Streitschlichterin und Kummerkasten
Michaela Schüßler
Mein Name ist Michaela Schüßler, ich bin fast 48 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren. Nach dem Abitur habe ich als Bürokauffrau in einem großen Einzelhandelsunternehmen gearbeitet. Als die Kinder dann auf der Welt waren, bin ich zu Hause geblieben, um mich um sie zu kümmern. Mittlerweile gehören noch zwei Hunde und zwei Pferde zu unserem Familienunternehmen. Seit viereinhalb Jahren arbeite ich im katholischen Kindergarten in Büsdorf in der Mittagsbetreuung.
Als meine Tochter 2004 in die Grundschule kam, fragte mich eine der aktiven Schulbusbegleiterinnen, ob ich mir auch vorstellen könnte, ehrenamtlich tätig zu werden und morgens eine Tour mitzufahren. Da mir das Wohl der Kinder am Herzen liegt, habe ich ohne großes Zögern zugestimmt. Wir Neulinge wurden erst einmal durch das Kriminalkommissariat Vorbeugung geschult. Hier lag der Schwerpunkt auf der Deeskalation – das heißt in schwierigen Situationen den Dampf aus dem Kessel nehmen. In Rollenspielen haben wir gelernt, uns selbst und andere im Notfall zu verteidigen und die Ruhe zu bewahren.
Morgens schon Stress
Für viele Kinder ist es schon Stress, morgens mit dem Bus zu fahren. Oftmals führen Aggressionen, volle Busse und Zoff unter den Kindern zu Situationen, in die der Busfahrer nicht eingreifen kann. Er muss ja Bus fahren. Hier kommen wir dann beispielsweise als Streitschlichter zum Zuge.
Eigentlich besteht unsere Aufgabe nur darin, in den Schulbussen mitzufahren. Eingreifen sollen wir nur bei extremen Situationen. Auch das Kontrollieren von Fahrkarten gehört nicht zu unseren Aufgaben. Wir helfen den Kleinsten und achten auf die Einhaltung von Regeln. Oftmals sprechen die Kinder aber auch private oder schulische Probleme an, so dass schnell eine „Vertrauenssituation“ entsteht. Die Kinder erzählen, ob eine Arbeit ansteht, sie gelernt haben oder auch nicht und wie später die Note ausgefallen ist.
Meine schönste Bestätigung habe ich erfahren, wenn die Lehrer morgens an der Bushaltestelle vor der Schule sagten: „Ach, Sie sind im Bus. Dann wird der Vormittag wieder ruhiger“. Somit wurde mir klar, dass allein durch meine Anwesenheit die Kinder insgesamt schon entspannter in der Schule ankamen. Auch der Unterricht verlief dann insgesamt geregelter und störungsfreier.
Motiviert und angesprochen fühlte ich mich auch durch die Aussage der Kinder „Wenn Sie dabei sind, fährt der Busfahrer viel ruhiger und vernünftiger.“ Also fuhr ich häufiger diese Route.
Auch unser ehemaliger Ministerpräsident Jürgen Rüttgers war voll des Lobes. „Dass Sie Ihre Freizeit in dieses besondere Anliegen investieren, ist ebenso erfreulich wie beispielhaft und verdient unser aller Anerkennung“, schrieb er uns.
Leider haben die Eltern unsere Arbeit nicht immer unterstützt. Es gab immer wieder Väter und Mütter, die dachten, wir würden ihre Kinder bevormunden. Manche glaubten doch tatsächlich, dass der Alltag im Schulbus zur Entwicklung beitragen würde. Sie sollten lernen, sich im täglichen Nahkampf auf dem Schulweg allein zu behaupten und nicht in allem Unterstützung bekommen. So viel dann zur Ellenbogengesellschaft.
Vorzeigeprojekt in Bergheim
Ein weiteres Problem bei unseren Busfahrten ist oftmals der Rücktransport. Aufgrund der schlechten Busanbindung auf den Dörfern kommt man morgens zwar zur Schule hin, aber leider nicht mehr zurück. Hier haben wir Schulbusbegleiter dann gegenseitig geholfen und uns im Wechsel abgeholt.
Das kreisweite Vorzeigeprojekt von Polizei, der Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft (REVG) und den Kommunen musste nach elf Jahren aus Nachwuchsmangel leider eingestellt werden. Die Stadt Bergheim war die einzige, die bis zuletzt bei der Stange geblieben ist. Seit 2002 waren bis zu 18 Erwachsenen im Stadtgebiet unterwegs. Allein in Büsdorf waren wir zeitweise zu sechst.
Die Mischung aus Jung und Alt war wichtig, weil sie auch die Besetzung der Busse widerspiegelt. Täglich nutzen rund 3.500 Schüler zwischen sechs und 18 Jahren sowie andere Fahrgäste die Busse des Linienverkehrs. Da sind Konflikte vorprogrammiert.
Im Moment begleitet leider niemand mehr die Bergheimer Schulbusse. Meine Kinder sind schon groß und kommen allein klar – für die anderen tut es mir Leid.
Insgesamt kann ich sagen, dass die Zeit als Schulbusbegleiter für mich sehr schön war. Zu vielen Kindern habe ich heute noch Kontakt.
Ich würde mir wünschen, dass es wieder mehr junge und auch ältere Erwachsene geben würde, die das Projekt „Schulbusbegleiter“ wieder aufleben lassen. Unterstützen und mit Rat und Tat auf ihre Aufgabe vorbereiten würde ich sie auf jeden Fall.