10 Jahre Leben mit MS – und kein bisschen weise
Von Inge Hoek
Seit über zwei Jahren bin ich jetzt Mitglied des Online-Teams. Ein Aufruf in der Zeitung hat mich auf das Bergheimer Seniorenportal aufmerksam gemacht. Nach einem Schreibworkshop im Rathaus war ich Feuer und Flamme. Ich habe mir fest vorgenommen, die Redaktion nach Kräften zu unterstützen – aber das fällt mir nicht immer so leicht.
Wegen einer Nervenerkrankung bin ich seit einigen Jahren Frührentnerin. Vor zehn Jahren brach die Multiple Sklerose bei mir aus und ich musste lernen, damit zu leben. Weisheiten dazu kann ich nicht liefern. Der Kopf will’s einfach nicht begreifen, dass der Körper nicht mehr kann. Ich habe gelernt, man muss auf seinen Körper hören, aber es fällt verdammt schwer.
Ich komme aus Büsdorf, bin 54 Jahre alt und seit 30 Jahren mit demselben Mann verheiratet. Wir haben eine Tochter (30 Jahre) und einen Sohn (27 Jahre). Um weiter aktiv zu bleiben, helfe ich ehrenamtlich in der öffentlichen Bücherei St. Martinus in Stommeln, bin Teil der Hörspielgruppe der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) und singe im Büsdorfer Kirchenchor.
Mach das Beste draus!
Jeder Tag ist für mich eine neue Herausforderung. Wenn ich mir etwas vornehme, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch umsetzen kann. Ich stehe auf dem Standpunkt: Man kann‘s ja mal versuchen, vielleicht haut‘s ja hin. Hat es geklappt, was immer man auch versucht hat, ist das ein tolles Erfolgserlebnis! Hat es nicht geklappt: Neuer Versuch!
Ich habe jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Beitrag für unser Portal verspreche und weiß, ich werde die anderen wieder einmal warten lassen müssen. Nicht, dass mein Team kein Verständnis für meine Situation hätte. Ich freue mich sogar richtig auf unsere zweiwöchentlichen Redaktionssitzungen und bekomme viel Lob.
Es ist einfach blöd, sich immer wieder entschuldigen zu müssen. Ich behaupte von mir, ich bin nicht unzuverlässig. Ich hab nur noch nicht realisiert, dass Manches nicht mehr so läuft wie früher. Der Tag ist auf einmal nur noch halb so lang. Er hat natürlich immer noch 24 Stunden, Die hab ich früher so gut wie möglich ausgeschöpft. Ich kann mich nicht mehr gut konzentrieren, ermüde ziemlich schnell. Immer hat die MS ein Wörtchen mitzureden. Da lässt sie sich auch nicht von abbringen. Sie ist einfach da. Alles geht viel langsamer, jede Aktion dauert gefühlt doppelt so lang.
Kraft nutzen
Wenn ich meine Ziele verwirklichen will, muss ich die MS austricksen. Ich darf nicht gegen sie kämpfen. Dies erfordert zu viel Kraft, die ich für wichtigere Dinge nutzen kann. In einer Zeitschrift hab ich mal in einem Leserbrief einer MSlerin gelesen: „Ich hab mich mit meiner Krankheit angefreundet.” Bekommt man die Diagnose, liest man einfach alles, was einem in die Finger kommt. So ein Quatsch, hab ich gedacht. Ich will sie nicht, ich hab sie nicht gerufen. Sie kann gern wieder gehen.
Nach einiger Zeit beginnt man zu akzeptieren. Die MS ist da, lass den Kopf nicht hängen, mach das Beste draus. Andrea, mir hat Dein Lieblingsspruch gut gefallen: Hinfallen. Aufstehen. Krönchen richten. Weitergehen.
So ist es: Hinfallen ist nicht schlimm, nicht wieder aufstehen schon.
Klappt nicht immer, aber das geht anderen auch schon mal so 🙂