Sagt Euch öfter mal was Nettes
Neulich auf dem Straßenverkehrsamt: Da sitzen wir alle wie die Hühner auf der Stange in dieser endlos langen Stuhlreihe und starren gebannt auf die Anzeige, bis wir aufgerufen werden. Die eine liest oder durchblättert die Zeitung, der andere daddelt, checkt Mails, unterhält sich mit dem Nachbarn – oder telefoniert. Die Flatrate machts möglich – das Handy ist überall dabei.
Nicht immer als stiller Begleiter, sondern als aufdringliches Statement, dass man unabkömmlich und so unglaublich wichtig ist. Die einen laufen wild gestikulierend herum wie der Tiger im Käfig. Die anderen flüstern verschämt und brabbeln leise vor sich hin. Von völlig Fremden erfahren wir, dass Schatzi gerade am Telefon ist, kein Bier mehr im Kühlschrank steht, der Rücken schmerzt oder Herr Müller heute später zur Arbeit kommt.
Und da ist da diese ältere Dame mit der lauten Stimme, die fröhlich herausposaunt, was sie heute Morgen schon alles erledigt hat. Will ich das wissen? Schon zucken die ersten zusammen und unterbrechen für einen Moment ihr Gespräch. Die Stirnfalten werden tiefer, die Augenbrauen erheben sich zum stillen Protest. Das grenzt ja fast schon an Lärmbelästigung! Und dann beendet diese Frau ihr Telefonat mit einem herzlichen und bis in die letzte Ecke durchdringenden: „Ich liebe dich“.
Plötzlich wird es still im Straßenverkehrsamt. Es ist, als ob alle nach Luft schnappen und die Zeit für einen Moment still steht. Die Nummernanzeige ja sowieso. Das geht ja gar nicht, denke ich und fühle mich eins mit den schmerzhaft verzogenen Gesichtern. Kann diese alte Schachtel nicht einfach ihre Klappe halten, wie es sich gehört? Aber im nächsten Moment bin ich es, die zuckt. Ist das nicht schön, seine Umgebung mal völlig zu vergessen und seinen Gefühlen freien Lauf lassen? Sagt man diese drei Worte seinem Liebsten im Alltag nicht viel zu selten?
Schon in der nächsten Sekunde geht es weiter und die Nummerntafel springt um. Ich bin dran. Aber die Liebeserklärung nehme ich mit in den Tag und freue mich irgendwie für die Zwei.
Von Andrea Floß