Eine Liebeserklärung an mein Auto
Seit einem halben Jahr bin ich stolze Besitzerin eines Land Rover Defenders. Letzte Gelegenheit, denn nach 68 Jahren ist 2016 endgültig Schluss mit der Produktion des 4×4-Klassikers. Um es gleich zu sagen: Das Auto ist eine Wucht. Groß. Laut. Einfach gestrickt. Nützlich – wenn man ein Bauer ist oder ein Waldarbeiter. Für diese Klientel ist der unverwüstliche Geländewagen 1946 in England entwickelt worden – „ein Rover für den Farmer, mit dem er überallhin kommt und alles machen kann“. Überall hin? Parkhaus geht schon mal äußerst selten.
Seit er im Herbst 1947 am Strand der Red Wharf Bay im Norden von Wales seine ersten Runden im weichen Sand drehte, hat er sich äußerlich nicht sehr verändert – die „perfekte Maschine um kaputte Länder wieder aufzubauen und fremde zu erforschen.“ Der Welt vorgestellt wurde das robuste Arbeitstier am 30. April 1948 auf der Amsterdam Motor Show – ein zweitüriger offener Pick-Up mit Kastenrahmen-Chassis, 80 Zoll Radstand, Starrachsen vorne und hinten, einer Aluminiumkarosserie und einem 50 PS starken Vierzylinder-Benziner mit 1,6 Liter Hubraum. Bereits im Oktober erscheint der siebensitzige Station Wagon mit geschlossenem Aufbau – mehr Personen- und weniger Nutzfahrzeug, der damals allerdings floppte. Die Welt war noch nicht soweit und konnte mit diesem Urahn des heute so beliebten SUVs wenig anfangen.
Blechkiste mit Charakter
Komfort bietet der kantige Offroader dank seiner ausgeprägten Fortschrittsallergie immer noch herzlich wenig. Bordcomputer? Er hat zumindest einen Lichtschalter und eine Heizung – wenn die auch nur zwei Temperaturen kennt „warm“ oder „kalt“ (das angedeutete breite Spektrum des Drehreglers von Rot nach Blau ist wohl – wie der Land Rover Deutschland selbst vermutet – “britischer Humor”).
Wenn man einsteigt ist das so, also würde man vor einer steilen Bergwand stehen, die man erst mal erklimmen muss. Aber dann offenbart sich ein Überblick, man thront praktisch über den Dingen und ist irgendwie der Zeit enthoben. Zeit sollte man auch mitbringen, denn wirklich schnell ist der Landy nicht unterwegs. Dafür kommt er überall hin, vorausgesetzt man findet überhaupt die Zündung, die sich völlig überraschend links vom Lenkrad versteckt. Airbags? Das ganze Auto ist der Airbag. Er schüttelt seinen Fahrer kräftig durch – besser als jedes Elektrostimulationstraining im Fitnessstudio. Volle Konzentration ist angesagt, die hohe Geräuschkulisse macht ohnehin jedes Gespräch mit dem Beifahrer unmöglich. Einen modernen Spurassistenten braucht er auch nicht: Hin und wieder löst sich ein Steinchen aus den dicken Profilreifen und fliegt mit lautem Knall in den Radkasten. Hallo, wach!
Jetzt geht er also in Rente, der Defender. Land Rover setzt seiner Legende mit einem Bildband und im Internet ein Denkmal: www.defender-momente.de.
Wenn Sie einem dieser aussterbenden Art auf freier Wildbahn begegnen, vergessen Sie bitte nicht zu grüßen.
von Andrea Floß