Vor zwei Wochen feierte meine Nachbarin Geburtstag – 87 Jahre ist sie geworden.
Um seiner Frau einen schönen Tag zu schenken, hatte ihr Ehemann die gemeinsame Enkelin und deren Lebensgefährten sowie den Enkel zu einer Feier in ein luxuriöses Hotel in der Nähe des Wohnortes der Enkel eingeladen. Für seine Ehefrau und sich war zudem eine Übernachtung in diesem Hotel gebucht.
Wie mir mein Nachbar im Nachhinein berichtete, war es eine rundum gelungene Feier, in deren Verlauf sehr zur Freude der Enkel natürlich auch in Erinnerungen gekramt wurde. Eine der Geschichten gab mein Nachbar zu meiner Erheiterung noch einmal preis.
„Du weißt doch, dass ich sehr ängstlich bin“, begann er. In der Tat hat er dies des öfteren erwähnt, aber ich konnte es nie so recht glauben. Immerhin ist mein Nachbar etwa 1,85 m groß und tritt immer sehr couragiert auf. Ich beantwortete seine Frage trotzdem mit „Ja“, und so fuhr er mit seinem Bericht fort.
„Vor etlichen Jahren verbrachten meine Frau und ich einen Urlaub in Rio. Wir wohnten dort in einem wunderbaren Hotel, das einen gläsernen Aufzug hatte. Eines Tages blieb der Aufzug stecken. Wir sahen um uns herum lediglich Mauersteine und mir wurde etwas mulmig“, berichtete er.
Mein Nachbar drückte also den Notrufknopf, erhielt jedoch zunächst keine Antwort. Daraufhin betätigte er nach eigener Aussage hektisch sämtliche Knöpfe. Wieder tat sich nichts. Seine Frau behielt die Ruhe und versuchte noch einmal, mittels des Notrufknopfes eine Verbindung herzustellen. Endlich meldete sich eine Stimme, die um etwas Geduld bat. Nach kurzer Zeit setzte sich der Aufzug langsam wieder in Bewegung und hielt in der nächsten Etage an.
„Als die Aufzugtür sich öffnete“, erzählte mein Nachbar, „kannte ich nur einen Gedanken: nichts wie raus hier! Ich bin aus dem Aufzug gehechtet und durch den nächsten Flur gerannt. Meine Frau hatte ich in diesem Moment total vergessen.
Erst am Ende des Flures fiel mir auf, dass meine Frau nicht hinter mir war.“
„Ja“, lachte seine Frau, „seine überstürzte Flucht hatte mich total überrascht, so dass ich, als er langsam wieder zurückkam, immer noch wie versteinert im Aufzug stand und nicht wusste, was ich von dem Ganzen halten soll.“
von Christa Commer