Wer keine Enkel hat, kann sich um die Kinder fremder Eltern kümmern,
von lea sibbel, Artikel aus Kölner Rundschau
Auf dem Spielplatz sieht man andere Omas und Opas mit ihren Enkelkindern spielen. Der Blick auf sie ist nicht ganz ohne Neid: Bei den eigenen Kindern steht kein Nachwuchs ins Haus. Und er wird voraussichtlich auch nicht kommen. Wenn die eigenen Kinder keine Kinder wollen, ist das für die Eltern nicht immer leicht.
Denn viele träumen davon, sich als Großeltern um die nachfolgende Generation kümmern zu können. Die Familienplanung anzusprechen, ist durchaus erlaubt.
Auf das Wie kommt es an: “Die Zielsetzung darf nicht sein, das Kind zu überzeugen oder zu überreden”, sagt Ursula Lenz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO). Stattdessen könne man sagen: “Ich würde mich über Nachwuchs freuen” und: “Ich möchte gerne verstehen, warum ihr euch gegen Kinder entscheidet”.
Die Kinder unter Druck zu setzen oder ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen, weil nun die Großeltern-Träume geplatzt sind, ist falsch: “Das wäre übergriffig”, sagt Lenz. “Das ist eine Entscheidung, die nicht die Eltern treffen”, bestätigt auch Karl Foitzik.
Er ist Vorsitzender im Verein “Großeltern stiften Zukunft” in Nürnberg.
Wollen die Kinder keinen eigenen Nachwuchs, müssen die Eltern damit leben.
Warum der Wunsch, Großeltern zu werden, bei vielen überhaupt so ausgeprägt ist, ist evolutionär begründet, erklärt der Psychologe Horst Heidbrink, der an der Fern-Universität Hagen zu sozialen Beziehungen forscht. “Es ist der mehr oder weniger bewusste Wunsch, dass wir unsere Gene weitergeben.” Aber: “Wir als Menschen sind unserem evolutionären Erbe nicht einfach ausgeliefert”, erklärt Heidbrink. Es hilft, sich von ihm zu distanzieren und sich klar zu machen: Wir müssen unsere Gene nicht selbst weitergeben – dies können auch Verwandte, zum Beispiel Geschwister und deren Kinder für uns tun.
Ein anderer Punkt ist eher metaphysischer Natur: “Die meisten von uns haben den Wunsch, dass mit dem eigenen Tod nicht alles vorbei ist”, erklärt Heidbrink. “Für uns Normalsterbliche sind das, was wir hinterlassen können, unsere Kinder.” Haben die selbst keinen Nachwuchs, kann das Folgen haben: “Da stellt sich irgendwie das Gefühl ein: Ich habe in die Kinder sehr viel investiert – und die führen das gar nicht weiter!”, sagt Heidbrink. So, wie man aber seine eigenen Entscheidungen getroffen hat, als es um die Familienplanung ging, muss man auch den Kindern ihre Entscheidung lassen. Wer sie die Enttäuschung darüber immer wieder spüren lässt, belastet damit nur die Beziehung zu ihnen.
Zum Akzeptieren gehört mitunter auch, die eigenen Pläne für die Phase nach der Erwerbstätigkeit zu ändern: Denn gerade den Ruhestand sehen viele als die Zeit an, die mit Enkelkindern verbracht werden kann.
Soziale Kontakte pflegen
Immerhin bedeutet der Eintritt ins Rentenalter für viele eine gravierende Veränderung, sagt Lenz. “Der Rhythmus zwischen An- und Entspannung entfällt.” Ein Enkelkind hätte dann auch eine tagesstrukturierende Wirkung, mit ihm käme eine gewisse Verbindlichkeit in den Alltag.
Dabei ist man dafür gar nicht abhängig von der Familienplanung der eigenen Kinder. “Ich kann das, was ich mit eigenen Enkelkindern gemacht hätte, vielleicht mit anderen Kindern machen”, sagt Heidbrink. Zum Beispiel, indem man Leihopa oder -oma wird. Dafür muss man den Wunsch, dass es die eigenen Enkel sein sollen, überwinden. “Das ist kein einfacher, aber wenn er gelingt, ein sinnvoller und glückbringender Schritt”, erklärt Lenz. “Es gibt so viele zuwendungsbedürftige Kinder.”
Karl Foitzik betreut das Projekt Wunschgroßeltern beim Verein Großeltern stiften Zukunft. Dort bringt man junge Familien mit Senioren in Kontakt – “dann müssen sie sich selbst testen”, erklärt er. Manchmal passt die Chemie nicht. Alles in allem sind Foitziks Erfahrungen aber positiv: Seit drei Jahren vermittelt der Verein Familien und Wunschgroßeltern, rund 60 gelungene Partnerschaften seien schon entstanden.
Was die Kinder mit ihren Wunschgroßeltern tun, ist ganz unterschiedlich – von Kinobesuchen bis zur Fahrt zum Musikunterricht ist alles dabei. Wichtig ist nur, ganz zu Beginn die Erwartungen abzuklären. So umgeht man auch das Problem, sich zu viel zuzumuten – “um die eigene Freiheit nicht zu sehr einzuschränken”, sagt Lenz.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, als Aupair-Oma oder -Opa noch einmal etwas Zeit im Ausland zu verbringen und dort den Kontakt zwischen den Generationen zu suchen. Dieser Kontakt sei auch deshalb so wichtig, weil er jung halte, sagt Foitzik.
Fit hält aber auch, soziale Kontakte mit Gleichaltrigen zu pflegen: Denn es müssen gar nicht immer Ersatzenkel her, erfüllt sich der Wunsch nach den eigenen nicht. “Da geht es darum, jetzt Aktivitäten zu entwickeln”, erläutert Lenz. “Wichtig ist, neben dem Gefühl, dass man in höherem Alter etwas Sinnvolles tut, dass man soziale Kontakte pflegt und nicht vereinsamt”, fügt Heidbrink hinzu. Ob das nun als Wunschoma bei den Wunschenkeln geschieht oder etwa beim Klönen mit anderen Ehrenamtlichen in der Gemeinde, spielt dafür keine Rolle.
Zugesandt von B.Welter