Die Küche meiner Kindheit …

 

Die Küche meiner Kindheit

Wenn ich an unsere Küche denke, höre ich den Wasserkessel summen. Es war immer heißes Wasser vorrätig,zumindest im Winter. Wenn der große silberne Ofen brannte,stand immer etwas auf dem Herd. Manche Gerichte standen stundenlang und garten vor sich hin. Der Sonntagsbraten,wenn es denn einen gab,wurde Samstag schon angebraten und kam dann in den kühlen Abstellraum.Wenn wir Jugendlichen dann Samstag vom Tanzen in der Nacht nach Hause kamen, war es sehr verlockend,von dem Braten ein Scheibchen abzuschneiden. Aber wir mussten dann auch mit dem Zorn unserer Mutter rechnen. An dem großen Ofen waren Stangen an der Seite, da hingen dann die Handtücher und im Winter unsere nassen Kleider.

In der Küche war immer was los, sie war das Zentrum des Hauses. Da war immer die Mutter und es gab dort meist was zu essen.Wir Kinder spielten im Winter jeden Abend am Küchentisch irgendwelche Spiele,ein Kinderzimmer hatten wir ja nicht. Fernsehen gab es noch nicht,aber ab und zu kam am Radio ein spannendes Hörspiel. Kartenspielen war immer beliebt.

Über dem Herd war ein Loch in der Decke von etwa 20 cm Durchmesser als Luftabzug.Wenn wir Besuch bekamen und wir Kinder raus mussten,schlich ich mich auf dem Dachboden und legte mich mit dem Ohr über das Loch.So habe ich manches Geheimnis der Eltern erfahren. Am Samstag wurde der Waschzuber in die Küche geschleppt,der mit heißem Wasser gefüllt wurde. Wir sechs Kinder kamen da nacheinander rein.Meine Schwester und ich kamen als erste dran,weil wir nicht ganz so dreckig waren wie meine vier Brüder.

Sonntags war der Höhepunkt der Woche. Der Kirchgang war selbstverständlichFleisch gab es nicht allzu oft. An Feiertagen kam ein Huhn oder ein Kaninchen aus eigener Zucht auf dem Tisch. Beim Huhn gab es oft Streit, denn alle wollten wir eine Keule haben,doch ein Huhn hat nun mal nur zwei Beine! Meistens gab es Frikadellen. Mein Vater bekam immer die grösste,die etwas kleinere bekam mein ältester Bruder, der ja schon arbeitete. Wir Kinder bekamen die anderen.

In der Küche hing eine große alte Uhr,die hatte zwei schwere Gewichte. Ich sehe noch wie meine Mutter sie hochzog. Wir Kinder durften diese Uhr nicht berühren. Hinter dem kleinen Türchen der Uhr hatte meine Mutter nämlich immer ein paar wichtige Sachen für sich abgelegt. Den Klang dieser Uhr höre ich heute noch. Dann hing an der Wand eine Kaffeemühle. Wir fühlten uns ziemlich fortschrittlich, dann vorher mussten wir die Mühle zwischen unseren Knien halten und die Bohnen mahlen. Hörte ich die Mühle rattern, wusste ich, jetzt wird es gemütlich, es hatte so etwas Versöhnliches. Mutter macht Kaffee.

Ich konnte schon früh die Reste vom Mittag aufwärmen,denn ich liebte abends etwas Warmes.Vor allem die kalten Kartoffeln waren sehr begehrt. Auf den Duft der Bratkartoffel,kamen auch die anderen und wollten etwas abhaben, doch das reichte nicht für alle, also habe ich sie meistens heimlich gebraten.Beim Mittagessen stand meine Mutter meistens und aß mit dem Teller in der Hand und sah,ob jemand noch etwas haben wollte. Seltsam,dass man das als Kind so akzeptiert hat. Außerdem aß meine Mutter alle Reste, die auf dem Teller liegenblieben auf.Ich weiß nicht, ob das aus Not war oder aus Gewohnheit. Es wurde nichts weggeschmissen.

Ich der Küche war eine braune steinerne Anrichte. Außer spülen und waschen wurden wir Kinder da abends auch gewaschen,Seife und Zahnbürsten standen da bereit.Das dauerte bis wir alle fertig waren.

Auf dem Boden war PVC und darüber lagen Matten aus Kokosfasern. Samstags wurden diese aufgerollt und dann darunter gefegt und gewischt.Die Matten kamen nach draußen auf die Teppichstange und wurden mit dem Mattenklopfer bearbeitet.In der Woche nur so mal drüber gefegt.Im Winter war die Küche der einzige Raum, der geheizt wurde, im Sommer war diese Küche kühl. Schade, dass so viele Gerichte nicht mehr so schmecken wie früher, das stundenlange Ziehen auf dem Herd wäre auch zu teuer.Ja, die Küche kann ich noch hören und riechen.    

 

von M. Dreyer

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