Neues aus der Nachbarschaft …

Gutes Gedächtnis, aber uneinsichtig

Mein Nachbar (82), ein ehemaliger Banker, kann nichts wegwerfen. Egal, ob Kassenbelege aus dem Urlaub oder Kleidungsstücke, aus denen er längst „herausgewachsen“ ist, alles wird aufbewahrt. Seine Frau ist das genaue Gegenteil. Immer, wenn ihr Mann unterwegs ist, nutzt sie deshalb die Gelegenheit, um beispielsweise abgetragene oder zu klein gewordene Kleidungsstücke ihres Mannes „verschwinden“ zu lassen. Noch sehr gut erhaltene Pullover und Jacken sammelt sie in einer Tüte für Bedürftige, die übrige Kleidung wird imKleidercontainer entsorgt. Oft bittet sie um meine Mithilfe. Das heißt, ich bin für die Entsorgung der Tüten zuständig, damit ihr Mann nichts merkt. In der Regel funktioniert diese Vorgehensweise auch einwandfrei

Es ist schon eine Weile her, da saßen meine Nachbarn gemütlich beim Frühstück. Sie, die morgens nicht sehr gesprächig ist, las Zeitung, er schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Plötzlich meinte er zu seiner Frau: „Maria, schau mal, der Mann an der Bushaltestelle hat ja die gleiche Jacke wie ich! Wo ist eigentlich meine Jacke?“  Völlig verdutzt sah seine Frau ihn an. Er hatte seine Jacke bereits seit mindestens drei Jahren nicht vermisst und sie war der Meinung gewesen, er habe sie längst vergessen. „In diese Jacke hast Du doch schon vor ein paar Jahren nicht mehr gepasst“, meinte sie und verdrehte genervt die Augen. „Deshalb habe ich sie aussortiert!“ Dieses Argument konnte und wollte mein Nachbar jedoch nicht gelten lassen und meinte vorwurfsvoll: „Wie konntest Du nur, heute würde sie mir bestimmt wieder passen!“

von Christa Commer

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