Eine Ferien-Geschichte von Christa Wolf
Manchmal frage ich mich, warum ich Jahr für Jahr nach Südfrankreich in Urlaub fahre. Ich nehme die lange Fahrt in ein abgelegenes Tal auf mich, nur um 14 Tage dort zu verbringen. In der Zeit, in der im Garten zu Hause alles oder doch vieles blüht. Wo die Pflanzen meine Fürsorge verlangen. In einer Zeit, in der auch zu Hause das Wetter oft gut ist, und umliegende nahe Landschaften zum Verweilen einladen.
Warum wieder jedes Jahr die Strapaze, bis alles im Auto ist, einpacken, immer etwas vergessen. Immer den Stress, wenn wir nach 10 Stunden Fahrt eigentlich längst am Ziel sein sollten, davon aber immer noch nichts zu sehen ist? Um dann irgendwann doch anzukommen, das Auto auszupacken und schwören es im gesamten Urlaub nicht mehr anzufassen – was angesichts der Tatsache, dass die nächste Einkaufmöglichkeit 12 km entfernt ist, einfach unrealistisch ist.
Dann kommt der nächste Morgen. Es ist noch kühl und der Gedanke schleicht sich ein, ob angesichts der zurückgelassenen Temperaturen zu Hause, die auch noch lange anhalten sollen, ein Urlaub zu Hause nicht sonniger gewesen wäre. Langsam weicht die Morgenkühle und das Bild verändert sich.
Leichter Dunst liegt über dem Tal und hüllt den gegenüberliegenden Berg in geheimnisvolle Unschärfe. Die Bäume und Büsche malen Muster in Grün auf die Leinwand Fels, die Wegschneisen beeindrucken durch ihre Gradlinigkeit. Die nahen Bäume diesseits des Tales fangen das Sonnenlicht mit ihren Blättern ein und lassen sie in der leicht bewegten Luft glitzern. Mittendrin, wie zugeklappte Sonnenschirme, Zypressen, unbewegt, neben silbern schimmernden Olivenbäumen, die das Sonnenlicht zu immer neuen Mustern herausfordern. Wiesen verströmen die Trägheit eines warmen Sommertages. Ihre langen Halme winken bedächtig dem Wind. Die nahen Felsen bekommen langsam Stirn und Nasen und werfen, je nach Stand der Sonne, mäandernde Schatten. Eidechsen huschen über sommerwarme Steine und die Luft ist erfüllt von undefinierbaren Gerüchen, immer ein bisschen an Lavendel erinnernd. Raubvögel ziehen unbeeindruckt ihre Himmelskreise. Vögel, Grillen und Insekten lassen in ihrem Lied Glück ahnen.
Sehnsucht nach mehr
Was macht so ein Tag mit uns, was mit anderen? Ich weiß nicht, was er mit Ihnen macht. Ich weiß, was er mit mir macht. Er weckt die Lust auf Draußensitzen, im Liegestuhl schmökern, Espresso auf der Terrasse trinken und ganz viel Sehnsucht nach mehr davon.
Ich möchte diese Tage einsaugen und auf meine innere Festplatte unlöschbar einbrennen. Ich möchte sie bewahren als Trost und Aufmunterung für trübe Tage.
Ich möchte die Gerüche in kostbaren Flakons konservieren und den Sommer mit mir tragen. Ich möchte die Melodie des Sommers auf einen Rekorder bannen um die Leichtigkeit, die Lebendigkeit und den Frieden des Augenblicks immer bei mir zu haben.
Auch wenn die Natur hier schon mal zu Extremen neigt, und mit ihren beeindruckenden, ängstlichen Naturen vielleicht Furcht einflößenden, Gewittern für Stunden die Stromversorgung lahm legt. Dann ist das nicht, wie zu Hause eine Schlamperei, dann ist das ein Abenteuer. Wenn die Heizung das Ferienhaus nicht wärmt und deshalb der Holzofen angefeuert werden muss, dann ist das gemütlich und wenn wir wegen des Stromausfalls nur im Licht der Kerzen etwas sehen können, nennen wir es romantisch.
Wenn dann der neue Tag erwacht, er ist noch etwas kühl, die Sonne gewinnt erst allmählich ihre Kraft, dann weiß ich warum ich Jahr für Jahr den Stress auf mich nehme.