Annemarie Nellen – Soziales Netzwerk

Gemeinsam gegen Einsam

 

Annemarie Nellen - Gemeinsam gegen Einsam

Annemarie Nellen – Gemeinsam gegen Einsam

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Annemarie Nellen. Ich bin 74 Jahre alt und geboren in Duisburg. Als Jugendliche habe ich in Köln-Lindenthal gelebt. Als meine Freundin mich eines Tages überredete, mit ihr nach Quadrath-Ichendorf in die Gaststätte „Die Schlemm“ zum Tanzen zu gehen, dachte ich zuerst „Mein Gott, was für ein Kaff.“ Dann lernte ich dort meinen Mann kennen und änderte schnell meine Meinung. Jetzt fühle ich mich hier in Bergheim zu Hause.

Nach meiner Lehre als Groß- und Außenhandels-Kauffrau wurde ich von der Firma übernommen und habe 40 Jahre lang in der Buchhaltung gearbeitet. Als mein Sohn geboren war, übte ich zehn Jahre lang an zwei Tagen die Woche meinen Beruf aus. Danach ging ich wieder ganztägig arbeiten und wurde Abteilungsleiterin Buchhaltung. Meine Arbeit hat mir immer gefallen, und ich habe sie sehr gern gemacht.

Im Jahr 1997 teilte mein Chef mir mit, dass er zum Jahresende in den Ruhestand gehe. Es war ein Schock für mich, denn wir arbeiteten seit 20 Jahren zusammen. Dann kam der Satz von ihm, der mein Leben total verändern sollte. Er sagte: „Frau Nellen, wollen sie sich an einen neuen Chef gewöhnen oder sollen wir sie auf Grund der anstehenden Umstrukturierung mit Abfindung entlassen?“ Ich war zu diesem Zeitpunkt erst 57 Jahre alt und habe eigentlich bis zum Rentenalter bleiben wollen. Nach Rücksprache mit meinem Mann habe ich das Angebot angenommen.

Frühstück für Senioren

Jetzt war ich den ganzen Tag zu Hause. Ich, die ich Hausarbeit noch nie als den Inhalt meines Lebens begriffen hatte, brachte innerhalb von vier Wochen meine Wohnung derart auf Hochglanz, dass es keinen Schrank mehr auszuwischen und keine Möbel mehr zu verrücken gab. Ich stand nach wie vor früh auf, machte meine Hausarbeiten und setzte mich dann vor den Fernseher. Zu dieser Zeit lief im ZDF die Serie „Reich und schön“ und nach etwa sechs Wochen wusste ich in der Welt der Reichen und Schönen bestens Bescheid. Ich langweilte mich zu Tode. Mein Entschluss reifte: Du musst etwas unternehmen.

Nicht um anderen etwas Gutes zu tun, sondern mehr aus Eigennutz beschloss ich, ehrenamtlich tätig zu werden.

Zu diesem Zeitpunkt hörte ich, dass die Stadt Bergheim ein Projekt für Senioren (Helfende Hände) einrichten wollte und für diese Aufgabe ehrenamtliche Mitarbeiter suchte. Ich meldete mich sofort und wurde freundlich aufgenommen. Etwa ein halbes Jahr wurden statistische Daten ermittelt – wie viele Senioren welchen Alters und welcher Herkunft in Bergheim wohnen. Die Erkenntnis, dass viele ältere Menschen allein sind, brachte uns zu unserem Ziel, die Menschen aus ihrer Einsamkeit herauszuholen.

Es stand fest – wir fangen erst einmal mit einem Frühstücksangebot an. Im November 2001 war es dann soweit. Unser erstes Frühstück startete mit viel Werbung in der Zeitung und einer Riesenpleite: Gerademal vier Frühstücksbesucher kamen, um die sich vier Ehrenamtler und Reporter aller Regionalzeitungen scharten.

Aber das Frühstück entwickelte sich rasend schnell zu einem beliebten Treffpunkt. Zum jetzigen Zeitpunkt kommen zwischen 50 und 60 Besuchern – und das jeden Montag. Meine Aufgabe bestand darin, für den reibungslosen Ablauf zu sorgen, Kaffee zu kochen, die Tische zu decken, sorgen dass alles schön aussieht und wieder in den Schrank zurückfindet.

Gott sei Dank gab es von Anfang an volle Unterstützung von Seiten der Stadt Bergheim, die uns die Räume kostenlos zur Verfügung stellt. Das Frühstück kostet erschwingliche 2,50 Euro pro Person. Zweimal im Monat gibt es ein gesundes Bio-Frühstück mit Dips und viel Obst und Gemüse. Nicht dass die anderen beiden Montage nicht auch gesund wären – gut tun sie alle vier. Vor allem gegen Alleinsein und Trübsal. Das geht so weit, dass in Monaten mit einem frühstückslosen fünften Montag einige Gäste sehr traurig sind, wenn einmal nichts stattfindet.

Beliebter Treffpunkt im FunTastik

Inzwischen findet das Frühstück im Bergheimer „FunTastik“ statt und unser Projekt nennt sich Soziales Netzwerk „Gemeinsam gegen einsam“. Es ist toll, wie gut alles angenommen wird. Seien es der Tanztee, der Bingonachmittag, die Sitzgymnastik nach jedem Frühstück, die Singgruppe oder die Rückengymnastik für Senioren. Ganz besonders möchte ich den Besuchs- und Begleitdienst unter der Leitung von Anni Wilbertz erwähnen.

Es ist für mich eine besondere Freude zu sehen, wie gut alles läuft. Ich denke, dieses Angebot für Senioren ist etwas sehr Wichtiges. Denn es bilden sich Freundschaften, die das Alleinsein im Alter etwas leichter machen oder durch neue Bekanntschaften sogar ganz verhindern helfen. Das gilt natürlich auch für mich: Nur zu Hause würde ich verrückt werden.

Ich kann nur jedem raten, raus zu gehen und möglichst lange mobil und aktiv zu bleiben. Mitten im Leben. Ich hoffe sehr, dass unser schönes Projekt noch lange besteht.

Ich selbst musste mich nach 14 Jahren aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Dienst zurückziehen. Trotzdem halte ich zwischenzeitlich die Augen auf, ob es nicht doch noch irgendwo eine Aufgabe und ein Projekt gibt, wo ich auch mit nachlassender Kraft und Energie noch gebraucht werde.

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