Ein Vater spricht zu seinem kleinen Sohn:

Ein Vater spricht zu seinem kleinen Sohn:
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“Hör zu, mein Sohn, ich spreche zu dir, während du schläfst, die kleine Faust unter der Wange geballt, die blonden Löckchen auf der feuchten Stirn verklebt. Ich habe mich ganz leise in dein Zimmer geschlichen. Vor einigen Minuten, während ich vor dem Fernseher saß, erfasste mich ein schlechtes Gewissen. Reumütig stehe ich nun vor deinem Bett.
Ich musste daran denken, wie oft ich heute böse war auf dich. Ich habe mit dir geschimpft, weil du heute Morgen nur Katzenwäsche gemacht hast. Beim Frühstück wolltest du lieber ein Nutellabrot essen, statt des Müslis, das ich dir bereit gestellt hatte. Ich war sauer, als du die Milch verschüttet hattest. Ich stellte dich zur Rede, weil du mit schmutzigen Schuhen zum Kindergarten gehen wolltest. Als ich dich dort abgeliefert hatte, hast du dich umgedreht, gewinkt und gerufen: “Auf Wiedersehen Daddy.” Doch ich runzelte die Stirn und sagte: “Halte dich gerade und mach nicht so einen Buckel.”
Am Nachmittag machte ich meinem Ärger Luft, weil dein Kinderzimmer nicht aufgeräumt war. Und weißt du noch, später als ich meine Zeitung las, da kamst du ins Wohnzimmer, ganz schüchtern… in deinen Augen eine Spur von Traurigkeit. “Was willst du?” schnauzte ich dich an, weil ich nicht gestört sein wollte. Du sagtest nichts, stürmtest durchs Zimmer und warfst deine kleinen Arme um meinen Hals und küsstest mich. Kurz nachdem du weggegangen warst, mein Sohn, glitt mir die Zeitung aus den Händen und mein Herz zog sich zusammen. Was war nur aus mir geworden? Vorwürfe und Tadel ohne Ende… Und du bist noch ein kleines Kind. Nicht, dass ich dich nicht liebe – ich habe nur zuviel von dir erwartet und dich nach dem Maßstab meiner eigenen Jahre beurteilt, als ob du schon erwachsen wärst. Dabei ist doch an dir alles gut und schön und echt. Dein kleines Herz ist voller Liebe und das ist alles, was zählt. Ich bin beschämt, mein Sohn und ich werde ab morgen ein besserer Daddy sein. Wir werden Freunde sein und wenn du traurig bist, werde ich mit dir traurig sein und wenn du fröhlich bist, werde ich mit dir lachen. Eher werde ich mir die Zunge abbeißen, als dir nochmal Vorwürfe zu machen. Ich schaue dich an, wie du müde in deinem Bettchen liegst und sehe, dass du noch ein kleines Kind bist.”

von Gertrud Breuer

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