Die Weihnachtswünscheliste

Müllers machten zum Frühstück die Kerzen am Adventskranz an.

“Schon die zweite”, entfuhr es Josef „Zeit, unsere Wunschliste zu machen.”, sagte er zu seiner Frau, während er ihr die Milch in den Kaffee gab.

“Dann hole ich mal einen Block und was zu schreiben”. Maria lächelte verschmitzt. Die Wunschliste gehörte zu ihrem jährlichen Weihnachtsritual und wurde traditionell nach jedem Buchstaben des Alphabets aufgesetzt.

A: sagte sie, bevor sie in ihr Marmeladenbrötchen schmierte.

Josef holte Luft und sagte “Auto”. Maria hob die Augenbrauen und sah ihn fragend an. “Nicht schon wieder ein neues!” Dachte sie. Mit dem jetzigen konnte sie erst seit kurzem vernünftig einparken.

“Es sollen nicht mehr so viele Autos an unserem Haus vorbei fahren. Und auch nicht parken. Ich wünsche mir eine Nürnberger Schere vor der Tür. Aber auf kein Fall ein Halteverbot. Denn ich möchte  ja schließlich vor meinem Eigentum mal mit dem Wagen stehen bleiben können.”

“Das schreibe ich dann mal unter A wie Autos, N wie Nürnberger Schere und V wie Verbot auf.”, war Marias dürrer Kommentar.

„Jetzt Du“ forderte Josef seine Frau heraus, die sich und ihm noch einmal frischen Kaffe nachgoss.

“Bus” – kam es spontan. „Ich wünsche mir viel mehr Busverbindungen für den Fall, dass unser Auto mal in die Werkstatt muss. So alle 10 Minuten in alle Richtungen: Köln, Bergheim, Königsdorf, Weiden West, Einkaufszentrum. Und natürlich auch wieder schnell zurück. Mein Weg zur Haltestelle sollte gaaaanz kurz sein. Aber keinesfalls will ich so ein Ding vor unserem Haus haben. Das ist sicherlich laut und die Busse stinken“.

„Dann haben wir ja schon mal B wie Bus, H wie Haltestelle und D wir Ding auf dem Zettel sagte Josef undeutlich mit seinem Bissen Wurstbrot im Mund.

„Ich weiß auch schon was für C schloss er an. „Christentum“. Maria verschluckte sich fast, als sie ein lang gezogenes „waaaaas“, ausstieß. „Na ja, das ist doch wichtig bei den Massen von Islamisten, die in unser Land kommen.“

„Das sind doch keine Islamisten….“, setzte Maria an, doch Josef unterbrach sie sofort. „Na ist doch egal. Also ich möchte mehr kirchliche, christliche Feiertage, dann können wir viel öfter in die Türkei fliegen, ohne Urlaub nehmen zu müssen.“

Maria öffnete erstaunt den Mund, als ob sie etwas sagen wollte, schloss ihn aber gleich wieder und hakte C wie Christentum, K wie Kirche, T wie Türkei und U wie Urlaub auf der Liste ab.

„Jetzt bin ich aber wieder dran.“, beeilte sie sich zu sagen. „Ich möchte, dass die Stadt die Gebühren und Steuern senkt und uns die Politiker ehrlich sagen und uns informieren, was sie damit machen und nicht für X und Y ausgeben, nur damit sie die Wahl gewinnen, sondern das Richtige damit finanzieren und mal die Ohren aufmachen, wenn ich ihnen sage, was ich möchte.“

„Halt“ – fuhr Josef dazwischen. „Das waren aber jetzt viele Wünsche. Ich komme mit dem Abhaken ja gar nicht nach.“ Und er setzte hinter G, S, P, I, X, Y, W, R und O den Kugelschreiber an.

„Ich bin aber noch nicht fertig.“ Maria kam in Rage. „Und dann möchte ich viel mehr Laternen an den Straßen. Ich kann im Dunkeln ja nicht mehr so gut sehen. Aber nicht am Gehweg hinter unserem Haus. Dann scheint mir das Licht quer ins Schlafzimmer und ich schlafe ja immer ohne Jalousien.“

Josef beeilte sich, L wie Laterne, Q wie quer und J wie Jalousien abzuhaken.

Er schaute beiläufig auf die Uhr. „Es wird Zeit für die Nachrichten. Die möchte ich auf jeden Fall noch sehen, bevor heute Nachmittag unsere Gäste zum Gänseessen kommen. F und Z fehlen noch. Das machen wir später. Ich schalte schon mal den Fernseher an.“

Die ersten Bilder zeigten erschienen auf dem neuen Großbildschirm im Wohnzimmer. Bomben fielen auf eigentlich schon nicht mehr vorhandene Wohnhäuser. Die nächste Einstellung zeigte einen belebten Platz in einer Großstadt. Ein Selbstmordattentäter hatte sich in die Luft gesprengt, viele Menschen mit in den Tod genommen und Verletzte zurück gelassen. Dann wurde über ein Massenflüchtlingslager berichtet. Im anschließenden Beitrag waren Frauen, Männer und Kinder zu sehen, die sich – bis an den Knöcheln im Schlamm stehend – vor einer Stacheldrahtbarriere zusammendrängten.

Josef wollte schon in ein anderes Programmschalten, da fiel ihm ein, was er unter F und Z auf die Wunschliste schreiben konnte:

„Lieber Gott, gib den Flüchtlingen ein warmes Zuhause“. Er legte die fertige Weihnachtswünscheliste zufrieden auf den Tisch zurück uns setze sich wieder in seinen Fernsehsessel.

Als am Abend seine Gäste das Haus verlassen hatten, wollte er seiner Frau seinen letzten Eintrag zeigen.

Hinter das Wort „Zuhause“ hatte jemand aus seinem Bekanntenkreis den Satz heimlich ergänzt: „Aber bitte nicht in meiner Nachbarschaft!”

Sehr wahr. Der Einsender möchte anonym bleiben.

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