Tanzen weckt die Lebensgeister …

Das Tanzen weckt die Lebensgeister
Demenzkranke und Betreuer schwoften auf Schloss Paffendorf zu alten Liedern
Von Oliver Tripp

Bergheim-Paffendorf. Als Moderator Stefan Kleinstück seine Gäste zum langsamen Walzer auf die Tanzfläche bittet, bleiben nur wenige auf ihren Stühlen. Zur Stimme Willy Schneiders und seinem wehmütigen Text aus den 1950er Jahren knistert heute zwar kein Staub mehr in der Schallplattenrille, aber es verklären sich die Blicke vieler Männer und Frauen gerührt wie einst: “Man müsste noch mal 20 sein und so verliebt wie damals.”

Später beim Foxtrott aus einer Zeit, als man ihn noch Wange an Wange tanzte, schienen die Gesichter vor Freude zu glühen und beim flugs einberufenen Polka-Lehrgang sind Freude und Gelächter groß. “Haben Sie Ihrem Partner schon gesagt »Schön, dass Du da bist!« und ihn in den Arm genommen?”, forderte Kleinstück die Gäste bisweilen zu Nähe und Berührungen auf.

Zum Ball für Menschen mit Demenzerkrankung hatte Stefan Kleinstück vom Demenz-Service- Zentrum der Region Köln und südliches Rheinland anlässlich der dritten Demenzwoche im Rhein-Erft-Kreis am Montagnachmittag in das Paffendorfer Schloss eingeladen. “Manche Menschen mit Demenz holen beim Tanzen altes Wissen hervor. Männer können manchmal wieder führen. Freude und Geselligkeit stehen im Vordergrund”, erläuterte Kleinstück.

Viele sangen laut mit

Sein Ziel ist, ihnen nach Ausscheiden einer Bergheimer Tanzschule zum Ende letzten Jahres wieder eine Tanzstunde im Monat mit eigens ausgebildeten Tanzlehrern zu ermöglichen. Schon zum Ball am Montag zeigte sich die Tanzschule Belaro zur Zusammenarbeit bereit. Ihre Kinder und Erwachsenen führten rund 100 Gästen einige Tänze vor.

Die hatten Kleinstücks Einladung beherzigt, sich einmal wieder schick zu machen und auszugehen. Schick gemacht hatten sich auch die Teilnehmer und Betreuerinnen der Sindorfer Awo-Tagespflege für Demenzerkrankte. “Ich liebe schöne Feste und bin immer gerne dabei”, zeigte Regina von der Linden begeistert. “Zusammen singen, das bringt Freude.”

Als “Mer schenke dä Ahl e paar Blömcher” erklang, sang auch Agnes Schmitz das Lied aus voller Kehle bis zur letzten Zeile mit: “Denn die ahl Frau Schmitz, die es esu nett!” Sie habe sich gerne der Gruppe der Sindorfer Tagesstätte zum Ball für Demenzkranke angeschlossen, auch wenn es mit dem Tanzen nicht mehr so recht klappe.

Sozialdezernent Christian Nettersheim ließ angesichts der ausgelassenen Runde die vorgefertigte Rede einmal liegen und erzählte lieber von seiner demenzkranken Großmutter, die dem Vergessen zum Trotz alte deutsche Volkslieder bis zur letzten Strophe auswendig wisse. Man erreiche auch bei Demenzkranken, “die sehr verschlossen in sich ruhen”, mit Musik noch Punkte, die von der Demenz kaum betroffen seien, beschrieb Elisabeth Ingenerf-Huber, Leiterin der Abteilung “Pflege und Leben im Alter” in der Kreisverwaltung eigene Erfahrungen aus ihrem Verwandtenkreis.

Dass Gesunde auf manche Wagnisse des Lebens vorbereitet sein können, erlebte der Sozialdezernent bei der Aufforderung zur Polka. Es blieb ihm nichts anderes übrig als die Kollegin Ingenerf-Huber zu bitten: “Da müssen Sie führen, denn Polka kann ich nicht.”
Gesendet von Benita Welter

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