Neues aus der Nachbarschaft… man lernt nie aus!

Bevor mein Nachbar in den wohlverdienten Ruhestand ging, war er als Leiter einer Bankfiliale tätig. Dort hatte er sich – wie er mir einmal erzählte – stets erfolgreich gegen die Installation eines Computers gewehrt und war stolz auf die alte Schreibmaschine, die seit vielen Jahren auf seinem Schreibtisch stand.

Nachdem mein Nachbar aus dem Berufsleben ausgeschieden war, kaufte er sich zu meiner Verwunderung als erstes einen Computer. Immer wieder löcherte er den Verkäufer und die Nachbarn mit Fragen und ließ sich alles ausführlich erklären.
Obwohl er zwischendurch öfter über die neue Technik schimpfte, blieb er beharrlich bei seinem Ziel, den Computer und dessen Bedienung bis ins Detail kennenzulernen. Dies ist ihm auch mit großem Erfolg gelungen. Vor einiger Zeit fand ich in meinem Briefkasten eine Nachricht des Paket-zustellers, dass er bei meinen Nachbarn ein Päckchen für mich abgegeben habe. Ich klingelte also, die Nachbarin öffnete die Tür und empfing mich mit den Worten: „Gut, dass Du kommst. Helmut hat ein Problem mit dem Computer, vielleicht kannst Du ihm helfen. Er sitzt hinten im Büro.“
Erstaunt ging ich zu ihm.
Als ich das Büro betrat, polterte er auch schon los: „Seit Jahren erledige ich meine Bankgeschäfte am Computer. Immer hat alles einwandfrei funktioniert und nun will er nicht!“ Verzweifelt raufte er sich die Haare. Erklärend fügte er noch hinzu: „Ich hatte telefonisch Karten für eine Veranstaltung bestellt. Heute erhielt ich die Rechnung und wollte jetzt schnell den Rechnungsbetrag überweisen.“

Ich schaute auf den Bildschirm. Soweit ich zunächst erkennen konnte, war das Überweisungsformular korrekt ausgefüllt. Aber dann fiel es mir auf. Er hatte im Feld „Verwendungszweck“ nicht – wie eigentlich üblich und erforderlich – die Kunden- und Rechnungsnummer sowie das Kennwort eingetragen, sondern zu meinem Erstaunen einen Brief geschrieben. „Hiermit übersende ich Ihnen den Rechnungsbetrag für die von mir am Donnerstag letzter Woche telefonisch bestellten Karten für drei Personen und bitte um umgehende Zusendung der Karten an meine Anschrift.“, war dort zu lesen. Aha, alles klar! Ich erklärte ihm also, dass im Feld „Verwendungszweck“ lediglich eine beschränkte Anzahl von Buchstaben und/oder Zahlen möglich sei. Verständnislos schaute er mich an und meinte: „Das kann ja nicht sein, der ganze Text steht doch da.“ Nochmals wies ich darauf hin, dass das System eben aufgrund der eigentlichen Vorgabe diesen langen Text nicht akzeptieren und daher auch nicht – wie von ihm gewünscht – reagieren würde. Er war mit meiner Erklärung jedoch nach wie vor nicht einverstanden. Daraufhin erklärte ich ihm: „Du warst doch bei einer Bank beschäftigt. Stell‘ Dir einmal vor, das Überweisungsformular liegt vor Dir auf dem Schreibtisch. Wenn Du dieses mit der Hand ausgefüllt hast, konntest Du doch auch nicht beliebig viel in die für den Verwendungszweck vorgesehenen Kästchen schreiben. Das ist im Computer ebenso.“ Zunächst schaute er mich wortlos an und meinte dann mit einem Griff zum Telefon entrüstet: „Das geht so nicht! Ich rufe jetzt bei der Bank an; das müssen die sofort ändern!“  Ich kenne meine Nachbarn schon über dreißig Jahre. Daher weiß ich auch, dass mein Nachbar, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, durch nichts und niemanden davon abzubringen ist. Ich ließ ihn also allein und ging zu seiner Frau. Sie erkundigte sich sofort, ob ich ihrem Mann hätte helfen können. Als ich ihr daraufhin alles berichtete, lachte sie und meinte: „Gut, Du hast Dein Bestes getan. Ihm ist einfach nicht zu helfen.“ Während wir noch miteinander sprachen, eilte schnellen Schrittes ihr Mann herbei und belehrte uns folgendermaßen: „Ich habe bei der Bank angerufen und das Problem geschildert. Die haben mir jetzt erklärt, dass in dem Feld ‚Verwendungs-zweck‘ nur die Angabe einer bestimmten Anzahl von Buchstaben und/oder Zahlen möglich ist.“ Der freundliche Hinweis seiner Frau und mir, dass ich ihm genau das doch auch so erklärt hätte, stieß bei ihm auf taube Ohren. Resolut forderte er uns auf, ihn nicht zu unterbrechen. Nachdem er uns anhand von Beispielen noch einmal genauestens „aufgeklärt“ hatte, ging er mit sich und seiner Umwelt zufrieden zu seinem Computer zurück, um den Überweisungsvorgang endlich abzuschließen.

von Christa Commer

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