Vernünftiges machen. Aber der Funke war entfacht und ich versuche nicht mehr nur, besser zu sein sondern der ganzen Welt zu zeigen, was ich kann. Teilweise wache ich nachts auf und notiere mir einige Wörter, völlig begeistert von meinen Ideenspielen. Ich schreibe eigentlich in allen Lebenslagen und wurde auch schon in der Berufsschule ermahnt, weil ich im Unterricht an meinen Texten gearbeitet habe. Anfangs herrschte in meinen Texten meistens der Schwarze Humor, inzwischen versuche ich jedes Thema zu bedienen.
Keine Routinen
Mein erstes Programm hieß „The One Man Show” und war eher ernst und nachdenklich. Momentan toure ich mit meinem zweiten Soloprogramm „Die primitive Initiative“ durch Deutschland, das sich mehr durch Geschwindigkeit und Satire auszeichnet. Eine ganz spezielle Herausforderung wird es sein, demnächst in der Kölner Justizvollzugsanstalt aufzutreten. Ich lese bestimmte Texte, die meiner Meinung nach zu einander passen. Dazwischen wird über Aktuelles in der Welt gesprochen oder Fragen über meine Person beantwortet. Ich weiß eigentlich nie was passiert, und so gibt es keine Routinen.
Ich besuche auch Schulen und Jugendzentren, um die Poetry-Szene auch hier bei uns bekannter zu machen. Ich leite Workshops, gründe AGs oder übernehme gelegentlich auch einmal den Deutschunterricht. Nicht schlecht für einen ehemaligen Hauptschüler! Es war eigentlich ein Leben im Zirkus, wir sollten ein (?) paar Kunststückchen lernen und das war‘s. Man wird zwar aufs grobe Schulwesen vorbereitet, aber nicht auf das Leben. Deshalb versuche ich in meinen AG’s genau das zu tun.
Lernen fürs Leben
Das Besondere an der Poesie ist die unglaubliche Vielfältigkeit – man lernt so viel fürs Leben wie Freie Rede, kein Lampenfieber haben, den Wortschatz zu erweitern und vieles mehr. Diese Faszination will ich weitergeben, mal witzig, mal nachdenklich. Das Besondere ist der Nervenkitzel hinter der Bühne und natürlich der Blick durch den Vorhang auf die wartenden Massen. Ich stelle mich meistens in eine Ecke mit dem Gesicht zur Wand und geh noch mal alles durch. Durch erzwungenes Gähnen wird man ein wenig ruhiger.
Über die Jahre habe ich dutzend Slammer kennen gelernt, die einem jederzeit einen Schlafplatz anbieten, falls von einem Wettbewerb nicht mehr zurück nach Hause kommt. Es ist dieses Familiäre vor und hinter der Bühne, was einem Halt gibt und einen auch immer wieder antreibt. Es spielt keine Rolle, ob man auf dem letzten Platz landet oder als Deutscher Meister danach sein Bier aus dem Pokal trinkt. Es gibt unter uns keine Hierarchie – man wird einfach ohne Unterschiede als Künstler anerkannt.
Früher bin ich eher mit gesenktem Blick durch die Welt gelaufen. Heute werde ich in Städten erkannt, die einige hundert Kilometer von Bergheim entfernt sind.
Ich möchte nicht mehr nach meinen Äußerlichkeiten beurteilt werden, sondern durch das was ich tue und denke. Nie endender Ruhm, so wie Johnny Cash, das wär’s doch.