Meine Heimat

Von Margriet Dreyer

Ich weiß heute nicht mehr, was oder wo meine Heimat ist. Da, wo ich geboren bin, habe ich keine Wurzeln mehr. Da, wo ich heute lebe, auch nicht. Ich komme aus dem Süden der Niederlande, aus Limburg. Eine schöne, hügelige Landschaft in den sonst so flachen Niederlanden oder Holland. Eigentlich ein Ausläufer der belgischen Ardennen.

Früher kamen die Holländer, d. h. die aus dem Norden kamen, nach Limburg in Urlaub. Alle waren sie voll bepackt mit dem Fahrrad und bestaunten die „hohen Berge“ von Limburg. Der höchste Berg der Niederlande ist immerhin 500 m hoch.  Das Verhältnis der Limburger zu den Holländern ist zu vergleichen mit den Bayern zu den Norddeutschen. Wir singen in Limburg viele etwas kitschige Heimatlieder in der Heimatsprache, das von hier aus betrachtet eine Art des Rheinischen ist. Heute ist das alles ziemlich vermischt, sowie es allen Dialekten geht.  Wenn ich oben am Meer bin, höre ich sofort, wenn ein Limburger spricht, auch wenn er Hochholländisch spricht. Die Limburger Sprache ist gefühlvoll, direkt und vertraulich. Mir gibt das ein schönes Gefühl. Da ich jedoch  keine schöne Kindheit hatte, ist mein Verhältnis zu Limburg heute gepalten.

Ein schönes Gefühl

Ich denke, wenn die Heimat abgeriegelt ist, wie bei den Ostgebieten oder wie bei den heutigen Flüchtlingen, wenn man da nicht mehr hin kann, das verstärkt die Sehnsucht enorm.  Das tut weh und jedes noch so kleine Ding aus der Heimat wird eine Kostbarkeit. Meinem Schwiegervater kamen immer die Tränen, wenn er von Pommern sprach, die verlorene Heimat, in die er nicht mehr zurück konnte.  Ich kann wenigstens, wenn ich Lust dazu habe, nach Limburg fahren, die Sprache hören und Vlaai (Tortenboden mit Obst) essen. Ich kann die Lieder hören, wenn ich das möchte. Dann freue ich mich, aber Heimat würde ich das nicht mehr nennen.

Manchmal denke ich, ich könnte zurück zu meinen Wurzeln gehen, dort leben und irgendwann sterben. Aber dort ist niemand, der mich bindet. Hier in Deutschland sind meine Freunde und Kinder, mein  Ehemann und meine Arbeit. Heute  könnte ich  überall leben, wo es grün und schön ist, und eigentlich ist das auch eine Art von Freiheit, oder?

– Enstanden im Rahmen des “Herzgeschichten”-Workshops, einem interkulturellen Projekt des Integrationsbüros der Kreisstadt Bergheim und der Fachstelle Älterwerden. Unter der Leitung von Literatur-Expertin Claudia Bambach entwickelten die Autoren an fünf Donnerstagen im März und April 2018 ihre Geschichten und trafen sich am 5. Mai 2018 dann das erste Mal zum Austausch und Kennenlernen.

Auf Wunsch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt es eine Forsetzung:  Zunächst einmal sollen die „Herzgeschichten“ gesammelt und gedruckt werden. Für die Veranstaltung „FuNTASTisch“ am 29. Juni 2018 im und um das Bürgerzentrum in Bergheim Süd-West werden die Autoren einen Geschichten-Wald organisieren und Texte der Öffentlichkeit vorstellen.

Mehr Info zum Schreib-Workshop: “Herzgeschichten”

 

 

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