Buchempfehlungen

von Elisabeth Sternberg

Buchempfehlung von Elisabeth Sternberg. Heute: Vicki Baum, Vor Rehen wird gewarnt

Ein lange vergessener Roman einer Autorin, die vor allem durch die Verfilmung ihres Romans „Menschen im Hotel“ (1959) vielen Leserinnen und Lesern bekannt sein dürfte. Der hier vorgestellte Roman erschien 1951 und geriet dann in Vergessenheit. Erst 2020 erschien eine deutsche Neuausgabe im Arche Verlag.

Für den Inhalt zitiere ich die Verlagsbeschreibung: “»Vor Rehen wird gewarnt.« Diesen Satz, den er einmal in einem Wildpark gelesen hat, kann Rechtsanwalt Watts nur jedem entgegnen, der von der zarten und aufopferungsvollen Ann Ambros spricht. Denn so rehäugig Ann auch durchs Leben geht, so rücksichtslos nimmt sie sich, was sie will. Sie verführt den Mann ihrer Schwester, treibt nicht nur San Francisco, sondern auch Wien zur Verzweiflung, sorgt dafür, dass sie stets das Beste bekommt und dass man ihr noch dankbar ist, wenn man ihr das letzte Hemd schenken darf. Vicki Baum erzählt von einer Frau, der man nicht in die Quere kommen will – und deren Bann man sich doch bis zur letzten Seite nicht entziehen kann.“

Als 2020 die Neuausgabe erschien, wurde der Roman als „literarische Wiederentdeckung“ gefeiert und Viola Roggenkamp urteilte „Vicki Baums bester Roman“.

Vicki Baum (1888 – 1960) ist häufig als Vielschreiberin von Unterhaltungsromanen unterschätzt worden. Ihre Bücher wurden von den Nazis verbrannt und als „jüdische Asphaltliteratur“ verfemt. Sie wanderte 1931 nach Kalifornien aus und schrieb nur noch in englischer Sprache.

Jetzt in der kalten Jahreszeit das passendes Buch für lange Leseabende und für Ihr Kopfkino!

Arche Literaturverlag 2020
Taschenbuch 2021, 412 Seiten, Preis 13 €
ISBN: 978-3-7160-4032-4

In der Stadtbibliothek als gebundenes Buch vorhanden.

Buchempfehlung von Elisabeth Sternberg. Heute: Anja Baumheier, Die Erfindung der Sprache

Vielleicht erinnern Sie sich an meine Empfehlung vom Dezember letzten Jahres „Die Wunderkammer der deutschen Sprache“. Heute geht es wieder um die Sprache, aber es ist kein Sachbuch, sondern erzählt von einem etwas merkwürdigen jungen Mann, der auf der Suche nach seinem Vater ist. Nicht nur er ist seltsam, sondern auch die Autorin spart nicht mit sonderbaren Wörtern; vor allem haben es ihr ungewöhnliche Adjektive angetan. Besonders häufig benutzt sie diese für Wortschöpfungen wie „möhrenroter Schopf, hoffnungsgrüner Sessel, gipsweiße Schaumkronen, einsteingraues Sakko“ u.a.m. Sein Vater entwickelt so abstruse Geräte wie einen „MuFuStra“: ein „Multifunktionsstrampler“ für den kleinen Adam, unseren Protagonisten.

Dieser wird in seinem Leben begleitet von einem sprechenden Koffer, und in seinem Kopf erhält er Hinweise und Fragen durch eine „neongelbe Leuchtreklametafel“. Er ist ein etwas unbeholfener, aber sehr kluger junger Mann, ein Sonderling, dem die Zahl 7 für seine innere Stabilität notwendig ist. Systematische Ordnung und methodische Struktur geben ihm inneren Halt für eine überschaubare Welt.

Ein leicht lesbares, spannendes Buch mit ungewöhnlichem Personal und Absonderlichkeiten. Man lasse sich nicht abschrecken von wenigen wissenschaftlichen Einlassungen – die kann man auch leicht überlesen.

Also eine herzliche Empfehlung – vielleicht noch für die Weihnachtszeit, um Adam auf der Suche nach seinem Vater zu begleiten!

Kindler / Rowohlt Verlag 2021, 492 Seiten, Preis: 20 €
ISBN: 978-3-463-00023-7

In der Stadtbibliothek vorhanden

Buchempfehlung von Elisabeth Sternberg. Heute: Christine Brückner, Wenn du geredet hättest, Desdemona

Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen

Gestern am 25.11.2022 war der „Internationale Tag für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“, vielleicht haben Sie in den Medien davon gehört. Ein trauriges Thema, und es gibt leider immer noch viele, zu viele betroffene Frauen!

In meiner Buchempfehlung von heute geht es um eine andere Art von „Gewalt“: Frauen erheben gewaltig ihre Stimmen, sie lassen ‘raus, was in ihnen rumort und nach draußen drängt. Ja, wenn es denn in der Realität so gewesen wäre – Christine Brückner (1921 – 1996) hat Reden aufgeschrieben, die nie gehalten worden sind. Es sind fiktive Monologe aus Mythologie, Literatur und Geschichte, von Klytämnestra über Christiane Vulpius/von Goethe bis zu RAF-Mitglied Gudrun Ensslin.

Das Buch ist schon 1983 erschienen und wurde zu einem modernen Klassiker, auf über 100 Bühnen inszeniert und vielen von Ihnen sicher bekannt. Holen Sie es aus dem Schlaf im Bücherregal wieder hervor und lesen Sie es erneut, es ermutigt und regt vielleicht an, auch einmal so eine Rede halten zu wollen!

Genau das ist vielfach geschehen, denn in diesem Jahr hatte zum zweiten Mal die Stiftung Brückner-Kühner (Kühner war ihr Mann) und der Verlag S. Fischer Frauen dazu aufgerufen, ungehaltene Reden zu halten. Anlass zur ersten Veranstaltung war im vorigen Jahr der 100. Geburtstag am 10.12.1921. Aus ca.100 Einsendungen wurden 6 Reden ausgewählt, die am Samstag, 10.12.22 im Kasseler Rathaus (Brückner lebte zuletzt in Kassel) vor Publikum gehalten werden. Falls Sie sich dafür interessieren: auf der Internet-Seite „ungehalten.net“ erfahren Sie mehr darüber.

Interessant ist auch ein Interview vom letzten Jahr mit einer Initiatorin der Ausschreibung vom Fischer Verlag, nachzuhören auf „deutschlandfunk.de“

Nehmen Sie das Buch und lassen Sie sich inspirieren zu Ihrer eigenen Rede!

Ullstein-Taschenbuch mit Zeichnungen von Horst Janssen 2021

ISBN: 978-3-548-29171-0, Preis: 11,99 €

Gebundene Ausgabe: Hoffmann & Campe 2017, ISBN: 978-3-455-00022-1, Preis: 18 €

Buchempfehlung von Elisabeth Sternberg. Heute: Kerstin Preiwuß, Das Komma und das Und

Untertitel: Eine Liebeserklärung an die Sprache. Mit Illustrationen von Pauline Altmann

Meine Buchempfehlung ist diesmal etwas ungewöhnlich – es geht um die kleinen Wörter und Satzzeichen, die wir meistens ohne viel nachzudenken benutzen, die aber oft den Inhalt eines Satzes total verändern können. Die alphabetische Auflistung reicht von A wie „Ab“ über „Nicht“ bis „Zu“, oder über den Gebrauch der Satzzeichen wie den Bindestrich oder das Komma.

Die kleinen Wörter haben ihre Funktion und erfüllen sie auch… sie regen zur Bedeutung an und halten das Gespräch und gegenseitige Verständnis am Laufen. Sie sind die Scharniere, mit deren Hilfe wir unsere bedeutungstragenden Wörter flüssig miteinander verbinden, sodass Sinn entsteht… Darüber hinaus beeinflussen sie das Gesprächsklima, wenn neben der eigentlichen Bedeutung eine Mitbedeutung entsteht. „Es tut mir so leid“ ist nun mal was anderes als „Es tut mir leid“(aus dem Vorwort „Wovon wir reden, wenn wir ‘eigentlich’ sagen”)

Das Büchlein aus dem Duden-Verlag mit seinen kurzen Kapiteln hat eine Menge Erstaunliches zu bieten, und wenn Sie sich für unsere Sprache und ihren Gebrauch interessieren, sollten Sie es sich unbedingt z.B. zur Lektüre auf den Nachttisch legen, es gibt eine Menge Überraschendes zu entdecken bzw. zu erlesen!

Die Autorin ist Lyrikerin und Romanautorin, erhielt mehrere Preise, war Teilnehmerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2014 sowie auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2017.

Ich habe von ihr den Roman „Restwärme“ gelesen, ein Buch über Heimat und Kindheitserinnerung in der ehemaligen DDR nahe Rostock. Keine lockere, einfache Lektüre, aber lohnenswert!

Duden Verlag, Bibliogr. Institut 2019, 175 Seiten

ISBN: 978-3-411-74842-6, Preis: 15 €

In der Stadtbibliothek vorhanden

Buchempfehlung von Elisabeth Sternberg. Heute: Johan Bargum, Nachsommer

Thema: Konflikt unter zwei ungleichen Brüdern. Ein schmales Buch, das sehr viel zwischen den Zeilen erzählt. Der Autor hätte das Thema zu einem umfangreichen Roman machen können, aber gerade sein verknappter Stil trägt zum intensiven Leseeindruck bei.

Zwei Brüder, die sich fremd geworden sind, treffen sich am Sterbebett ihrer Mutter, und es kommt zur Sprache, was vergessen, verdrängt und geleugnet wurde.

„Mit behutsamem Strich zeichnet Johan Bargum das Porträt einer Familie und lotet das Verhältnis zweier Brüder aus, die sich gegenseitig fremd geworden sind. ›Nachsommer‹ ist ein leises Buch, das doch lange nachhallt, melancholisch und gleichzeitig voller Witz, abgründig und ebenso lebensbejahend.“ (DuMont Verlagsangabe)

Eine psychologisch fein ausgeleuchtete Familiengeschichte, in der es um die Zusammenkunft zweier ungleicher Brüder und einen Minderwertigkeitskomplex geht. Die latente Aggression des einen sorgt für Spannung innerhalb des sonst stillen Geschehens.“ (FAZ)

Als Herbst (bzw. Nachsommer-)lektüre ein passender und sehr empfehlenswerter Tipp!

DuMont Taschenbuch, 2. Aufl. 2019, 144 Seiten, ISBN: 978-3-8321-6476-8, Preis: 10 €

In der Stadtbibliothek vorhanden

Der Autor Johan Bargum wurde 1943 in Helsinki geboren. Er gehört zur schwedischsprachigen Minderheit in Finnland.

Buchempfehlung von Elisabeth Sternberg. Heute: Ulla Lachauer, Die blinde Gärtnerin

Das Leben der Magdalena Eglin

Nach der langen Sommerpause Juli/August stelle ich Ihnen heute wieder ein Buch vor – vielleicht warten Sie schon darauf…

Es handelt zwar von der Natur und vom Garten – und insofern passend zur Jahreszeit, aber Dreh- und Angelpunkt ist Magdalena Eglin, deren Lebensgeschichte Ulla Lachauer sehr lebendig aufgeschrieben hat.

Ich zitiere hier den Text des Rowohlt-Verlags: Magdalena Eglin, Jahrgang 1933, hat von Geburt an schwache Augen – im Laufe ihres Lebens wird sie völlig erblinden. Aber ihre anderen Sinne sind umso mehr geschärft, und sie lernt es, sich in der Welt zu orientieren. Zum Lebenselixier werden ihr die Natur und der eigene Garten, und an der Seite eines Lehrers findet sie ihr privates Glück. Ein ungewöhnliches Buch über die Geschichte einer Außenseiterin und über das Sehen – poetisch und anrührend zugleich. «Ein sprachmächtiger literarischer Lebensroman.» (Literaturblatt) «Frisch, lebendig, oft mit einer Prise Humor, aber auch nachdenklich und intensiv.» (NDR)“

Ich habe das Buch sehr gern gelesen und kann dieser Beschreibung nur beipflichten!

Rowohlt TB 2013, (4. Aufl. 2020), ISBN: 978-3-499-62728-6 , Preis: 12 €

In der Stadtbibliothek leider nicht vorhanden.

(Übrigens: sollten Sie es kennen und sich über den Titel wundern – die erste Auflage 2011 erschien als gebundenes Buch unter dem Titel: „Magdalenas Blau – Das Leben einer blinden Gärtnerin“)

„Ulla Lachauer, geboren 1951 in Ahlen/Westfalen, lebt in Lüneburg. Sie arbeitet als freie Journalistin und Dokumentarfilmerin. Von ihr sind erschienen: “Die Brücke von Tilsit” (1994), “Paradiesstraße” (1996), “Ostpreußische Lebensläufe” (1998), “Ritas Leute” (2002), “Der Akazienkavalier” (2008) und “Die blinde Gärtnerin” (2011), alle bei Rowohlt.“

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