Von Inge Hoek
Es gibt sie , die netten Menschen. Sie erscheinen, wenn man gar nicht mit ihnen rechnet.
Es ist Samstagmittag. Das Treffen mit der Hörspielgruppe ist beendet. Ich sitze müde auf meinem Rollator in der Bahn und sehne mich nach Hause. Die Hälfte ist schon geschafft. Noch ne viertel Stunde, dann hat die Bahn die letzte Station erreicht. Dort wartet mein Mann und packt mich mit samt meinem Rollator ins Auto. Wir fahren los, machen einen kurzen Stopp in einen Fastfood Restaurant, um den größten Hunger zu stillen, dann gehts nach Hause.
So läufts normalerweise. Heute ist es anders.
Die Bahn kommt mit einem Ruck zum Stehen. Glücklichereise saß ich, sonst wäre ich gefallen. Ein Autofahrer hatte die Vorfahrt der Bahn missachtet und Bahn und Auto waren kollidiert. Glücklichereise war niemannd verletzt, aber die Bahn konnte so nicht weiterfahren. Also ertönt die freundliche Durchsage vom Fahrer: “Liebe Fahrgäste. der Zug kann so nicht weiterfahren. Wir bitten Sie die Bahn zu verlassen und bis zur nächsten Haltestlelle zu Fuß weiterzugehen und dort auf die nächste Bahn zu warten. Diese wird in Kürze eintreffen. (Ha Ha :-))
Also noch keinen Feierabend. Kurze SMS an meinen Chauffer, “Komme später wegen eines Unfalls der Straßenbahn.” Also eier ich mit Hilfe einiger Leute mit samt meinem Rollator aus der Straßenbahn und bewege mich zum Bürgersteig. Für Leute wie mich, die nicht so gut zu Fuß sind, ist die nächste Haltestelle ziemlich weit weg.
Ein Engel ohne Flügel
Gerade will ich mich auf den weiten Weg machen und gleichzeitig mein Selbstmitleid genießen, als plötzlich ein Engel vor mir steht. Er war nicht gleich als Engel zu erkennen. Kein weißes Engelsgewand, keine Engelsflügel, keine blonden Löckchen. Mehr ein netter junger Mann, gutaussehend, freundlich lächelnd, ungefähr so alt wie mein Sohn.
Dieser junge Mann spricht mich an. Er meint, er wohnt gegenüber und hat beobachtet, was geschehen ist. Sein Auto steht nicht weit weg, er holt es gern und ob er mich denn zu nächsten Haltestelle fahren darf. Völlig überrascht nehm ich sein Angebot gern an. Im Auto kram ich nach meinem Portmonnaie. Ich will mich erkenntlich zeigen. Entrüstet lehnt er ab, sagt “Gern geschehen”. Er hilft mir noch aus dem Auto und fährt davon.
Der Text ist enstanden im Rahmen des „Herzgeschichten“-Workshops, einem interkulturellen Projekt des Integrationsbüros der Kreisstadt Bergheim und der Fachstelle Älterwerden. Unter der Leitung von Literatur-Expertin Claudia Bambach entwickelten die Autoren an fünf Donnerstagen im März und April 2018 ihre Geschichten und trafen sich am 5. Mai 2018 dann das erste Mal zum Austausch und Kennenlernen.
Auf Wunsch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt es eine Forsetzung: Zunächst einmal sollen die „Herzgeschichten“ gesammelt und gedruckt werden. Für die Veranstaltung „FuNTASTisch“ am 29. Juni 2018 im und um das Bürgerzentrum in Bergheim Süd-West werden die Autoren einen Geschichten-Wald organisieren und Texte der Öffentlichkeit vorstellen.
Mehr Info zum Schreib-Workshop: „Herzgeschichten“