Der Stollen ist weg …

Wahre Geschichte
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Ich erinnere mich noch gut an diesen Dezembertag 1960, denn ich durfte zum ersten Mal allein die gläsernen Kugeln an den Weihnachtsbaum hängen. Oma Hedwig war in der Küche beschäftigt mit Stollen backen. Ihre Stollen waren immer wunderbar saftig und wenn wir Kinder gemeinsam mit Mama den Baum geschmückt hatten gab es immer ein Stück vom frisch gebackenen Stollen. Wir Kinder tranken dabei Malzkaffee mit viel Milch. Langsam brach die Dämmerung herein und ich freute mich, dass ich mit Omas Hilfe die Kerzen anzünden durfte. Denn ansonsten galt der Spruch: >>Messer, Gabel, Schere, Licht…sind für kleine Kinder nicht.<<
Draußen zankten und krakeelten die Krähen im Kirschbaum, der nahe am Haus stand, doch wir waren zu beschäftigt, um darauf zu achten.
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Als die Kerzen festlich brannten, war es Zeit für Kaffee und Gebäck. Da ertönte ein Schrei aus der Küche: “Oh Gott… der Stollen ist weg!” schrie Oma. Wir rannten in die Küche und Oma stand am offenen Fenster. “Ich habe den Stollen zum Auskühlen auf den Fenstersims gestellt.” erklärte sie.
Im kahlen Kirschbaum zankten die Krähen und uns dämmerte, dass sie sich um die besten Stücke rangelten. Oma war so richtig wütend: “Gefräßige Deibel!” schimpfte sie, was sonst so gar nicht ihre Art war.
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Es wurde unser einziges Weihnachtsfest ohne Stollen, aber die Geschichte sorgt noch immer für Erheiterung im Familienkreis.
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von Annemarie Esser

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